Borreliose

«Ich habe mich zurück ins Leben gekämpft»

Ein winziger Zeckenstich – und nichts ist mehr, wie es war. Diese Erfahrung machte die Bernerin Claudia Lietha. Durch die Zecke mit der gefährlichen Infektionskrankheit Lyme Borreliose infiziert, verbrachte sie über ein Jahrzehnt in Krankenhäusern und Kliniken. Ihr Erfahrungsbericht, wie sie zurück ins Leben fand.

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Möchte Mut machen: Claudia Lietha mit ihren beiden Nichten Alessia und Lia (r.) litt jahrelang unter chronischer Lyme Borreliose. Ihre Krankheitsgeschichte hat sie nun aufgeschrieben.
Kurt Reichenbach

Der Stich war minim. Die Folgen unermesslich. Ein Zeckenstich mit darauffolgender schwerer Lyme Borreliose machte die Kindheit von Claudia Lietha zunichte. Eine Kindheit, die bis dahin behütet und glücklich verlief.

Doch dann änderte sich alles. Im Mai 1994, mit 15 Jahren, fühlt sich die Bernerin schlecht. Chronischer Durchfall lässt ihr Gewicht auf 30 Kilo dahinschmelzen. Das einst lebenslustige Mädchen leidet unter Schwindel- und Taubheitsgefühlen, Herzrasen und einem allgemeinen Erschöpfungszustand. «Mein chronisches Fiebergefühl liess mich die Welt nur noch wie in Trance, wie durch einen Schleier wahrnehmen», erinnert sich die heutige Kinderbuchautorin. Es ist der Anfang eines 16 Jahre dauernden Martyriums.

«Ganz ehrlich, ich hatte niemals die Absicht, meine Krankheitsgeschichte niederzuschreiben», sagt Claudia Lietha heute. «Zu schlimm sind die Erinnerungen daran, zu persönlich die Erlebnisse.»

Trotzdem hat sie es getan. Ihr Buch «Borreliose – und dennoch hab’ ich tausend Träume» liegt druckfrisch auf dem Nussbaumtisch im schmucken Haus ihrer Familie in der Nähe von Bern. «Für mich war das Niederschreiben auch ein therapeutisches Protokoll meiner Rückkehr ins Leben.»

Borreliose ist heutzutage zur Infektionskrankheit Nummer 1 in Deutschland, Österreich und der Schweiz geworden. Ständig erkranken mehr Menschen daran – in der Schweiz gibt es ungefähr 12 000 Neuinfizierte pro Jahr. «Wäre Borreliose keine Krankheit, sondern eine Firma, könnte man die schlauen Tricks anprangern, mit der sie betrügt, vortäuscht und in die Irre führt», sagt Ute Fischer, Chefredaktorin der Fachzeitschrift «Borreliose Wissen». Tatsächlich seien Ärzte und Patienten genötigt, in fast schon detektivischer Manier Puzzlesteinchen für eine Diagnose zu sammeln. Denn die Krankheit versteckt sich hinter diffusen an- und abschwellenden Beschwerden und einer Reihe Krankheiten imitierenden Symptomen. Ist die Diagnose jedoch frühzeitig gestellt, ist Borreliose meistens gut behandelbar. Allerdings: Es gibt auch schwere Verlaufsformen, so wie bei Claudia Lietha.

Rückblende: Die Diagnose Borreliose wurde bei Claudia Lietha erst spät gestellt.

Weil man damals noch wenig über die Borrelien und ihre Bekämpfung wusste, gestaltete sich die Therapie schwierig. Für unzählige Behandlungen begibt sie sich für mehrere Wochen und Monate in Krankenhäuser und Kliniken. Doch Heilung gibts keine. «Meine körperlichen Beschwerden waren kaum erträglich. Ich lebte mit enormen Ängsten und total isoliert mit meiner Krankheit auf mich alleine gestellt.»

Ein Abgrund von Leid und Überforderung tut sich auf. Die Familie steht ihr zwar durch alle Zeiten bei, ansonsten bekommt Claudia Lietha fast keine Hilfe. Die Ärzte können ihr kaum noch Hoffnung vermitteln, die Invalidenversicherung bietet keine Unterstützung. «Aber ans Aufgeben dachte ich nie», sagt sie bestimmt. «Ich hatte noch zu viele Träume, ich wollte mich zurück ins Leben kämpfen.»

Und das hat sie gemacht. Die sehnlichst erhoffte Wendung tritt ein – Claudia fängt eine neue Therapie an, die endlich anschlägt: eine 18-monatige Antibiotikabehandlung nach neuesten medizinischen Erkenntnissen, ergänzt mit inzwischen bewährten Komplementärbehandlungen. Sie wird gesund, beendet ihr Studium der Kunstgeschichte. Heute lebt Claudia Lietha das Leben, das sie schon immer führen wollte: als Museumspädagogin und Kinderbuchautorin. «Ich habe es trotz allem geschafft, wieder gesund zu werden, in ein gutes, lebenswertes Dasein zurückzukehren. Ich bin glücklich, dass diese Geschichte ein Happy End hat. Meine Geschichte!»

Check

  • Das müssen Sie wissen
  • Das macht die Lyme Borreliose so gefährlich
  • Borreliose ist eine multisystemische Infektionskrankheit.
  • Die Übertragung erfolgt durch Zecken.
  • Erst mehrere Wochen nach dem Stich reagiert der Körper darauf.

 

Von Andrea Vogel am 23. April 2013 - 14:52 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 00:21 Uhr