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Nock-Schwestern

Der Zirkus liegt in ihren Händen

Traumwelt Zirkus – für sie ist es raue Wirklichkeit. Jetzt nehmen Verena, Franziska und Alexandra Nock den Familienbetrieb und ihre Zukunft in die Hand.

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Power-Frauen: Nock wird weiblich. Verena, Franziska und Alexandra (v.l.) sind die ersten Zirkusdirektorinnen der Schweiz. «Ich bin stolz auf meine Töchter», sagt Papa Franz.
Kurt Reichenbach / SI

Es ist ein magischer Moment, wenn der rote Vorhang zur Seite gleitet. Das Publikum wartet gebannt darauf, welche Überraschung dahinter zum Vorschein kommt: Mal erobern majestätische Pferde die Manege im Galopp. Mal orientalische Tänzerinnen, an deren Hüften verführerische Schellen wippen. Oder ein Clown gewinnt Kinderherzen im Sturm. Zauberwelt Zirkus! Zumindest für die Zuschauer. Hinter dem bunten Treiben steckt kein Hokuspokus, sondern harte Arbeit. «Unsere Stiefel sind ja ständig voller Sägemehl», sagt Zirkusprinzessin Verena Nock, 38. Die älteste der drei Töchter von Franz Nock klopft sich den Staub von der Kleidung - die Geste einer Arbeiterin. Hier packen alle mit an. Auch wenns um einfache Aufgaben wie Glaceverkaufen geht.

Gemeinsam mit ihren zwei Schwestern Franziska, 36, und Alexandra, 34, arbeitet Verena seit Jahren im Betrieb ihrer Eltern, in der Circus Nock AG. Sie sind die achte Generation im Familienunternehmen und spielen auch im Geschäft immer wichtigere Rollen. «Meine Töchter dürfen sich getrost als Zirkusdirektorinnen bezeichnen. Sie schmeissen den Laden ja mittlerweile fast allein», sagt Franz Nock, 75, mit einem Lächeln, in das er all seinen Stolz legt - und all seine Hoffnungen.

Der älteste Zirkus der Schweiz hat zu kämpfen. «Der Unterhalt ist in den vergangenen Jahren massiv teurer geworden», erklärt Mutter Verena Nock, 67. In einer Grossstadt müsse man heute neunmal mehr Platzgebühr bezahlen als vor fünf Jahren. 36 000 Franken für drei Wochen in der Grossstadt. Strom und Wasser für das Wagendorf, in dem Artisten und Tiere leben, seien da noch nicht eingerechnet. «Als die Mädchen klein waren, konnten wir unbeschwert durchs Land ziehen. Heute macht uns der übersättigte Unterhaltungsmarkt zu schaffen.» Verena Nock blickt hinüber zum Kassenwagen, zündet sich mit ernster Miene eine Zigarette an. «Wir hoffen diese Saison auf eine 80-prozentige Auslastung. Bei 320 Vorstellungen à 1600 Plätzen müssten 400'000 Tickets weg.» Papa Franz ist zuversichtlich: «Unsere Mädchen schaffen das schon!»

Erwartungen und Verantwortung werden bei Nocks seit Generationen von den Eltern auf die Kinder übertragen. Nun lastet der Druck auf Verena, Franziska und Alexandra: Sie haben das aktuelle Programm «Faszination» zusammengestellt. Federführend ist Alexandra, die Jüngste. «Als Teenager wünschte ich mir ein normales Leben.» Am liebsten wäre sie Hotelsekretärin geworden. Oder Inhaberin einer Mode-Boutique. «Aber man will die Eltern ja nicht im Stich lassen.» Jahrelang erarbeitet sie als Trapez-Künstlerin jede Saison eine neue Nummer, steht Abend für Abend in der Manege -  auch wenn das Chapiteau bei Badewetter im Sommer halb leer steht.

Eine harte Schule, die ihr nun als Buffet-Managerin und künstlerische Leiterin zugutekommt. «Alexandra macht das mit viel Geschick und schafft es trotz finanziellen Leitplanken, die artistische Qualität noch zu steigern», lobt ihr Vater. Die Schwestern erstaunt das nicht: «Sie ist die Toughste von uns.» Für das aktuelle Programm gelingt es ihr, Tänzer aus dem kubanischen Staatsfernsehen zu engagieren. «Ich bin mit einem Kubaner verheiratet. Diese fröhliche Kultur fasziniert mich - und kommt hoffentlich auch beim Publikum an.» Gespannt steht Alexandra während der Vorstellung hinter dem Vorhang und beobachtet die Zuschauer, die begeistert klatschen.

Dann öffnet sich der Vorhang für Franziska. Die mittlere Schwester zeigt zwei Dressur-Nummern mit Pferden und Kamelen. «Dass ich mich der Tiere annehme, war schon immer klar.» Mit sechs Jahren erhält sie ihr erstes Pony und ist seither aus den Stallboxen nicht mehr wegzudenken. Jeden Morgen steht Franziska in aller Frühe auf, um erst nach ihrem einjährigen Sohn zu schauen und dann mit den Pferden zu trainieren. Sie ist eine stille Arbeiterin, eine Pferdeflüsterin.

Nur wenn es darum geht, der Kritik der Tierschutz-Aktivisten etwas entgegenzuhalten, wird Franziskas Stimme laut: Man habe alle Boxen vergrössert, die Pferdehaltung entspreche der neusten Tierschutzverordnung. «Sonst würde uns das kantonale Veterinäramt gar keine Bewilligung erteilen», mischt sich auch die Dritte im Bunde ein: «Miss Nock» Verena. Sie spricht oft und viel, und das in sieben Sprachen. «Weil sie so wortgewandt ist, überlassen wir ihr die repräsentativen Aufgaben», sagen die jüngeren Schwestern. Verena ist es auch, die täglich Frack trägt, mit den Kult-Clowns Gaston und Roli in der Manege steht und als Zirkusdirektorin der Dynastie Nock ein Gesicht gibt. Etwas anderes käme für sie gar nicht infrage. «Den Zirkus wieder erfolgreich zu machen, ist mein grösster Lebenstraum.»

Dieser Wunsch vereint die drei Schwestern. Nicht nur aus nostalgischen Gründen, auch weil sie Mütter sind. «Der Zirkus sichert unseren Kindern die Zukunft», sagt Verena. «Einen Plan B gibt es nicht.»

An der Premiere. Mitte März klatscht auch Schauspieler und Zirkusfan Walter Roderer, 91, mit Begeisterung. Bis ihm die Hände wehtun. «Wundervoll, jung, dynamisch! Das beste Programm, das ich je im Nock gesehen habe!» Das Publikum bedankt sich mit stehenden Ovationen. Und für einmal erleben auch Verena, Franziska und Alexandra Nock einen magischen Moment in der Manege.

Sylvie Kempa
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Von Sylvie Kempa am 12. April 2012 - 11:22 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 21:56 Uhr