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Stadt - Berg einfach

Verlorene Braut

Viel Alkohol, eine Trauzeugin, die verschwand, und ein aufgebrachter Bräutigam, der seine Braut vermisste. Bloggerin Sarah Rüegger erlebte jüngst einen Polterabend und fragt, sich warum solche Junggesellinnen-Abschiede überhaupt gefeiert werden.

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Hochzeiten sind so eine Sache. Eine Sache, die gerade sehr in Mode ist. Ich bin geradezu umzingelt von Hochzeiten, könnte man sagen. Ich arbeite an einem Hochzeitskleid für eine Freundin, während ich einer anderen Freundin eine moralische Unterstützung bin, in der Planung ihrer Heirat. Eben für letztere fand am Freitag ein Junggesellinnen-Abschied statt. Überraschend bei der Arbeit abgeholt, ein wirklich dekadentes Picknick im Pärkli, gemütlich sollte es werden. Wir mussten der Welt nicht mehr beweisen, wie man Party macht, das haben wir die letzten 15 Jahre immer und immer wieder getan. Dachte ich.

Aber seien wir ehrlich: Was ist dieses Polterabend-Dings eigentlich? Dieses «Ich lass jetzt ein letztes Mal die Sau raus»-Motto ist total merkwürdig, vor allem weil ich nicht verstehe, warum man als verheiratetes Paar nicht mehr ausgehen dürfen sollte. Da kann man sich ja gleich mal eben den Grabstein aussuchen gehen, an einem freien Samstag.                                                                                                                      

Und dann immer diese wirklich unansehnlichen Aufmachungen. Warum nur sollte man sich einer baldigen Heirat wegen zum Affen machen? Warum sollte man sich ausgerechnet dann besonders idiotisch/kindisch/schlampig benehmen? Und warum zum Teufel sollte man aufgrund dieser Peinlichkeiten auch noch etwas gratis bekommen (ich habe an vielen Bars gearbeitet und ja - alle glauben, dass eine Verlobung eine Leistung sei, die mit mindestens einem Dutzend Shots honoriert werden müsste)?

Ja, das Konzept des Polterabends ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln und glücklicherweise erwarten die wenigsten meiner bald verheirateten Freunde einen solchen pseudo-klassischen Junggesellinnen-Abschied. Trotzdem - irgendwie habe ich kein Glück damit. Bereits vor einigen Wochen haben wir für eine Freundin ein ganzes verdammtes Polterwochenende nach Chamonix verlegt, wo ich die etwa 200 Franken Übernachtungs- und Zugskosten schliesslich darin investiert habe, mir herzhaft die Magensäurenreserven aus dem Leib zu kotzen, da ich mir gleich am ersten Abend eine besonders motivierte Lebensmittelvergiftung eingefangen hatte. Grossartig.

Der Polterabend vom Freitag endete schliesslich in einem alternativen Disneyland am Rande von Bern, wo ich nicht nur die Braut aus den Augen verlor, sondern auch alle anderen Polterabend-Teilnehmerinnen und mein Prosecco-Level es irgendwann spät nachts gerade noch so erlaubte, mir ein Taxi abzufangen, und dort hin zu gehen, wo wir eigentlich alle hingehörten: ins Bett.                          

Nur: Seit diesen «Hangover»-Filmen gibt es ja keine Bachelor-Party mehr ohne verlorenen Bräutigam. In meinem Fall begann der Samstag, der wegen des 1. August ein Sonntag war, mit einer SMS des Bräutigams um 10 Uhr, ob denn bei uns «alles klar» sei. Zwei Anrufversuche später (beide besetzt) war mir klar: Wir hatten die Braut verloren. Also ich, um das klar zu machen (obwohl die Braut im Auge zu behalten - so glaube ich - die Aufgabe der Trauzeugin ist, aber die hatten wir schon lange zuvor verloren). Nun ja, so eine verlorene Braut gehört ja wie gesagt heute irgendwie schon zum Standard, aber mit aufgebrachten Bräutigamen umzugehen, ist deshalb doch kein Zuckerschlecken.

Zum Glück fand die verlorene Braut dann doch noch ein Handyladekabel in ihrer Tasche, sodass schnell klar wurde, dass die verlorene einfach eine extrem partywütige Braut ist und sich auch um 10 Uhr morgens noch nicht vom Fleck bewegt hatte. Das nenne ich mal ein Commitment.

Trotzdem: Ich werde mich nie mit dem Konzept des Junggesellen-Abschieds anfreunden. Ich sage noch immer: Lasst uns die Feste feiern, wie sie fallen. Auch wenn wir verheiratet sind.

am 2. August 2015 - 10:28 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 01:30 Uhr