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Notabene Helmut Hubacher

Füsilier Gulasch

Der ehemalige SP-Präsident und Buchautor Helmut Hubacher, 86, über seinen ersten Militär-WK.

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Helmut Hubacher
Kurt Reichenbach

Nach der Schule sei ich «wie ein Lauchstängel» in die Höhe geschossen, sagte Grossmutter. Deshalb hatte ich bei der Aushebung für die Armee zu wenig Brustumfang. Befund: dienstuntauglich. Ich hätte meinen SBB-Job verloren. Angestellt wurden nur Diensttaugliche. So haute der Aushebungsoffizier den Stempel ins Dienstbüchlein: «Will Dienst tun».

Meine militärische «Karriere» begann als Rekrut und hörte als Füsilier auf.

Der erste WK wurde zum Erlebnis. In der dritten Woche hatte sich Divisionär Rösler zur Inspektion angemeldet. Ein Offizier vom Jahrgang Zackzack. Am Tag X regnete es in Strömen. Unser Hauptmann hatte angeordnet, persönliche Wäsche, Zahnbürste und Sonstiges bleiben im Trockenen. Im Kantonnement. Rösler quittierte das ungehalten als nicht kriegsmässig. Halblaut hörbar mit der Bemerkung «dieses Weichei». Gemeint war der Hauptmann.

Die Kompanie wurde in zwei Reihen aufgestellt. Zum Gewehrgriff. Der Hauptmann, auch «Kadi» genannt, befahl der ersten Reihe: «Achtung, steht, Gewehre schultern!» Da schrie ihn der Divisionär an: «Beide Reihen!» Mutig und recht ungehorsam gab der Hauptmann zurück: «Herr Divisionär, beim Zuschauen lernt man auch etwas.»

Da hat es Rösler buchstäblich «verjagt». Er war ausser sich. Und stauchte unsere Kompanie wütend als die liederlichste, himmeltraurigste Einheit, die ihm jemals begegnet sei, zusammen. Das war natürlich an Hauptmann Mäglin adressiert, später Professor am Zahnärztlichen Institut der Universität Basel.

Solche Erlebnisse gibts nur im Militär. Es sind meine Inidanergeschichten am Lagerfeuer

Ein Divisionär, der dermassen die Fassung verlor, war ein journalistisches «Fressen». Ich verfasste nämlich für die «Basler AZ» den «Bericht aus dem WK». Unterzeichnet mit «Füsilier Gulasch».

Die Fortsetzung folgte im nächsten WK. Unsere Kompanie absolvierte gerade eine Manöverübung im Gurnigelgebiet. Ich lag hinter einem Gebüsch, gut getarnt. Auf einmal stand Divisionär Rösler davor. Mit meinem Zugführer. Ich hörte, wie Rösler dem Leutnant erklärte, da gebe es einen Mann, der als Füsilier Gulasch WK-Berichte veröffentliche. «Wenn Sie mir den ausfindig machen könnten, wäre ich Ihnen dankbar.»

Damit war das Thema für den nächsten Bericht gegeben. Ausgiebig und lustvoll schilderte ich, wie mir Rösler direkt vor die «Flinte» gelaufen sei. Es wurde eine köstliche Schreibe. Später wurde mir zugetragen, der Divisionär habe einen regelrechten Wutanfall erlitten. Herrlich. Und keiner meiner Kameraden hat mich verpfiffen.

Dann übernahm ein neuer Hauptmann unsere Kompanie. Der sich recht tollpatschig eingeführt hatte. Er erliess nämlich ein Bierverbot. Das im Juli, bei grösster Hitze. Der Regimentskommandant habe das befohlen. Teddie, mein bester Kumpel, und ich misstrauten der Sache. Wir wollten wissen, was für ein «Idiot» ein solches Verbot erlasse habe: Oberst Gürtler, Direktor der Bierbrauerei Ziegelhof in Liestal. Der Rest ist schnell erzählt. Unser Hauptmann musste vortraben und zurückbuchstabieren.

Der nächste WK fand im Oktober statt. Der Hauptmann stand auf einem Brücklein und simulierte den Ernstfall: «Es ist Krieg, diese Brücke ist zerstört, ihr müsst den Bach im Wasser durchqueren.» Teddie und ich probten den Aufstand: «Herr Hauptmann, im Krieg gehen Sie voran.»

Wir marschierten über die Brücke ans andere Ufer. Dafür lag die Autorität des Hauptmanns im Wasser.

Wir wurden auf die Hohen Winden im Toggenburg zum Manöver verlegt. Kriegsmässig. Ohne Küche. Die Beiz hingegen blieb durchgehend geöffnet. Nicht für unsere Kompanie. Wir hatten Beizenverbot. Mit der LmA-Stimmung bestellte ich am dritten Tag Bratwurst mit Röschti.

Wer sass auch da? Mein Hauptmann. Zornig befahl er mir: «Füsilier Hubacher, raus, Sie haben hier nichts verloren.» - «Herr Hauptmann, wäre Krieg, sässen wir beide oder keiner da.» Verpflegte mich und ging verbotenerweise schlafen. Das reichte dann für drei Tage Arrest. Den ich absitzen musste, als die Kompanie entlassen wurde. Ich hatte mir den Arrest redlich verdient.

Solche und andere Erlebnisse gibts halt nur im Militärdienst. Wie Sie merken, schwärmt man(n) noch im höheren Alter davon. Es sind, wie ich sage, meine Indianergeschichten am Lagerfeuer.

Von Helmut Hubacher am 6. Juni 2013 - 14:30 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 01:20 Uhr