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Melanie Alexander

Benetton-Model im Interview

Ihre Energie und Vielseitigkeit zeichnen Model und Tänzerin Melanie Alexander aus. Ob als Werbegesicht oder Integrationsfigur: Sie gibt den Takt vor.

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Das quirlige Model mit Wurzeln, die von Effretikon bis San Francisco reichen, überzeugt mit ungewöhnlicher Schönheit. Die 33-jährige Tänzerin und Tanzlehrerin ist bekannt geworden als Gesicht der weltweiten Kampagne für das Modelabel Benetton und sieht sich als Friedensbotschafterin.

Schweizer Illustrierte Style: «Erinnerst Du Dich an die Träume, in denen Du fliegen konntest?» Mit diesem Satz empfangen Sie Gäste Ihrer Website. Wohin heben Sie denn ab?
Melanie Alexander: Ich laufe auf einer Wiese, hole Schwung und steige empor. Meine Arme bewegen sich wie Flügel. Ich glaube, der Traum symbolisiert einen Moment der Befreiung und taucht deshalb seit meiner Kindheit immer wieder auf.

Sie wurden als Werbebotschafterin für Benetton bekannt. Was bedeutet Ihnen deren Slogan «United Colors»?
Einerseits steht er für die Philosophie des Labels, Internationalität zu leben. Andererseits hat er mit meiner eigenen Geschichte zu tun: Mein Vater ist Afroamerikaner, meine Mutter Schweizerin. Sie kamen vor über vierzig Jahren zusammen und waren eines der ersten «gemischten Paare», etwas Aussergewöhnliches. Es gab sogar einen Zeitungsartikel über sie.

Welches ist Ihre Lieblingsfarbe?
Das kommt auf die Stimmung an. Im Moment Violett.

Benetton liess die neuen Werbegesichter online wählen. Sie setzten sich gegen weltweit 65 000 Bewerber durch. Wie haben Sie das geschafft?
Bevor Benetton das Casting ausschrieb, hatte ich einen Brief in eine Zeitkapsel gesteckt, die erst in fünfzehn Jahren geöffnet werden sollte. Darin stand: «I would like to be the face for world peace.» Vielleicht war es eine Vision, die in Erfüllung ging. Jedenfalls haben genügend Menschen für mich gestimmt.

Benetton ist für provokative Plakate berühmt. Auf einem sieht man einen sterbenden Aids-Kranken, auf einem andern küsst eine Nonne einen Priester. Die Reaktionen darauf waren nicht nur friedlich.
Was mich angeht, hatte ich keinerlei Bedenken. Die Frage ist, inwiefern Mode politisch sein soll – eine Gratwanderung.

Hatten Sie wegen Ihrer Herkunft je Probleme?
Nein. Meine Eltern, mein Bruder und ich galten als Exoten im positiven Sinn. Man begegnete uns eher neugierig als negativ. Früher hatten die Schweizer kaum Vorurteile, weil es keine schlechten Erfahrungen mit Schwarzen gab. Auch meine Mutter wurde von der Familie meines Vaters in den USA akzeptiert. Und dank meines Aussehens konnte ich schon als Kind modeln.

Wie pflegen Sie Ihre roten Locken?
Mein Mami schneidet mir die Haare. Von meinen Verwandten in Amerika lernte sie, meine Mähne zu zöpfeln. Als Kind trug ich wunderschöne Gretli-Frisuren. Als Teenie probierte ich alles aus, vom Glätteisen bis zu chemischen Mitteln zum Strecken. Heute lautet mein Motto: Zurück zur Natur. Ich lasse die Locken so, wie sie wachsen. Lange Zeit mussten wir die richtigen Pflegeprodukte importieren. Heute gibt es alles in Zürich an der Langstrasse in den afrikanischen Läden zu kaufen.

Wer oder was ist für Sie schön?
Menschen, die gegenwärtig, präsent sind, im Moment leben, strahlen eine ungemeine Schönheit aus.

Mit 33 sind Sie älter als die meisten Models – und mit 165 Zentimetern Körpergrösse eigentlich zu klein.
Ich entspreche nicht der perfekten Form, sondern eher der Realität. Ich repräsentiere eine Persönlichkeit, einen Typ. Für Werbung werde ich sehr gern gebucht, ab und zu für den Laufsteg. Immerhin messe ich samt Highheels und Haaren zirka 185 Zentimeter (lacht).

Sie arbeiten auch als Tanzlehrerin und Tänzerin.
Stimmt. Und daneben arbeite ich zu fünfzig Prozent bei einer Revisionsfirma in der Telefonzentrale, bin mit meiner Stimme quasi die Etikette der Firma. Diese Arbeit gibt mir die finanzielle Sicherheit für meine kreativen Tätigkeiten.

Sie wuchsen in Effretikon auf, lebten in San Francisco, Paris und Zürich: Was haben die Orte gemeinsam?
Mich! Sonst sehr wenig. Der perfekte Platz wäre ein Mix aus allen vier. In der Schweiz fühle ich mich am wohlsten, hier habe ich Heimatgefühle.

