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SVP-Politiker René Kuhn

Der tiefe Fall des René K.

Mit Tiraden über «verfilzte linke Weiber» wurde der Luzerner SVP-Stadtparteichef René Kuhn, 42, über Nacht zum meistgehassten Politiker der Schweiz. Ein Ausrutscher? Oder pure Dummheit? «Ich würde es wieder so machen.»

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Würzenbach. Ein beschauliches Quartier zwischen Luzern und Meggen. Nur die Hauptstrasse trennt den Reihenblock im Grünen vom Vierwaldstättersee. Eine weibliche Stimme, russischer Akzent, fragt durch die Gegensprechanlage: «Wer ist da?» Kurze Stille. «Moment, mein Mann kommt gleich.» – Das ist er also: Glatze, schwarze Brille, Jeans, bedrucktes T-Shirt und Hausschuhe. Auffallend schlechte Zähne. René Kunz schaut grimmig: «Ich will alles gegenlesen. Ich bestimme hier die Spielregeln.»

In der Stube der 6½-Zimmer-Maisonettewohnung sitzen seine Frau Oxana, 31, und Tochter Milena, 3. Kuhn verschwindet kurz im Schlafzimmer. «Fürs Foto ziehe ich mich aber um, ich will ja schliesslich eine gute Falle machen.»

Frau Kuhn, würden Sie sich als emanzipierte Frau bezeichnen?
(Oxana Kuhn zögert lange.) Ich weiss auch nicht. (Sie schaut zu ihrem Mann, als der wieder hereinkommt.) Ich fühle mich nicht unterdrückt.

Stöckelschuhe scheinen für Sie und Ihren Mann ein wichtiges Thema zu sein. Wie viele besitzen denn Sie?
Viele. Genau kann ich das nicht sagen.

Und wie viele braucht eine Frau Ihrer Meinung nach?
Nicht viele. Aber die meisten Schweizerinnen wissen ja nicht mal, was Pedicure ist! Und färben sich auch nicht die Haare, wenn sie grau werden.

Sie unterstützen also Ihren Mann in seinen Aussagen?
Voll und ganz. In Russland fühlt sich jede Frau wie eine Königin. Hier in der Schweiz verstecken die Frauen ihre Weiblichkeit, das ist doch traurig!

René und Oxana Kuhn sind seit fünf Jahren verheiratet, 2001 holte er die junge Frau aus Südrussland, dem kleinen Ort Krasnador, nach Luzern. Sie sagt, sie habe dort Germanistik studiert. Heute ist sie hauptsächlich Mutter – und malt Bilder. Die sind jetzt statt der Hasstiraden prominent auf der Homepage zu sehen und zu kaufen. Ob das Paar Profit aus der Attacke gegen Frauen ziehen will? «Jesses Gott, das ist nun wirklich nicht das Ziel», sagt Kuhn.

Der Mann ist politisch am Ende. Er trat letzte Woche als Präsident der SVP Stadt Luzern zurück. Einer, der linke Frauen als ungepflegte, verfilzte und verlumpte Vogelscheuchen bezeichnet, sei «nicht tragbar», sagt selbst Parteikollege und SVP-Nationalrat Josef Kunz.

Wer ist dieser Mann, der sich 20 Jahre auf der politischen Bühne halten konnte, obwohl er über ein Sexmagazin Dominikanerinnen an Schweizer vermittelt haben soll? Obwohl er angeblich mit fingierten Rechnungen mehrere Tausend Franken veruntreut hat und dafür von seinem damaligen Arbeitgeber, der Glasi Hergiswil, fristlos entlassen wurde.     

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Herr Kuhn, warum pöbeln Sie so gegen Frauen?
Nach drei Wochen Ferien in Russland sagte meine Frau auf der Heimreise: «Ab jetzt siehst du keine Frauen mehr in Stöckelschuhen.» Da habe ich gedacht: Okay, dazu könnte ich eigentlich eine Feriengeschichte schreiben und auf meiner Homepage veröffentlichen.

Mit Ihrem Pamphlet haben Sie Ihre politische Karriere innert Stunden ruiniert.
Jawohl, verblödelt. In sechs Wochen wäre ich aber ohnehin zurückgetreten. Das teilte ich bereits nach dem schlechten Resultat bei den Luzerner Stadtratswahlen vom 14. Juni schriftlich mit.

Ein unrühmlicher Abgang.
Ich hatte ihn mir schöner vorgestellt.

