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  4. Franziskanermönch Beno Kehl über Kloster, Glaube, Vaterschaft

Bruder Beno

Babyglück statt Bibelstunde

Zwanzig Jahre lang holte das Gebetsglöggli Bruder Benno aus dem Bett. Heute tut es sein Sohn Jonas Can. Beno Kehl hat vor drei Jahren den Franziskanerorden verlassen. Und ist glücklich wie nie. Die «Schweizer Illustrierte» hat ihn und seine Familie besucht.

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Bei der Arbeit hat sich im Leben von Beno Kehl, 46, seit seinem Austritt aus dem Franziskanerorden nicht viel verändert. Er engagiert sich in der Gassenarbeit, leitet Zeremonien, hält Referate, sammelt Spenden, hält die Projekte in Burkina Faso am Laufen. Nur tut er es heute in Hemd und Hose statt in der Mönchskutte.

Und am Feierabend geht er nicht mehr heim ins stille Kloster. Sondern in die Wohnung in einer Familiensiedlung in Eschlikon TG. Statt seiner ehemaligen Mitbrüder erwarten ihn dort seine Ehefrau Seraina, 33, und Sohn Jonas Can (sprich «Tschan», Türkisch für «Leben»), der am 20. November 2012 auf die Welt kam. Und statt sich dann in aller Stille in die Bibel zu vertiefen, tollt Papa Beno jetzt mit Jonas durch die Wohnung, schöppelt und wickelt ihn, singt ihm Gutenachtliedli vor. Was Seraina an seinen Vaterqualitäten am meisten schätzt: «Seine natürliche Liebe.» Das Elternpaar ergänzt sich optimal: «Seraina hat so eine zärtliche Art», sagt Beno. «Er macht gern s Chalb, verwöhnt Jonas abends nach der Arbeit», sagt sie.

Beno schwingt seinen Buben beim Spaziergang durch die Luft, herzt seine Frau, flitzt mit ihnen die Rutschbahn auf dem nahen Spielplatz hinunter. «Es ist eine andere Erfüllung, wenn dich morgens dein Sohn anstrahlt, als wenn dich das Glöcklein zum Gebet ruft.» Jonas ist ein total zufriedenes Kind, lächelt immerzu vor sich hin, hat die Nächte schon bald durchgeschlafen. So muss der Papa nicht mal extra früh aufstehen. «Aber seien wir ehrlich, das musste ich im Orden auch nicht, wir haben selten vor sieben Uhr gebetet.» Seraina hat ihren Job als Sozialarbeiterin bei der Opferhilfe aufgegeben, arbeitet noch zehn Prozent als Tageselternvermittlerin. Beno hat soeben seine Masterarbeit in Sozialmanagement abgegeben und arbeitet hundert Prozent in seinen früheren Projekten weiter. Sogar Zeremonien wie Trauungen, Taufen, Abdankungen oder Einweihungen bietet er an. Für alle, die keinen Zugang zur Kirche finden.

Mit einigen seiner Mitbrüder von früher hat er dank seinen Projekten noch Kontakt. Andere haben sich von ihm abgewendet, so enttäuscht waren sie von ihm. Doch das hinderte Beno nicht daran, seinen Weg zu gehen. «Ich habe jeden Tag im Orden geschätzt, aber irgendwann war die Zeit reif für etwas Neues.» Jahrelanges Ringen mit sich selbst ging dem Entscheid voraus. Zum ersten Mal haben sich die Wege von Beno und Seraina nämlich bereits vor dreizehn Jahren gekreuzt. In einem Kinder-Ferienlager, in dem beide als Leiter engagiert waren. Bruder Benno wehrt sich anfangs gegen die aufkeimenden Gefühle, die Erinnerung an «die schöne Elfe» verblasst. Bis sie sich vor sechs Jahren wieder treffen.

Als die Primarlehrerin eine Zusatzausbildung als Sozialarbeiterin macht und sich für Bruder Bennos Gassenarbeit interessiert. Diesmal kann er sich nicht mehr gegen seine Gefühle wehren. Er nimmt eine Auszeit in Kanada. Und entscheidet sich für ein neues Leben. Mit Seraina. Das Medienecho ist riesig, als es heisst, Bruder Benno, bekannt durch seine unkonventionelle und offene Art, habe seine Franziskanerkutte an den Nagel gehängt. Doch für ihn gehts damals um banale Alltagsprobleme: Er braucht eine Wohnung, Kleider, Versicherungen. Zwanzig Jahre Altersvorsorge fehlen ihm. Darum muss er sich noch kümmern. «Es ist schade, dass die Kirche kaum einen Umgang mit Veränderungen kennt.»

Seine Projekte, die beim Orden niemand übernehmen wollte, sind hingegen gesichert: Sie laufen als Vereine weiter - unter dem franziskanischen «kahnu»-Prinzip: kostenlos, aber hoffentlich nicht umsonst. Will heissen: Jeder zahlt für die Dienstleistungen so viel, wie er kann. Besonders am Herzen liegt Beno das Projekt «Bienen», bei dem er Randständige zu Hilfsimkern ausbildet. «Wenn die Bienen nicht mehr fliegen, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben», zitiert er Albert Einstein. «Das nehme ich mir als Familienvater doppelt zu Herzen.»

Wie eine Raupe, die sich zum Schmetterling verwandelt hat, fühlt sich Beno Kehl heute, ganzheitlich gefordert als Familienvater: in Beziehung, Familie, Haushalt, bei der Arbeit, mit den Bienen, den Hühnern im Garten, Freunden, Hobbys. «Aber nach zwanzig Jahren im Kloster ist das Leben mit Seraina ein Zuckerschlecken!», sagt Beno. «Also meistens... Auch eine Liebesbeziehung fordert echte Hingabe, und dazu gehören Kompromisse.» Er kann nicht mehr einfach mal schnell nach Afrika fliegen, musste Freiheit aufgeben. «Du schaust nicht nur auf dich, das macht dich verletzlich.» Er sieht das Leben als ewigen Lernprozess - «für den es verschiedene Schulen gibt». Aber eins zählt für Beno Kehl immer und überall: «So wie du mit den Menschen umgehst, so gehst du mit Gott um.»

am 12. Juli 2013 - 02:06 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 01:11 Uhr