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«Unter dem Helm bin ich ganz Frau»

Jolanda Neff über Männer, Muskeln und ihr Markenzeichen

Trotz Pech an der WM ist Mountainbikerin Jolanda Neff eine unserer Gold-Trümpfe in Rio. Die 23-Jährige überzeugt auch neben den Trails: Zum Beispiel im Gespräch mit der «Schweizer Illustrierten».

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Jolanda Neff (Instagram) Bike privat 2016

Jolanda Neff - hier am Strand von Muizenberg in der Nähe von Kapstadt - lässt sich auch nach Rückschlägen nicht von ihrem Weg abbringen.

Dirk Schmidt

Europameisterin, Weltcupsiegerin, Marathon-Weltmeisterin. Die Saisonbilanz von Mountainbikerin Jolanda Neff ist makellos - bis zum vergangenen Samstag: Gebremst von Rückenschmerzen, wird sie an der Mountainbike-WM im tschechischen Nove Mesto bloss Achte. Ein Schock nicht nur für die erfolgsverwöhnte Athletin, sondern auch für ihre Fans. Sind jetzt der Heimweltcup in der Lenzerheide am Wochenende und gar das Olympia-Rennen, wo sie zu unseren Gold-Hoffnungen zählt, in Gefahr? «Im Moment weiss ich noch nicht, woher die Schmerzen im Rücken kommen. Aber ich werde alles daransetzen und kämpfen, um bald wieder fit zu sein», sagt Neff, wie immer mit dem Blick aufs Positive gerichtet.

Neff begeistert nicht nur als Bikerin, sondern auch als Frau. Sie ist erfrischend sympathisch und sieht auch noch gut aus. Und doch ist sie nicht so perfekt, dass sie langweilig wäre. Vielleicht ist es die Diskrepanz zwischen ihrem Aussehen und ihren Fähigkeiten, die neugierig macht: blonde Engelslocken, süsses Lächeln, eine zierliche, ja fast fragile Statur, dahinter eine ungeheure Kraft, ein unbändiger Siegeswille.

Im Modeshooting während des Trainingslagers in Südafrika zeigt sich die 23-Jährige erneut von einer anderen Seite. Auch diese Verwandlung vom bodenständigem Kumpel-Typ zum sexy Model meistert sie mit Leichtigkeit.

Schweizer Illustrierte: Jolanda Neff, Sie sagten einmal, Sie fühlen sich in Schlamm und Dreck am wohlsten. Doch top gestylt machen Sie eine genauso gute Figur.
Jolanda Neff: Ich fühle mich immer noch wohler in Schlamm und Dreck! Da kann ich sein, wie ich bin, und niemand interessiert es, ob ich verschwitzt bin - ein Gefühl von Freiheit! Doch ich habe mehrere Facetten: Ich mache mich gerne schön, gehe shoppen und interessiere mich für Mädchenthemen. Das beisst sich doch nicht!

Wenn Sie shoppen gehen, was kaufen Sie am liebsten ein?
Sicher keine Sportklamotten, davon habe ich genug. Elegante Kleidchen, coole Hosen oder auch mal etwas Lustiges. Letzthin zum Beispiel Happy Socks, ganz farbige mit Mustern. Ich habe so meine Phasen, früher musste ich alles Goldene haben, dann stand ich auf Glitzer. Momentan bin ich verrückt nach allem, wo eine Ananas drauf ist. Und Pink ist auch immer hoch im Kurs.

Apropos Pink: Die Fingernägel lackieren Sie oft in knalligen Farben - auch beim Rennen!
Ja, genau, die Farbe wechselt im mer. Die Schwester einer Kollegin, die ebenfalls im Weltcup mitfährt, ist Kosmetikerin und jeweils an den Rennen dabei. Sie macht uns vor jedem Start neue Gel-Nägel. Ich trage extra kurze Bike-Handschuhe, damit man sie sieht.

Schminken Sie sich auch für ein Rennen?
Wimperntusche ist immer drauf, auch bei Training und Rennen. Aber sicher kein Make-up, mit dem Schwitzen käme das nicht gut. Ich trage auch Ohrringe. Unter dem Helm bin ich ganz Frau!

Wie viel geben Sie zum Shoppen aus?
Insgesamt nicht viel, weil ich äusserst selten dazu komme. Wenn, dann könnens schon mal ein paar hundert Franken sein.

Wie viel verdienen Sie?
Genug, um gut zu leben. Ich finde es mega cool, dass ich seit zwei Jahren finanziell unabhängig bin dank Sponsoren, Preisgeldern und der Schweizer Armee, bei der ich zu 50 Prozent als Zeitsoldatin angestellt bin. Im Biken ist das nicht selbstverständlich. Weltweit können nur etwa die besten zehn Frauen davon leben.

Sind Sie Millionärin?
Neeeein (lacht). Das schaffe ich vielleicht, wenn ich in den nächsten Jahren alles gewinne.

Ich lese regelmässig Zeitung, will wissen, was auf der Welt los ist



Ihr Geschichtsstudium haben Sie zugunsten des Sports abgebrochen. Haben Sie das je bereut?
Nein, gar nicht. Aber etwas für den Kopf zu tun, fehlt mir schon manchmal. Letztes Jahr habe ich Fernstudien-Kurse in Geschichte absolviert, das war sehr spannend. Aber ich hatte Deadlines für die Prüfungen und Arbeiten. Ich musste kämpfen, um alles zu schaffen. Jetzt lerne ich Spanisch. In St. Gallen gehe ich einmal pro Woche zu einer Lehrerin, wenn ich daheim bin. Unterwegs habe ich immer mein Buch dabei.

