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Der ganz normale Wahnsinn

4 Lektionen aus Peaches Geldofs Tod

Es gibt Sachen, die macht man einfach nicht als Mutter. Sich Heroin zu spritzen steht ziemlich weit oben auf dieser Liste, findet Sandra C. Die Lektüre eines grossartigen Artikels im englischen «Guardian» über den Tod des britischen It-Girls - und Mutter - Peaches Geldof hat die Familienbloggerin aber nachdenklich gemacht. Und ihr einige Lektionen erteilt in Sachen Elternschaft.

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Teaser Peaches Geldof mit Kind und Ehemann Cohen

Peaches Geldof hatte ihr vermeintlich idyllisches Familienleben auf sozialen Netzwerken zelebriert. Sie war nicht nur ein Opfer ihre Drogensucht - sondern auch ihrer idealistischen Vorstellungen der Elternschaft.

via Instagram.com

Peaches Geldof war Model und Moderatorin und Tochter zweier Ikonen, Popstar Bob Geldof und TV-Moderatorin Paula Yates. Ihre Mutter starb an einer Überdosis Heroin, als Peaches elf Jahre alt war. Sie selbst war 25, als sie am 7. April starb. Woran, ist unklar. Klar ist: Sie hatte Heroin im Blut. Peaches war Mutter von zwei kleinen Söhnen, knapp ein und zwei Jahre alt. Das It-Girl hatte eine wilde Vergangenheit mit Drogen und Partys, versicherte aber immer, ihre Kinder hätten sie geändert. Womit wir schon bei Lektion Nr. 1 wären:

1. Lektion: Kinder machen dich nicht zu einem besseren Menschen
Noch nicht mal zu einem anderen. Peaches Geldof sagte, ihre Söhne hätten sie «komplett gemacht» - und postete unzählige Bilder ihrer glücklichen Familie auf sozialen Netzwerken. «Die Idee, dass diese junge Drogenabhängige durch ihre Mutterschaft zu einer Art Archetyp domestischer Zufriedenheit wurde, ist attraktiv», schreibt «Guardian»-Autorin Deborah Orr. «Aber sie war nie realistisch. Mutterschaft wird idealisiert. Es ist zwar kein Mythos, dass sie einem unsteten Leben einen Sinn geben kann - dies wird aber stark überbewertet.» Peaches war nicht nur ein Opfer ihrer Drogensucht, sondern auch ihrer idealistischen Vorstellungen der Elternschaft. Sie wollte so sehr eine perfekte Mutter sein. Eine, welche den früheren Dämonen keine Chance mehr gab. Eine, die sie ihr früheres Selbst vergessen liess. Es hat nicht funktioniert.

Der simple Fakt, dass man Nachwuchs produziert hat, heisst nicht, dass man plötzlich ein anderer Mensch ist. Auch wenn man gerade am Anfang das Gefühl hat, das sei so. Natürlich ändert sich das Leben, man setzt andere Prioritäten. Und denkt - oder hofft - vielleicht, dass man dadurch automatisch alte - schlechte - Gewohnheiten aufgibt. Je länger ich Mutter bin, desto mehr merke ich, dass das Gegenteil der Fall ist. Ich flüchte mich immer wieder in alte Muster - übertriebener Zynismus zum Beispiel, oder auch mal ein heftiger Wutausbruch - gerade dann, wenn ich von mir selbst enttäuscht bin. Gott sei Dank stelle ich an mich als Mutter keine so hohen Anforderungen wie Peaches Geldof das offensichtlich tat. Und Gott sei Dank gehören Drogen nicht zu meinen alten Angewohnheiten.

2. Lektion: Kinder brauchen mehr als Liebe
«All you need is love?» Bullshit! «Liebe ist eine sehr wichtige Sache auf einer langen Liste voll von sehr wichtigen Sachen», schreibt Orr. «Das Wichtigste ist, sich nicht von diesem Kult der Mutterschaft blenden zu lassen.» Das erste Lächeln, der erste Zahn, die ersten Schritte - alles akribisch festgehalten und von Mama Peaches öffentlich zelebriert. So weit, so normal. Aber dieses Immer-wieder-Beteuern, wie grossartig diese Kinder sind und wie schön es ist, ihre Mutter zu sein, erinnert eben genau an das: einen Kult.

