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Didier Cuche

Didier National

Ritterschlag für einen grossen Sportler! Das Land wählt Didier Cuche zum SCHWEIZER DES JAHRES. Der Neuenburger berührt die Menschen mit seinem Willen, seinem Kampfgeist – und seinem Humor.

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Didier Cuche in Adelboden, 2009
Remo Nägeli

Didier Cuche auf der Achterbahn der Gefühle. Im Ziel der Lauberhorn-Abfahrt schwingt er als geschlagener Mann ab – 15. Platz. Hat der 37-jährige Routinier die letzte Chance auf einen Sieg in diesem Klassiker verspielt? «Die Enttäuschung sitzt tief. Heute ist kein schöner Tag», kommentiert er seine Fahrt mit leerem Blick. Noch am Abend hadert er mit dem verpassten Auftritt: «Es tut mehr weh als sonst. Denn ich weiss wirklich nicht, ob ich nochmals zurückkomme.»

Zehn Stunden nach seinem Lauberhorn-Grounding hat Cuche sein Siegerlächeln wiedergefunden. Vom Fernsehpublikum wird er zum Schweizer des Jahres gewählt. Live aus Wengen zugeschaltet, kämpft er um Fassung: «Dieser Preis ist vielleicht die grösste Ehre, die ich je erhalten habe. Seine Bedeutung geht über den Sport hinaus.» Nach Roger Federer und Schwingerkönig Jörg Abderhalden ist Cuche der dritte aktive Sportler, der zum Schweizer des Jahres gewählt wird.

18 Weltcupsiege. Eine Olympiamedaille. Viermal WM-Edelmetall – davon Gold 2009 im Super-G. Zusammen mit Franz Klammer Rekordsieger auf der berüchtigten Streif in Kitzbühel. 2011 Sieger der Weltcup-Wertungen im Super-G und der Abfahrt sowie WM-Silber in der Abfahrt. «Der vergangene Winter war der konstanteste meiner Karriere.» Das Publikum wählt ihn deshalb zum zweiten Mal zum Sportler des Jahres.

Doch allein an Pokalen und Zahlen lässt sich das Phänomen Cuche nicht ablesen. Der Neuenburger berührt die Menschen mit seinem Willen und seinem Kampfgeist. In seiner früheren Karrierephase steht er oft im Schatten anderer – droht zum ewigen Zweiten und Dauerabonnenten auf den Trostpreis zu werden. Cuche – ein Ritter von der traurigen Gestalt. Doch er lässt sich nicht unterkriegen, verfolgt eisern seinen Weg und schafft den grossen Durchbruch in einem Alter, in dem viele seiner Kollegen schon an Rücktritt denken. Diese Unnachgiebigkeit und diese Leidenschaft öffnen ihm die Herzen des Publikums.

Zum Skifahren kommt Cuche schon in frühster Kindheit ganz automatisch. Sein Elternhaus steht direkt am Skilift von Les Bugnenets. «Ich hatte gar keine andere Wahl», sagt er und schmunzelt, «meine älteren Brüder Alain und Bernard haben mich mitgeschleppt. Mein erster Förderer war ein Skilehrer aus der Nachbarschaft.» Bevor Cuche auf die Karte Spitzensport setzt, absolviert er eine Lehre als Metzger. «Hätte es mit dem Skifahren nicht geklappt, würde ich vielleicht immer noch in diesem Beruf arbeiten – oder ich hätte das Restaurant meiner Eltern übernommen.»

Es klappt mit dem Skifahren – und wie! Didier wird zum Speedier und avanciert mit seiner offenen und kommunikativen Art zum Publikumsliebling auf wie neben der Piste. Dass er perfekt schweizerdeutsch spricht, trägt ihm auch diesseits des Röstigrabens grosse Sympathien ein. «Das ist sicher ein Vorteil. Aber ohne sportlichen Erfolg hätte das allein nicht gereicht.»

Cuche wirkt mit seinem kräftigen Stil und dem robusten Körperbau wie ein Mann, den nichts erschüttern kann. Doch er hat auch eine andere Seite. Wenn es ihm nicht läuft, zieht er sich zurück, wirkt verschlossen und abweisend. Bei kritischen Fragen kann er misstrauisch reagieren. Seine Mutter Marlies, 68, die ihren Sohn in Wengen besucht, beschreibt ihn als «sehr kräftigen, aber auch sensiblen und verletzlichen Typ». Als er im Zielgelände der Lauberhorn-Abfahrt die Ski auszieht, trifft das zu. «Hätte mich da jemand gefragt, ob ich nach der Saison zurücktrete, hätte es nur eine Antwort gegeben: ja.» Doch mit etwas Abstand sieht die Sache schon anders aus. «Wenn ich wieder erfolgreicher fahre, komme ich vermutlich auf die Idee, noch eine Saison anzuhängen – obwohl die jüngsten Konkurrenten meine Kinder sein könnten.»

Die Wahl zum Schweizer des Jahres spielt in seiner weiteren Karriereplanung keine Rolle – obwohl er sie als Wertschätzung für seine gesamte Laufbahn betrachtet: «Diesen Preis kann man nicht mit einer einzelnen Leistung gewinnen.» 2009 wurde er beim Swiss Award schon einmal Zweiter – hinter dem Kinderarzt René Prêtre. «Damals war ich fast froh, dass ich nicht gewonnen habe. Denn es hätte komisch ausgesehen. Mit Prêtres Verdiensten kann ein Sportler nicht mithalten.»

Für die Zeit nach dem Rücktritt spurt Cuche schon jetzt vor. Verschiedene Engagements als Sponsoren-Botschafter sind abgemacht. «Ich werde dem Skisport sicher erhalten bleiben.» Die Zukunft hat aber noch nicht begonnen – und Cuche denkt bereits über seinen nächsten Auftritt in Wengen nach. «Sollte ich hier doch noch gewinnen, werde ich Vegetarier.» Wenn sich der Metzger mit diesem Versprechen nur nicht ins eigene Fleisch schneidet.

DER SCHWEIZER DES JAHRES IN ZAHLEN

Geboren in Le Pâquier NE am 16. 8. 1974, ledig, 174 cm, 89 Kilo

KARRIERE Weltcup-Debüt am 29. 12. 1993 in Bormio. 18 Weltcupsiege (10 Abfahrten, 5 Super-G, 3 Riesenslaloms), 4-mal Sieger Abfahrtsweltcup, einmal Super-G-Weltcup. Medaillen: Silber Olympische Spiele 1998 in Nagano, Super-G. Bronze Ski-WM 2007 in Are, Super-G. Gold und Silber Ski-WM in Val d’Isère 2009, Super-G und Abfahrt. Silber in Garmisch-Partenkirchen 2011, Abfahrt

SPONSOREN Head (Ski, Bindung & Schuhe), Leki (Stöcke), Alpina (Brille & Helm), Ovo (Individualsponsor), Audi (Auto), Corum (Uhr)

Von Thomas Renggli am 16. Januar 2012 - 13:07 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 21:33 Uhr