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Beat Feuz

«Ich stehe noch bei null»

Eigentlich wollte er ja seine Gegner abtrocknen. Jetzt wäscht er für seine Freundin ab. Ski-Ass Beat Feuz hat ein Jahr nach seinem Lauberhorn-Sieg den Humor wiedergefunden - die Gewissheit, wie es weitergeht, aber noch nicht. Der Emmentaler im Interview mit der «Schweizer Illustrierten».

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Am Samstag, 19. Januar, jährt sich sein Triumph am Lauberhorn zum ersten Mal. Doch anstatt sich Hundschopf, Minschkante und Ziel-S hinunterzustürzen, sitzt Beat Feuz, 25, quasi im Österreicherloch. Nach fünf Operationen am linken Knie innerhalb von 20 Tagen im vergangenen Herbst kämpft er sich in der Physiotherapie des Unispitals Innsbruck zur Normalität zurück. Als Hausmann feiert er in der ersten gemeinsamen Wohnung mit seiner Freundin Katrin Triendl, 25, erste Erfolge. Von einer Rückkehr in den Wettkampfsport ist er aber noch weit entfernt. Im Grand Resort Bad Ragaz, dessen Swiss Olympic Medical Center für die sportmedizinische Betreuung von Spitzensportlern und Nachwuchsathleten bekannt ist, blickt er nachdenklich auf sein noch immer stark geschwollenes Knie: «Schmerzfrei ist anders - aber immerhin kann ich wieder leicht trainieren.» Am Wochenende in Wengen kehrt er in den Weltcup zurück - als Zuschauer. So richtig wohl ist ihm bei diesem Gedanken nicht.

Schweizer Illustrierte: Beat Feuz, nach den Komplikationen an Ihrem operierten Knie und dem vorzeitigen Saison-Ende sprachen Sie im Dezember von der härtesten Zeit Ihres Lebens. Wie geht es Ihnen heute?
Beat Feuz: Besser - der Körper hatte in diesem Monat Zeit, sich zu erholen. Das ist schon mal ein wichtiger Schritt.

Und die Sportlerseele?
Da fehlt noch einiges. Aber seit ein paar Tagen darf ich wieder trainieren. Zwar nicht viel, aber immerhin etwas. Das gibt mir ein besseres Gefühl.

Was dürfen Sie trainieren?
Krafttraining im Rumpfbereich und im Oberkörper. Und koordinative Arbeit in den Beinen. Von Krafttraining kann man da aber nicht sprechen. Es geht darum, die Fasern wieder zu aktivieren.

Ihr Management machte das medizinische Management des Ski-Verbandes für das Schlamassel verantwortlich. Ist dieser Konflikt beigelegt?
Gespräche wurden geführt, aber jetzt müssen die Erkenntnisse intern umgesetzt werden. Es geht dabei ja nicht nur um mich, sondern um alle Athleten. Der Verband ist am Zug.

Müssen Sie sich auch selber Vorwürfe machen? Man kennt als Fahrer ja die Risiken einer operativen Behandlung.
Eines vorweg: Ich habe nie einen Arzt beschuldigt. Die Unfälle passieren uns Athleten. Aber dann geht es darum, dass die Fahrer so gut wie möglich betreut und unterstützt werden. Und da habe ich das Gefühl, dass nicht das Maximum gemacht wurde.

Im Dezember liessen Sie offen, ob Sie je wieder wettkampfmässig auf die Skipiste zurückkehren können. Hat sich an dieser Einschätzung etwas geändert?
Nein - genau sagen kann ich es immer noch nicht. Das wird erst der Fall sein, wenn ich wieder auf der Piste oder in einem Starthäuschen stehe. Aber der letzte Monat gibt mir Hoffnung. Die Bewegung ist besser geworden - die Entwicklung ist positiv.

Bei wie viel Prozent Ihrer Leistungsfähigkeit als Spitzensportler stehen Sie?
Gemessen an meiner Verfassung vor Jahresfrist beim Lauberhorn-Sieg stehe ich bei null - oder sogar im Minus.

