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Daniel Vasella

«Ein bisschen Menschenwürde geben»

Wenn Daniel Vasella in Tansania Lepra­kranke, Malaria-Patienten oder HIV-Infizierte besucht, kennt er keine Berührungsängste.Man sieht sofort, dass der CEO des Pharma-Giganten Novartis ausgebildeter Arzt ist. Und ein sensibler Mensch.

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Cecilia ist blind, die Hände und Füsse sind verstümmelt. Lange hält Daniel Vasella ihre Hand, drückt sie sanft und redet der alten Frau gut zu. Cecilia Simon ist zwischen 70 und 75 Jahre alt, so genau weiss es weder sie selber noch sonst jemand in der Lepra-Station Nazareti, im Südwesten von Tansania, 420 Kilometer von der Hauptstadt Daressalam entfernt. «Was wir dieser Frau in diesem Zentrum noch geben können, ist ein bisschen Menschenwürde», sagt Daniel Vasella.

In seinem weissen T-Shirt, seinen Jeans und Turnschuhen sieht er nicht aus wie der CEO und Präsident des Pharma-Giganten Novartis. Die Art, wie er auf die Lepra-Kranken und später auch auf die Aids- und Malaria-Patienten zugeht, verrät den ausgebildeten Arzt. Aber sie zeigt auch den sensiblen Menschen hinter dem harten CEO.

In einer Leserumfrage der Wirtschafts-Bibel «Financial Times» wurde Vasella zum einflussreichsten europäischen Geschäftsmann der letzten 25 Jahre gewählt. Besser noch: In seiner Amtszeit wurde Novartis als eines der ethischsten (Ethisphere Institute), eines der am meisten bewunderten («Fortune Magazine») und eines der am meisten respektierten Unternehmen weltweit («Barrons Magazine») ausgezeichnet. Da bleibt die Frage: Weshalb wird Wirtschaftscrack Vasella bei uns meist als böser Abzocker abgestempelt?

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Herr Vasella, Novartis erwirtschaftete 2008 einen Umsatz von 41,4 Milliarden Dollar und machte einen Reingewinn von 8,1 Milliarden. Weshalb geben Sie den ärmsten Völkern der Welt Medikamente gegen Malaria nicht gratis ab?
Ich schäme mich nicht. Wir haben letztes Jahr 1,5 Milliarden Franken in Entwicklungshilfsprogramme gesteckt. Das entspricht etwa drei Prozent unseres Umsatzes. Aber es geht nicht nur um das Geld.

Das ist doch aber der wunde Punkt.
Die Sache ist viel komplexer. Es braucht in einem Land wie Tansania eine Infrastruktur, um die Medikamente zu verteilen. Dann braucht es auch Leute, die eine Malaria oder Aids bestimmen können. Weiter muss alles systematisiert werden, damit es auch nachhaltig ist. Und selbstverständlich braucht es auch die Finanzierung.

Sie führen neu ein Bonus-System in die Entwicklungshilfe-Arbeit ein.
Bis anhin erhielten Beamte oder medizinisches Personal für Sitzungen und Dienstreisen einen bestimmten Ansatz. Also machten sie viele Termine ab und erhöhten so ihr Einkommen. Wir haben das System umgekrempelt: Wenn die Leute bestimmte Ziele erreichen, erhalten sie einen Bonus, der mindestens ihre früheren Ansätze kompensiert. Wir schaffen einen Resultats-Anreiz und hören auf mit dem Aufwand-Anreiz.

«Ich schäme mich nicht. Wir haben 2008 1,5 Milliarden in die Entwicklungshilfe gesteckt»

Kibaoni, ein paar Kilometer ausserhalb des Distrikt-Hauptortes Ifakara: Hier holen Aids- und Malaria-Kranke ihre Medikamente in einem regionalen Gesundheitszentrum ab. Es gibt keine Trams und geteerten Strassen. Auf der staubigen Strecke kommt eine Mutter mit ihrer malariakranken Tochter auf dem Gepäckträger ihres Velos angereist. Keine Ausnahme. Teilweise wohnen die Patienten hundert oder noch mehr Kilometer entfernt. In vielen Fällen müssen die Leute ein Velo mieten. Und oft müssen sie zuerst Tiere und Wohnungsgegenstände verkaufen, damit sie die Rechnung für die Behandlung bezahlen können.

Während der Trockenzeit gleicht die Fahrt über die Strasse mit ihren vielen Schlaglöchern einer Tortur. Während der Regenperiode gibt es in Zeiten von Überschwemmungen überhaupt keine Verbindung. Da wird deutlich, was Daniel Vasella meint, wenn er sagt, dass es in solchen Gegenden mit Gratismedikamenten nicht getan sei. Mit Roadshows, die Musik- und Tanzeinlagen mit Infoblöcken rund um das Thema Malaria kombinieren, versuchen die Spezialisten der Novartis Stiftung für Nachhaltige Entwicklung die ländliche Bevölkerung zu sensibilisieren. Sie wollen die Leute davon überzeugen, dass nicht böse Geister die Krankheit bringen, sondern weibliche Stechmücken zwischen Dämmerung und Morgengrauen. Und dass man sich mit Moskitonetzen und Insektensprays dagegen schützen kann.

Herr Vasella, ist es unverdientes Glück, dass wir in der Schweiz an einem Ort leben, der von solchem Leid verschont ist?
Da sind wir natürlich bei den Geheimnissen Gottes. Und die sollte man nicht ergründen wollen. Die muss man als Geheimnis akzeptieren. Zuversichtlich stimmt mich hier in Tansania, dass wir etwas bewirken können. Aufpassen müssen wir aber auch, dass wir nicht überall unsere Standards anwenden.

Wie meinen Sie das?
Wir müssen akzeptieren, dass jemand zufrieden ist, wo wir das für unvorstellbar halten. Glück hängt nicht nur vom Kühlschrank, einem Auto, einem TV oder einer Luxuswohnung ab.

Geht es uns in der Schweiz zu gut?
Es geht einem nie zu gut. Aber es geht vielen von uns finanziell so gut, dass für uns vieles Selbstverständlich ist. Entscheidend für mich ist, dass alle Menschen zumindest eine Minimalversorgung erhalten, die qualitativ gut und human ist.

Von Max Fischer am 23. Juli 2009 - 14:55 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 18:41 Uhr