«… Nicht so in der Schweiz, wo man sich tagtäglich diese linken, ungepflegten, ‹verfilzten› Weiber an sehen muss, welche überhaupt keine Weiblichkeit ausstrahlen. Gruselkabinett! …» René Kuhn

Die Partei lässt Sie fallen.
Das sehe ich nicht so.

SVP-Nationalrat Josef Kunz sagt, Sie seien untragbar.
Ich hörte nur von drei Leuten aus der eigenen Partei, die sich negativ äusserten.

Man diskutierte gar, Sie aus der SVP auszuschliessen.
Das hätten die mal probieren sollen (grinst). Ausserdem habe ich viel Zustimmung bekommen. Gegen 1000 Mails, 70 Prozent positiv. Viele von Frauen, von bekannten Frauen …

Von wem denn?
Ich nenne keine Namen. Von Nationalrätinnen aus der SVP, so viele gibt es ja nicht (grinst). Ausserdem: Wie und was ich geschrieben habe, so wird doch an jedem SVP-Stammtisch diskutiert.

Reden so auch jene Parteikollegen, die Sie jetzt scharf kritisieren?
Eins zu eins. 100 Prozent. Das ist doch jetzt alles scheinheiliges Getue.

(René Kuhn steht auf, greift sich eine Zigarre aus dem Humidor, zündet sie genüsslich an. Eine Ramon Allones. Traditionsreiche Havanna-Marke. «Kubanische mag ich besonders gerne.»)

Sie verstehen die Kritik an Ihren unflätigen Aussagen über Frauen also nicht?
Nein, ganz und gar nicht! Das ist meine persönliche Meinung. Ich würde es wieder so machen, okay, vielleicht etwas anders formulieren. Ausserdem gehts ja nicht nur um die Frauen.

Sondern?
Schauen Sie sich mal die linken Männer im Nationalrat an, wie die zum Teil lausig daherkommen, mit Sandalen! Ein Nationalrat hat mit einer Krawatte rumzulaufen. Punkt.

Und Nationalrätinnen mit Stöckelschuhen und tiefem Ausschnitt?
Nein. Einfach gepflegt. Es gibt ja durchaus auch SP-Frauen, die etwas aus sich machen und ihre Weiblichkeit zeigen!

Haben Sie ein Problem mit Frauen?
Merken Sie es denn nicht (lacht)? Das Gegenteil ist wahr! Fragen Sie meine Frau.

Hat sie bei Ihnen überhaupt etwas zu sagen?
(Lacht.) Sie sehen ja, dass ich sie voll unter Kontrolle habe. Ich treibe sie mit der Peitsche zum Putzen und Kochen an. Nein, Schwachsinn! Ich kann ja rausgehen, dann kann sie Ihnen die Wahrheit sagen.

Früher sollen Sie, Herr Kuhn, Dominikanerinnen in die Schweiz gebracht haben – vermitteln Sie jetzt Russinnen?
(Lacht.) Das habe ich mir schon überlegt, es wäre ein super Geschäft! Einen Namen als Frauenhändler soll ich mir ja schon gemacht haben. Nein, Spass beiseite. Ich habe keine einzige Frau in die Schweiz gebracht. Diese Geschichte ist erstunken und erlogen.

Wo und wie haben Sie Ihre Frau kennengelernt?
(Schmunzelt.) Auf Geschäftsreise in Russland.

«Das Recht auf Dummheit ist in der Schweiz sogar verfassungsrechtlich mit der Meinungsfreiheit geschützt» Regula Stämpfli, Politologin

Die Luzerner Untersuchungsbehörden bestätigen, dass ein Strafverfahren gegen Sie läuft. Sie sollen private E-Mails eines Luzerner SP-Grossrats ausspioniert und auf Ihrer Homepage veröffentlicht haben.
Zu einem laufenden Verfahren kann ich nichts sagen.

Ziehen Sie sich jetzt ganz aus der Politik zurück?
Jawohl, ich mache keine halben Sachen. 20 Jahre sind genug.

Wir müssen also auch nicht mit einem Comeback rechnen?
Vielleicht in 20 Jahren …

Was machen Sie nun ohne Politik?
Jetzt habe ich andere Prioritäten. Meine Familie, meine Freunde, meine Hobbys.

So?
Ich genehmige mir sehr gerne eine feine Zigarre. Fischen tu ich gerne. Und natürlich viel lesen. Queerbeet.

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Die Biografie von Christoph Blocher. Auch der wird ewig schlechtgemacht und hat es eigentlich nicht nötig. Der könnte nämlich ebenfalls sagen, «läcked ihr mir doch all …»


am 16. August 2009 - 11:28 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 18:42 Uhr