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Auf einen Espresso

Über das Alter, den Ruhestand und den Laptop

FRANK A. MEYER UND MARC WALDER - FRAGEN UND MEINUNGEN ZU DEN THEMEN DER WOCHE.

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Auf einen Espresso mit Frank A. Meyer und Marc Walder neue Bilder

Frank A. Meyer, 70, arbeitet als Journalist im Hause Ringier. Er lebt in Berlin. Marc Walder, 49, ist CEO der Ringier AG.

Thomas Buchwalder

Sagen Sie mal, Frank A. Meyer, Sie werden am 6. Januar 71 Jahre alt, arbeiten aber wie eh und je. Wieso eigentlich?
Weil Arbeit meine Passion ist: denken, Ideen entwickeln, schreiben, Gespräche führen – Journalist zu sein, ist ein schöner Beruf.

Ihr Beruf ist Ihr Leben. War es schon immer. Ist es nach wie vor. Kann man das so sagen?
Ja, das kann man so sagen.

Wie lange sollen Menschen in der Schweiz arbeiten?
Das lässt sich nicht aus meiner Perspektive allein beantworten.

Warum nicht?
Die meisten Menschen finden wahrscheinlich nicht ganz so viel Erfüllung in ihrer Arbeit wie ich. Also stellt sich die Frage für sie ganz anders. Zum Beispiel: Wie lange halte ich es noch an der Migros-Kasse aus? Wie lange mag ich noch in meinem Büro sitzen? Wie lange schaff ich es noch als Maurer, Bodenleger, Bäcker, Mechaniker, Installateur?

Darum nochmals: Wo sollte die Altersgrenze für Arbeitnehmer in der Schweiz liegen?
Ich halte die Idee einer festen Altersgrenze für überholt. Auch in den Handwerksberufen gibt es leidenschaftliche Werktätige, die in der Verwirklichung ihres Könnens Erfüllung finden. Und die ein Ausscheiden aus ihrem Beruf als äusserst schmerzlich wahrnehmen, als Altersguillotine, weshalb sie ihre Zwangspensionierung oft nicht verarbeiten können.

Also?
In unserer modernen Gesellschaft müsste ein Ausstieg aus der Arbeit à la carte möglich sein. Also ganz nach den Bedürfnissen des Einzelnen.

Ob das machbar ist? Heute wird gestritten, ob 63, 65 oder 67 das richtige Alter für die Pensionierung ist …
Es braucht sicher eine Grenze zum Erreichen der vollen Pensionsberechtigung. Doch wird sie heute zu früh gezogen. Die Menschen leben länger als vor zwei Generationen, sie werden 80, 85 Jahre alt. Das Pensionsalter wurde festgelegt, als die Lebenserwartung wesentlich tiefer war. Ein Mädchen, das heute geboren wird, hat eine 50-prozentige Aussicht, 100-jährig zu werden. Was macht es zwischen 64 und 100 – also 36 Jahre lang? Pflegt es seinen Kräutergarten auf dem Balkon? Die Relation zwischen Arbeitsleben und Altersleben stimmt nicht mehr.

Gewerkschaften und die Linke wehren sich mit Zähnen und Klauen gegen das Heraufsetzen des Pensionsalters!
Die Arbeiterbewegung ist keine Arbeiterbewegung mehr, sondern eine Bewegung von Lehrern, Beamten und Sozial-Ingenieuren. Darum sieht sie nicht, dass sie mit dem Beharren auf einer möglichst tiefen Pensionsgrenze Zehntausende Arbeitnehmer beleidigt, die mit ihrem Können und Wissen noch jahrelang wertvolle Arbeit leisten möchten. Überhaupt neigen wir dazu, Lebensund Arbeitserfahrung zu missachten.

Die Linke ist sich aber sicher, dass sie die Menschen mit einer möglichst frühen Pensionierung glücklich macht.
In Wirklichkeit geht es da um eine kulturelle Problematik.

Inwiefern?
Das Ganze wird übers Finanzielle abgehandelt. Man fragt: Wo liegt die Pensionsgrenze, die finanzierbar ist?

Was ist daran falsch?
Ich würde anders fragen: Was für eine Ruhestandskultur braucht die Wirtschaft, braucht die Gesellschaft, braucht die Schweiz, damit nicht auf fahrlässige Weise Lebenserfahrung aufs Altenteil geschickt wird? Arbeitnehmer, die ausscheiden, nehmen ihr Wissen, ihr Können, ihre menschliche, ihre soziale Kompetenz mit nach Hause. All das wird gelöscht. Auf einem Laptop würde man das nie tun.

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Von SI online am 8. Dezember 2014 - 14:20 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 16:40 Uhr