Wenn Sie unterwegs sind, verfolgen Sie, was in der Welt passiert?
Ja, das ist mir wichtig. Ich lese regelmässig Zeitung, will wissen, was auf der Welt los ist, und auch mitreden können, wenns nicht um Sport geht. Wenn ich zu Hause bin, stimme ich auch ab.

Auch über Sie wird viel geschrieben. Gefällt Ihnen die Aufmerksamkeit?
Als ich 2014 den Gesamtweltcup gewann, nahm das Interesse der Öffentlichkeit kaum zu. Dann dachte ich, das bleibt jetzt so. Letztes Jahr, als es an der WM eigentlich nicht so gut lief, explodierten die Anfragen. Das hat mich völlig überrumpelt. Da ich nicht gut Nein sagen kann, ging es teilweise etwas chaotisch zu und her. Jetzt habe ich ein Management, das alle Termine koordiniert.

Wenn es klick-bum macht, sage ich nicht Nein



Bestimmt stehen auch die Männer Schlange. Warum sind Sie Single?
Alle Leute fragen mich das immer! Dabei bin ich auch als Single glücklich. Logisch gibts immerwieder mal jemand, der mir gefällt. Aber wenn ich einen Mann kennenlerne, bin ich meistens eine Woche später bereits an einem anderen Ort. Durch Beziehungen in der Vergangenheit habe ich gelernt, dass ich lieber Single bin, als das Gefühl zu haben, einem Partner nicht gerecht werden zu können, weil ich zu wenig Zeit habe. Aber wenn es klick-bum macht, sage ich nicht Nein.

Wie müsste er denn sein, dass es klick-bum macht?
Ich habe keine genaue Vorstellung. Biker müsste er nicht sein, aber sicher sportlich - oder zumindest vollstes Verständnis für meinen Sport haben. Das Wichtigste ist, dass man zusammen lachen kann, der Humor stimmt. Und dass jemand mich als Person mag und nicht Jolanda Neff, die Sportlerin. Am liebsten jemand, der mich gar nicht kennt.

Ein Fan hätte also keine Chance?
Wohl eher nicht.

Gibts sonst noch ein No-Go?
Arroganz. Wenn einer sich selber zu ernst und wichtig nimmt - das geht gar nicht.

An den Sports Awards ziehen Sie regelmässig die Aufmerksamkeit von Prominenten auf sich: Robbie Williams küsste Ihre Hand, mit Herbert Grönemeyer und Roger Federer unterhielten Sie sich gut. Wer fehlt noch in dieser Reihe? Welchen Star möchten Sie einmal treffen?
Die Schauspielerin Emma Watson. Ich finde sie mega cool. Hut ab, dass sie neben ihrer Karriere ein Studium gemacht hat! Und dass sie einen Normalo als Freund hat, finde ich sympathisch. Dazu beeindruckt mich, wie sie für Frauenrechte kämpft. Und mir gefällt ihr Kleidungsstil und ihr Aussehen.

Dann sehen wir Sie vielleicht bald mit einer Kurzhaarfrisur wie Emma Watson 2010?
Nein, das nicht. Mittlerweile liebe ich meine langen Locken.

Das war nicht immer so?
Nein, gar nicht. In der Sekundarschule kamen dauernd blöde Sprüche, sodass ich meine Haare jeden Tag zusammengebunden habe. Bevor ich ins Gymi kam, nahm ich mir vor, sie am ersten Tag offen zu tragen, weil ich sie nicht vier weitere Jahre zu einem Rossschwanz binden wollte. Das brauchte mega Überwindung. Aber ich habe es gemacht, und meine Haare waren seither nie mehr ein Thema. Zumindest kein negatives. Vor vier Jahren färbte ich sie blond, nun sind sie mein Markenzeichen.

Auch zu einem Markenzeichen ist Ihre Brille geworden.
Ja, doch auch die gefiel mir anfangs nicht besonders. Denn in der ersten Oberstufe bekam ich eine Art Harry-Potter-Brille und dazu noch eine Zahnspange – oje! (Lacht.)

Was gefällt Ihnen sonst an sich und was eher nicht?
Es gibt immer Sachen, die einem weniger gefallen. Aber ich denke an die Dinge, die mir gefallen: meine Augen, meine Haare. Und mir gefällt, wenn mein Körper austrainiert ist und die Muskeln definiert sind.

Ihnen gefallen also Frauen mit Muskeln?
Nicht unbedingt. Frauen mit Power natürlich schon, aber nicht mit Muskelmasse. Beim Mountainbiken ist das gut: Der Körper, den ich durch das Training bekomme, gefällt mir auch sonst sehr gut.

Sie sind sehr schlank. Müssen Sie aufs Gewicht achten?
Es ist sicher so, dass es in unserem Sport ein Vorteil ist, wenn man leicht ist. Das ist Physik. Jedes Kilo, das ich nicht den Berg hochschleppen muss, macht mich schneller. Aber ich habe mega Glück: Meine Mutter und meine Oma sind genauso schlank. Zudem ist mein Mami Wellness-Trainerin, ich bin also mit einer gesunden Ernährung und einem guten Körperbewusstsein aufgewachsen. Einen Ernährungsplan habe ich aber nicht.

Kochen Sie auch selber?
Manchmal. Zum Beispiel Ribelmais, eine Spezialität aus dem Rheintal mit Äpfeln und Zimt. Das liebe ich. Aber mein Mami kocht so gut, dass ich auch gerne einfach bei meiner Familie an den Tisch sitze.

Von Sarah van Berkel am 10. Juli 2016 - 05:00 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 15:03 Uhr