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TV-Kritik

Was läuft schief bei «DGST»?

Die Quoten sind gut, aber die Begeisterung will nicht recht kommen. Es finden kaum Diskussionen zu «Die grössten Schweizer Talente» statt. Weil alle spüren, dass es in der Schweiz viel bessere Talente gibt, als die, die wir hier sehen. Eine TV-Kritik von SI-Co-Chefredaktor Werner De Schepper.

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Alle schauen «Die grössten Schweizer Talente» («DGST»), aber der Funke springt nicht über. DJ Bobo bringt es im ersten Halbfinal letzten Samstag auf den Punkt: Verzweifelt drückt er den Rauswurf-Buzzer und sagt: «Ich bin völlig entsetzt.» Nein, er ist sogar «geschockt». Auch bei anderen Halbfinal-Kandidaten sieht DJ Bobo «keine Steigerung» und spricht von «angezogener Handbremse». Wie recht er doch hat. Bei den «grössten Schweizer Talenten» ist der Wurm drin. Warum nur?

1. Das falsche Casting
Gesucht werden «Die grössten Schweizer Talente»! Aber die Auswahl überzeugt nicht. Sie kommt zufällig daher. Irgendwie haben wir nicht das Gefühl, dass wir wirklich die grössten Talente des Landes in den Sparten Gesang, Musik, Artistik, Ballett oder Varieté zu sehen bekommen. Zu oft beschleicht uns der Gedanke, wieso dieser singende Knabe und nicht ein anderer, wieso diese Truppe und nicht eine andere, wieso diese Gitarre spielende Kindergärtnerin und nicht eine andere. Die Kriterien sind nicht klar. Die Schweiz hat die besten Musikschulen und Konservatorien, in Lausanne gibt es den weltberühmten Ballett-Talentwettbewerb, im Tessin gibt es Dimitris Artistenschule von Weltruf. Wieso arbeitet «DGST» nicht mit denen zusammen, die wirklich wissen, wo die besten Schweizer Talente sind? Und sowieso: Warum beschränkt sich die Show unnötig praktisch aussschliesslich auf Talente aus dem Bereich «Showbiz»? Die Schweiz holt doch bei jeder Berufsolympiade Medaillen bis zum Abwinken. Warum zeigen wir nicht mal ein Physik-Genie oder einen Koch-Lehrlings-Weltmeister. Oder die Talente an unseren Unis - zum Beispiel das grösste Schweizer Architektur-Talent der ETH mit verrückten Bau-Ideen?

2. Zu viel Recycling
Natürlich könnte man auch sagen, diese Casting-Show lebt von der Möglichkeit, dass jeder dabei sein kann, unabhängig davon wie gut er objektiv wirklicht ist. Motto: Hier werden Menschen wie Du und ich gezeigt, die einfach mal die fünf Minuten Berühmtheit erlangen wollen, von der alle Menschen träumen. Aber selbst dieses Konzept geht nicht auf. Dafür hat es bei «DGST» zu viele Truppen und Selbstdarsteller, die auch sonst schon durchs Land ziehen. Schlimmer noch: Sie sind für viele TV-Zuschauer nicht mal neu. So steht am Samstag mit Naeman Meier einer im zweiten Halbfinal, der schon bei «Deutschland sucht den Superstar» vergeblich kandidiert hat. Das macht «DGST» zum Hoffnungslauf und Trostpreis für gescheiterte «DSDS»-Kandidaten. Auch sonst wird munter rezykliert: Der Zauberkomiker Marc Haller, der heute in Oesterreich lebt, hat schon den «Swiss Talent Award 2014» gewonnen. Die frisch in die Schweiz gezogene Lina Kuducovic hat bereits das gleiche Show-Format in Slowenien gewonnen. Und «Special E-Force» war unter dem Namen «Special Elements» in der zweiten «DGST»-Staffel im Finale dabei. Dasselbe gilt für Nathalia Mackauly, die es auch ein zweites Mal bei «DGST» probieren durfte. Wenn es so weiter geht, wird die vierte Staffel definitiv zur totalen Recycling-Übung!

3. Die falsche Jury
«Die grössten Schweizer Talente» müssen von den Besten Ihres Fachs beurteilt werden. Das stimmt in der Sparte Pop bei DJ Bobo. Dann ist Schluss. Natürlich ist Gilbert Gress Kult, wenn es um Fussball geht, aber das berechtigt ihn noch lange nicht, kompetent über Artistik und Klavierspiel zu urteilen. Dasselbe gilt für Christa Rigozzi und Sven Epiney. Sie sind tolle TV-Unterhaltungs-Moderatoren. Selbst wenn beide wohl beurteilen können, wie sich jemand präsentiert, es fehlt doch an Fachkompetenz, um glaubwürdig ein Urteil über die gezeigte Leistung selber sowie das Potenzial der Kandidaten abzugeben.

Lösung: die beste Jury für die besten Talente!

Das Schweizer Fernsehen darf sich bei «DGST» nicht durch die Quote blenden lassen. Vielleicht schalten heute noch alle ein, aber was bringt das, wenn das Publikum während der Sendung einschläft?

Am besten ändert man als Erstes die Besetzung der Jury: Warum ist in der Sparte Artistik nicht ein Rolf Knie dabei oder ein David Dimitri? DJ Bobo für Disco- und Popmusik in Ehren, aber warum ist für die Sparten «Rock und Rap» nicht ein Müslum, eine Steff la Cheffe oder ein Chris von Rohr dabei? Und für alle Talente in der Sparte «Klassik» wäre eine Noëmi Nadelmann doch für uns im Publikum eine viel kompetentere Ratgeberin als Gilbert Gress?

Klar ist: Je besser die Jury, desto einfacher und besser das Casting. Das eine hängt matchentscheidend vom anderen ab. Je mehr Kompetenz in der Jury sitzt, desto bessere Talente werden sich finden und melden. Am besten macht das Schweizer Fernsehen jetzt gleich ein Casting für «Die beste Schweizer Jury». Denn für die wirklich grössten Schweizer Talente ist nur die beste Jury gut genug. Sonst muss SRF-Unterhaltungschef Christoph Gebel persönlich bei «DGST» den Rauswurf-Buzzer drücken.

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Von Werner De Schepper am 4. April 2015 - 07:00 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 16:18 Uhr