Haben Sie einen Plan B - für den Fall, dass es im Spitzensport nicht mehr weitergeht?
Nein. Ich mache alles, damit ich zurückkehren kann und fokussiere mich voll auf den Wiederaufbau. Ich habe mit der Physiotherapie begonnen - und gehe jetzt Schritt für Schritt weiter. Ich halte am Ziel fest, im nächsten Winter wieder Rennen zu fahren.

Am 19. Januar 2013 jährt sich Ihr Lauberhorn-Sieg erstmals. Sie werden das Rennen von der Tribüne verfolgen. Welche Emotionen kommen da hoch?
Klar gehe ich gerne nach Wengen zurück - das ist der Ort meines grössten Triumphes. Aber ich würde natürlich viel lieber als Skifahrer dabei sein. Nur zuzuschauen, tut schon weh. Aber wie es sein wird und was es in mir auslöst, kann ich jetzt noch nicht sagen.

Wann haben Sie das letzte Mal ein Rennen live als Zuschauer verfolgt?
Live vor Ort? Habe ich das schon einmal? Da muss ich lange überlegen. Vielleicht mal in Adelboden während einer Verletzung. Nein - jetzt kommt es mir in den Sinn. Das war ein Rennen meiner Freundin in Semmering vor etwa drei Jahren. Die Abfahrt in Wengen habe ich aber ganz sicher noch nie live gesehen.

Sie absolvieren die Physiotherapie am Unispital in Innsbruck. Werden Sie von den Österreichern anständig behandelt?
Ja - definitiv. Da gibt es gar nichts zu bemängeln. Ich bin sehr gut aufgehoben.

Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?
Vormittags meistens Physiotherapie - in ein bis drei Blöcken: zuerst anderthalb Stunden Therapie, in der das Knie mobilisiert und die Koordination gefördert wird. Dann kommt eine Einheit Wassertherapie - und eine Pause. Am Abend ein leichtes Krafttraining - mit Stabilisationsübungen und Radfahren auf dem Hometrainer zur Optimierung der Beweglichkeit. Da bin ich jetzt bei zweimal 20 Minuten.

Wie gross ist die Langeweile?
Das Fernsehprogramm kenn ich immer noch auswendig. Aber die Therapie lässt mir gar keine Zeit zur Langweile. Sie fordert mich so stark, dass ich jeweils sehr müde bin - und auch viel schlafe.

Ihre Freundin studiert Physiotherapie. Wie kann sie helfen?
Sehr viel. Sie geht zwar am Tag ganz normal an die Uni. Aber wenn ich am Abend nach dem Training noch Probleme habe, kann sie mich direkt unterstützen. Vor allem hilft sie mir mit ihrer reinen Anwesenheit. Wenn es mir schlecht geht, ist sie immer für mich da.

Geht es Ihnen oft schlecht?
Nicht mehr so oft. Am Anfang - als ich im Dezember mit der Physio begann - war es schlimmer.

Wie funktioniert der Haushalt Triendl/Feuz im Alltag?
Sehr gut, wir ergänzen uns perfekt...

Können Sie ein bisschen konkreter werden...
...fürs Kochen ist Katrin zuständig. Ich bin kein Held in der Küche. Mein Ding ist eher das Abspülen und Abtrocknen, Einräumen, Ausräumen - alles Mögliche.

Und die Wäsche?
Die macht eigentlich auch eher Katrin. Aber ich trage den Müll nach draussen - ehrlich…

Was vermissen Sie am meisten vom Emmental? Die Pokerabende mit Freunden?
Ich war schon vorher wenig zu Hause. Deshalb hat sich nicht so viel geändert. Klar vermisse ich die Kollegen. Aber wir sind in Kontakt - und sie kommen mich auch in Innsbruck besuchen. Gepokert habe ich zuletzt nicht mehr so viel. Das ist mir im Spital verleidet.

Und was ist mit dem Essen Ihrer Mutter?
Da muss ich jetzt diplomatisch sein. Ich würde sagen, Katrin kocht genauso gut wie meine Mutter. An gewisse Eigenheiten der Küche Österreichs kann ich mich aber kaum gewöhnen - wie etwa Kaiserschmarrn zur Hauptspeise. Das ist für mich ein Dessert.