Ist die Schweiz international und kreativ genug?
Auf jeden Fall! Vor allem Zürich. Das Langstrassenquartier, wo ich wohne, zeigt das eindrücklich. Es ist ein multikultureller Schmelztiegel.

Was kann man mit seinem Körper besser ausdrücken als mit Worten?
Manchmal sind Worte nicht weitreichend genug für die Emotionen, die man in sich spürt. Die Sprache des Tanzes versteht jeder. Ich muss weder Russisch noch Chinesisch können, um mich mitzuteilen. Insofern ist der Tanz international und ein wunderbares Kommunikationsmittel. Bewegung lügt nicht. Es braucht enorm viel Übung, um seinen Körper derart unter Kontrolle zu bringen, dass man einem anderen etwas vormachen kann. Eine Person, die keinem Schönheitsideal entspricht, vermag sich durchaus harmonisch und ansprechend zu bewegen. So dürfen wir eine weitere Dimension von ihr sehen.

Gibt es Bewegungen, die glücklich machen?
Ja! Tanz ist auch Therapie. Man spürt sich und verweilt nicht allein im Verstand. Ein gutes Beispiel sind Drehungen. Sie sind in verschiedenen Kulturen verankert, etwa bei Derwischen, die um sich kreisen bis zur Trance, dem absoluten Glückszustand.

Wie bringen Sie einem Anfänger das Tanzen bei?
Meine Stunden folgen einem Aufbau mit Warm-up, Übungen, die auf der natürlichen Koordination basieren, der Förderung der Kreativität der Schüler sowie einer Choreografie.

Und wie brilliere ich auf der Tanzfläche im Klub?
Mit Freude an der Bewegung. Ich tanze oft extrem frei und ungewöhnlich, sodass andere vielleicht sagen, die blamiert sich. Es gibt keinen Grund, sich zu schämen! Man kann kaum etwas falsch machen, ausser man tut sich dabei weh. Wer üben möchte, lockerer zu werden, soll damit beginnen, seine alltäglichen Tätigkeiten rhythmisch umzusetzen. Mit einer Freundin habe ich den «Kitchen Dance» erfunden, der auf den Abläufen beim Kochen basiert. Aber man kann auch Skifahren, Kegeln oder seine Ticks, wie die Haare aus dem Gesicht streifen, einbauen.

Wenige Männer tanzen gern. Wie kann man das ändern?
Durch Musik, die sie beflügelt – und den richtigen Rahmen.

Welcher Rhythmus ist fürs Tanzen ungeeignet?
Free Jazz ist eine Herausforderung, weil man nie weiss, was kommt. Heavy Metal scheint mir ähnlich schwierig.

Eine professionelle Ballerina ist enormen Belastungen ausgesetzt. Wie vermeiden Sie Schäden?
Im Gegensatz zum klassischen Ballett kommt es beim Modern Dance, meiner Spezialität, in geringerem Mass auf Stellungen oder Positionen an, die man unbedingt beherrschen muss, egal, ob die körperlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Beim Ballett werden die schon in jungem Alter geprüft. Ein guter Lehrer sieht, ob ein Kind geeignet ist. Sonst wäre eine Profi-Karriere eine Tortur! Ich begann die Ausbildung erst spät, mit 24, in Paris. Ich widmete meinem Körper genug Aufmerksamkeit, übertrieb nichts. Ausgleichsübungen, Massage, Ernährung und mentales Training spielen zusätzlich eine wichtige Rolle, damit diese wunderbare Maschine funktioniert.

Aller Pflege zum Trotz haben Models und Tänzerinnen ein frühes Ablaufdatum. Was kommt danach?
Das Ablaufdatum trifft uns ja alle, und es ängstigt mich nicht, weil ich mich unabhängig von meiner Form oder Performance definiere. Ich will noch viele andere Sachen ausprobieren.

Wie wäre es mit Schauspiel wie in Ihrem letzten Projekt, «Tanz-Kaffee»?
Das wäre toll! Ich hatte allerdings nur einen kleinen kurzen Sprechmoment. Mein Traum wäre es, in einem Bollywood-Film zu spielen oder im nächsten Avatar-Movie.

Was inspiriert Sie?
Kein grosses Idol, sondern mein Umfeld. Freunde, Familie.

Sie erschufen die Comic-Figur «Miss Bliss». Bliss ist die Kombination aus «black» und «Swiss». Wäre es an der Zeit für eine Miss Black Switzerland?
Es ist heikel, solche Wettbewerbe, bei denen es so sehr um Äusseres geht, weiter zu fördern. Würde Schönheit allein glücklich machen, würde sich kein Model aus dem Fenster stürzen.

Sie bezeichnen sich als Peacekeeper. Der Begriff stammt aus dem Völkerrecht. Was meinen Sie damit?
Ich sorge für Frieden in meiner Umgebung. Es geht darum, eine wertschätzende Gemeinschaft zu schaffen. Man muss bei sich selbst beginnen und das nähere Umfeld dafür sensibilisieren, dann breiten sich die Folgen aus wie beim Schneeballeffekt. Mein Prinzip: Sei der Wandel, den du in der Welt sehen möchtest. melaniealexander.ch

Von Sherin Hafner am 6. Mai 2011 - 16:17 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 20:20 Uhr