Kinder wollen von ihren Eltern geliebt werden, ja - aber nicht angebetet. Kinder sollen gelobt und ermutigt werden, ja - aber man muss ihnen auch Grenzen setzen, Regeln schaffen und sich ab und zu unbeliebt machen. Etwas vom Wichtigsten, was ich als Mutter gelernt habe: Ich darf mein Kind auch mal so richtig blöd finden - das heisst nicht, dass ich es weniger liebe. Und glaubt mir: Ich habe jeden Tag Gründe, meine Kinder richtig blöd zu finden.

3. Lektion: Wer nicht in erster Linie für sich selbst sorgt, kann auch nicht für seine Kinder sorgen
Hier liegt der Hund im Detail begraben: Nämlich in den Wörtchen «in erster Linie». «Es ist wie im Flugzeug mit den Sauerstoffmasken», so Deborah Orr. «Man muss sie zuerst selbst anlegen, bevor man sie seinen Kindern anlegt.» Peaches Geldof hat ihren Söhnen mehr als genug Sauerstoff zukommen lassen - und ihre eigene Maske vergessen. Oder zu spät bemerkt, dass sie auch eine braucht. Um ihre offenbar so verletzte Psyche hat sich keiner gekümmert - am wenigsten sie selbst.

So oft wird er dahergesagt, dieser Satz: «Wenn das Mami nicht glücklich ist, sind es auch die Kinder nicht.» Ich kenne kaum eine Mutter, die sich wirklich an diesen Spruch hält. Nicht mal ich selbst tue das konsequent - denn selbstverständlich ist das Glück meiner Kinder wichtiger als mein eigenes. Und selbstverständlich tue ich so viel wie möglich dafür, dass meine Kinder glücklich sind. Aber wenn ihr Glück zu meinem Stress wird - zum Beispiel wenn mal wieder ein Trainer für die Handballmannschaft gesucht wird und es doch soooooo schön wäre, wenn Mami das machen würde - dann sorry, Kinder, geht mein Glück vor. Sonst wird mein Stress nämlich ganz schnell zu eurem.

4. Lektion: Deine Eltern prägen dich mehr, als du denkst
«Man sagt immer, die Familie Geldof sei von Tragödien verfolgt gewesen», schreibt der «Guardian». «Aber irgendwie war sie auch vom Idealismus verfolgt.» Klar, Peaches Papa, Chef-Idealist Bob Geldof, der für seinen Traum, die Welt zu ernähren, rund um den Globus jettet. Seine Enkel habe er kaum je gesehen, sagte Peaches mal. Ob das bei seinen eigenen Kindern anders war, wage ich stark zu bezweifeln. Und dann die Mama, Skandalnudel Paula Yates, feurig, leidenschaftlich - drogenabhängig. Wie gross muss Peaches Wunsch gewesen sein, es anders zu machen als ihre Eltern. Und wie gross der Schreck, dass sie es in gewisser Weise doch gleich gemacht hat, indem sie den Idealismus des Vaters und die Leidenschaft der Mutter ganz auf ihre Mutterrolle konzentrierte. Das letzte Bild, das Peaches Geldof ins Netz stellte, zeigte sie als Mädchen mit ihrer Mutter. Im Nachhinein sieht das aus wie ein Hilferuf: «Ich habe es nicht geschafft, nicht so zu werden wie du.»

Ich habe immer gedacht, ich sei ganz anders als meine Mutter. Seit ich Kinder habe, merke ich, dass das nicht stimmt. Die Rolle, die sie mir als Mutter vorgelebt hat, hat mich sehr geprägt. Sie hat mir zum Beispiel gezeigt, dass man nicht 24 Stunden am Tag physisch für seine Kinder anwesend sein muss, um für sie da zu sein. Dass man auch als Mutter unabhängig und stark sein kann - und darf! - und gleichzeitig liebevoll und sanft. Und dass man manchmal fürs eigene Seelenheil Dinge tun muss, die die Kinder nicht verstehen. Irgendwann tun sie es.

am 8. Mai 2014 - 12:56 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 01:33 Uhr