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Sonisphere Festival 2010 - Die Veranstalter stellen sich der Kritik

Wenn man das heutige Wetter sieht, dann kann man sich die Situation vor einer Woche am Sonisphere Heavy-Metal-Festival 2010 in Jonschwil kaum mehr vorstellen. Auch der "Ganzkörpermuskelkater" vom Schlammstampfen ist zum Glück bereits wieder überstanden. Heute fand die Medienmitteilung der Sonisphere Organisatioren in Jonschwil/SG statt.

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Degenau in Jonschwil SG war eben nicht nur ein bisschen wellness-schlammig-feucht; das war der Schlamm BIG TIME!
Franziska Schmid

Bis heute gab es keine Stellungnahme der Veranstalter des Sonisphere Festival 2010. Dafür gab es in der letzten Woche diverse Metalhead-Erlebnisberichte aus dem In- und Ausland:

  • Schweizer Illustrierte online (eigene Erfahrung -> viel Spass mit den Freunden wegen den Sonisphere-Bands Metallica, Slayer, Megadeth, Anthrax, Airbourne, Over Kill, Unearth, 36 Crazyfists, The Sorrow,  Alice in Chains, Heaven & Hell, Motörhead, Stone Sour, Rise Against, Volbeat, Mastodon, As I Lay Dying, Bullet For My Valentine, Devil Driver, Atreyu, Amon Amarth, 3 Inches of Blood, Smoke Blow, Dear Superstar (sind alle trotz erschwerten Wetterbedingungen gekommen und aufgetreten)...und wir haben die Herausforderung "Schlamm" überstanden. Obschon...der letzte Marsch von der Hauptbühne zum Ausgang ging nah an meine Grenzen (Erschöpfungsgrad war hoch und das gänzlich ohne Alkohol -> ich war für die Rückreise die Autofahrerin in unserer Gruppe)

Nun meldeten sich die Veranstalter endlich zu Wort. Zuerst mussten sich alle Beteiligten um die massiven Aufräumarbeiten in und um Jonschwil kümmern. Die Veranstalter nehmen die bisherige Kritik aber ernst.

Stefan Matthey von Free & Virgin und Gemeindepräsiden Stefan Frei erklärten, dass sie am Donnerstag im ständigen Kontakt mit MeteoSchweiz waren. Bis 14.00 Uhr war es anscheinend nicht klar, dass 18 Stunden Dauerregen folgen sollten.

Erst am Freitag Vormittag hat das OK überlegt das ganze Festival abzusagen. Aus Sorge um die Dorfbewohner und die umliegenden Dörfer wegen möglichen verärgerten Festival-Besuchern (mehrere 10'000 reisten für das Festival nach Jonschwil), entschied sich das OK für die Sonisphere Durchführung, trotz Schlammschlacht und Moorlandschaft. Die Dimension der Niederschläge erforderte jedoch den Festival-Kriesenstab. Das oberste Ziel der Veranstalter und Gemeinde war, die Gesundheit der Menschenmassen jederzeit zu gewährleisten.

Und dann kam die grosse Masse der 47'000 Metal-Fans nach Jonschwil. Viele reisten mit der ÖV nach Schwarzenbach (es gab SBB Extrazüge). Von dort aus ging es zu Fuss nach Jonschwil. Ich habe mich während den ca. 30 Min. Fussmarsch gewundert, wieso es so viel Abfall auf der Strasse gab. Heute haben wir von Linus Thalmann erfahren, dass es ursprünglich an jedem einzelnen Kandelaber 100-Liter Abfallsäcke gab. Betonung auf "gab". Die Festival-Besucher wussten sich wegen dem Schlamm und Wasser (von oben und unten) nicht besser zu helfen, als die Kübelsäcke mit Klebband zu "Gamaschen" umzufunktionieren; Schlammtiefe um ca. 19.30 Uhr -> 15-20 cm.

Das Verkehrskonzept in und um Jonschwil wurde von der Kantonspolizei St. Gallen abgenommen. Es kamen auch Metal-Fans mit ihrem Auto angereist (besonders die Leute, die aus grossen Entfernungen oder mit ihrer Camping-Ausrüstung unterwegs waren).

Für die Autos standen Parkplätze (Matschwiesen) für ca. 13'000 Fahrzeuge zur Verfügung; gemäss Info sind ca. 8'000 Besucher mit ihren Autos angereist. Für den "Parkplatz" musste man CHF 20.- bezahlen. Durch den Schlamm waren viele Autofahrer auf die Hilfe von Abschlepp-Traktoren angewiesen. Der Veranstalter hat 12 Traktoren für diese Hilfeleistung organisiert - diese Landwirte haben angeblich 180 Traktorenstunden kostenlos geleistet. Aber: Es ist eben auch ein Markt entstanden. Jeder der in der Umgebung einen Traktor hatte (oder einen Traktor mieten konnte), kam zur Degenau und fing an für unanständig viel Geld (Wucherpreise bis zu €100.-) die Autos zum Schlamm herauszuziehen. Die Veranstalter haben diese Entwicklung zwar mitbekommen, konnten jedoch nichts dagegen unternehmen, meinte Ruedi Epper (Verkehr).