Zu einem weniger süssen Thema: die Lage der Ski-Nation Schweiz. Was läuft eigentlich falsch, wenn man schon eine Top-Ten-Klassierung feiert wie einen WM-Titel?
Für mich gibts keine Erklärung. Jeder hat Mühe, jeder hat Probleme. Alles, was letzte Saison noch gut war, ist jetzt schlecht.

Sie haben die Vorbereitung mitgemacht. Was hat denn in dieser nicht gestimmt?
Da war ich zu wenig dabei. Ich bin erst zwei Wochen vor Sölden so richtig zum Team gestossen. Zu diesem Zeitpunkt sah alles gut aus. Im Team und bei mir. Meine Form hätte gestimmt. Ich fühlte mich sicher, fit und schnell. Was nachher schieflief, kann ich nicht sagen.

Die zu kleinen Trainingsgruppen werden kritisiert...
Wir haben seit Jahren so kleine Trainingsgruppen. Ich kann mich daran erinnern, dass man vor fünf Jahren gesagt hat, dass man die Trainingsgruppen verkleinern müsse, um individueller trainieren zu können. Für mich hat das so immer gepasst.

Aber es darf schon als Armutszeugnis bezeichnet werden, dass erst 3 von maximal 14 Athleten die Selektionskriterien für die WM erfüllt haben - Didier Défago, Markus Vogel, Patrick Küng.
Das ist wirklich schier unvorstellbar. In Garmisch waren wir vor zwei Jahren sechs Athleten für vier Plätze in der Abfahrt. Wäre Patrick Küng damals nicht krank geworden, hätten wir zu dritt um einen Platz gekämpft. Jetzt sieht es so aus, als ob nicht einmal alle Startplätze vergeben werden.

Es können ja nicht alle plötzlich das Skifahren verlernt haben…
..klar, Cuche war dabei. Ich bin dabei gewesen. Aber da wären jetzt immer noch genügend Fahrer, die es können müssten. Doch irgendwie ist momentan der Wurm drin - und den bringen sie nicht raus.

Sie haben auch nicht den ultimativen Tipp, wie sich das ändern könnte?
Nein - vor allem weil es schwer ist, aus der Distanz etwas zu sagen. Vermutlich ist die Verkrampfung zu gross. Jeder will zu viel - will etwas erzwingen. Und das kommt selten gut. Die Fahrer müssten sich auf das besinnen, was sie im Training richtig machen. Aber das ist oft leichter gesagt als getan.

Und dann kommen all die guten Ratschläge von aussen...
…genau - von den Leuten, die schon vor fünf Jahren gesehen haben wollen, dass etwas schlecht läuft. Weshalb sind die nicht vor fünf Jahren gekommen, wenn sie es eh schon wussten?

Aber nehmen wir das Beispiel von Carlo Janka - ein herausragender Athlet. Wie ist es möglich, dass plötzlich gar nichts mehr zusammenpasst?
Vermutlich ist die Umstellung auf die längeren Riesenslalom-Ski nicht optimal gelungen. Doch im Vordergrund steht das fehlende Selbstvertrauen. Im Sommer kam ihm das von Training zu Training abhanden - und in den Rennen setzte sich diese Entwicklung fort. Aber bei einem so starken Fahrer kann es schnell wieder besser werden. Stimmt die Mischung wieder, wird Carlo vorne mitfahren. Wer schon alles gewonnen und so grosse Klasse hat, kann das Skifahren nicht verlernt haben.

Wäre das Lauberhorn ein Pokerspiel, wie viel würden Sie auf einen Schweizer Podestplatz setzen?
Janka und Défago haben das Rennen schon einmal gewonnen. Die wissen, wie es geht. «All-in» würde ich nicht gehen, aber leicht erhöhen würde ich meinen Einsatz schon. Irgendwann werden wir wieder gewinnen...

Von Thomas Renggli am 19. Januar 2013 - 06:06 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 23:39 Uhr