Erschwerte Bedingungen gab es für die Leute die vor Ort campierten. Doof wenn man etwas im Auto vergessen hatte; sie mussten dann jeweils wieder von vorne bei der Eingangskontrolle anstehen und verloren da gut und gerne 30 Min. Und das bedeutete ganz einfach, dass sie eine Band verpassten. Gemäss Veranstalter liess sich das aus Sicherheitsgründen nicht anders organisieren.

Urs Kitschmann (Sanität) berichtete über 422 betreute Patienten während dem ganzen Festival; 18 Fälle benötigten Aufmerksamkeit von der Sanität vor Ort und 10 Fälle wurden hospitalisiert (Unterkühlungen und Alkohol). Für so einen Grossanlass angeblich im normalen Verhältnis.

Am Freitag Vormittag wurde vor der Hauptbühne fünf Lastwagenladungen Wasser und Schlamm abgesaugt. Nachträglich war es nicht möglich zusätzliche Kunststoff-Wabenplatten anzubringen. An den Stellen wo diese Bodenplatten vorhanden waren (WC-Anlagen, Hauptzugangsweg und Festzelte), versanken auch diese "Gehhilfen" nach tausenden Metal-Fan-Füssen und -Gewicht im tiefen Schlamm. Nach dem Metallica Gig war der Schlamm inzwischen 30-35cm tief!

Während dem Mega-Anlass blieb den Festival-Besuchern nichts anderes übrig, als im Regen vereinzelt eine Sitzgelegenheit zu finden. Gemäss Linus Thalmann hat man in den Festzelten bewusst auf Sitzgelegenheiten verzichtet, damit angeblich möglichst viele Metalheads stehend Schutz vor dem Regen hatten. Mit der Zeit war das einfach sehr anstrengend.

Sicht auf die Bühne und die Tonqualität waren nicht in jedem Fall ideal. Wenn man nicht 190 cm gross ist, dann war es nebst dem Absinken im Schlamm und wegen den drei "Tonreglertürmen" zwischen den beiden Bühnen und den Zuschauern gar nicht so einfach, etwas von der Show zu sehen. 

Der Vorwurf das diverse Notausgänge geschlossen und Exit-Schilder entfernt worden seien, haben die Veranstalter verneint. Michael Dürst (Sicherheitschef) erwähnte jedoch einen Mitarbeiter, der unbefugt an einem Ausgang das Schild entfernte, da dieser Notausgang noch weiter in den Morast geführt hätte. Für ortsunkundige Beobachter dieser Szene war das vermutlich surreal und wurde daher auch in diversen Foren erwähnt.

 

Fazit Veranstalter: Der Dauerregen war schuld und es gab (glücklicherweise) keine Toten. Fehler wurden kaum eingestanden. Die Zukunft von Sonisphere in Jonschwil ist ungewiss; zuerst muss alles abschliessend analysiert, Lehren gezogen und abgerechnet werden (sämtliche Kosten gehen an den Veranstalter und nicht an die Gemeinde). Zudem muss auch die Akzeptanz der Bevölkerung gewährleistet sein. On verra bien...

Mein Fazit: Toll das die Bands nicht schlapp gemacht haben. Toll das es solche Anlässe gibt. Toll das meine bunten Gummistiefel dem Schlamm standgehalten haben...aber in der nächsten Zeit gehe ich wohl erst mal lieber mit dem Tram ins Hallenstadion :-)

 

PS: Ich habe Degenau heute kurz besucht...also dort wächst vermutlich so rasch nichts nach...höchstens vielleicht Ohropax-Bäume (von den ca. 60'000 verteilten Ohrstöpseln tauchen viele im inzwischen getrockneten Schlamm wieder auf). Auf der 18 Hektaren grossen Wiese wurde auch heute noch aufgeräumt. 

 

Die Organisation für das Sonisphere Heavy-Metal-Festival 2010 ist die eigens dafür gegründete Firma Outfield Productions. Zusätzlich war Linus Thalmann (Gastro-Unternehmer, LT Live Tour Music GmbH Gründer, Zusammenschluss 2007 mit OpenAir Tufertschwil -> Mountain Event GmbH) zu einem Drittel beteiligt. Der Hauptaktionär und somit Veranstalter des Sonisphere ist die Zürcher Konzertagentur Free & Virgin.

am 25. Juni 2010 - 20:12 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 01:37 Uhr