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  4. Nadja Schildknecht ohne Urs Rohner mit Karl Spoerri ZFF 2014

ZFF-Duo Schildknecht & Spoerri

«Wir sind wie ein altes Ehepaar»

Sie kümmert sich um die Finanzen, er sich um die Filme: Nadja Schildknecht und Karl Spoerri. Die Direktoren des Zurich Film Festivals über den naiven Start, grosse Namen und ihre Beziehung.

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Nadja Schildknecht und Karl Spoerri, alles bereit für den Start des ZFF?
Karl Spoerri: Die Zeit kurz vor dem Festival ist sehr intensiv.
Nadja Schildknecht: Fast intensiver als während des Festivals. Ich habe nicht selten erlebt, dass wir vor der Eröffnung eine Freinacht hatten. Ich sehe es wieder so kommen (lacht). Aber auch das ganze Team arbeitet ununterbrochen, wir sind sehr dankbar, dass wir solch motivierte Mitarbeiter haben.

Sie feiern Jubiläum. Wie kamen Sie vor zehn Jahren überhaupt auf die Idee, ein Festival zu gründen?
Spoerri: 2004 veranstalteten wir das Onedotzero, in zweieinhalb Tagen hatten wir 3000 Besucher. Das veranlasste uns nachzudenken, warum es eigentlich in Zürich kein grosses Filmfestival gibt.
Schildknecht: Zürich verfügt über die grösste Kinodichte Europas und ist eine sehr attraktive Stadt. Auch sitzt die Schweizer Filmbranche hier.

Und trotzdem gab es ausgerechnet in Zürich kein Festival.
Spoerri: Wir haben die kulturpolitischen Gründe relativ schnell mitbekommen. Wir stellten uns am Anfang alles viel einfacher vor.
Schildknecht: Wir haben erfahren, dass man keine Konkurrenz zu den anderen Schweizer Festivals schaffen wollte. Wir haben zu Beginn gar nicht an so was gedacht, wir waren einfach von der Idee überzeugt. Wer weiss, ob wir uns sonst auf dieses Eisfeld hinausgewagt hätten. Für einen Rückzieher war es schnell zu spät, es blieb uns nichts anderes übrig, als Schlittschuhlaufen zu üben.

Sie beide waren damals 31. War es «jugendlicher» Mut oder Übermut?
Schildknecht: Weder noch. Es ist auch keine Frage des Alters. Wir waren überzeugt und haben mit Leidenschaft und viel Willen an diesem Projekt zu arbeiten angefangen.
Spoerri: Zu Beginn dachte ich, dass ich für das Festival nur den Monat Oktober frei nehmen muss, um alles zu organisieren. Wie naiv! Ich konnte mir nicht vorstellen, wie viel Arbeit dahintersteckt. Schildknecht: Heute arbeiten 20 Vollzeitangestellte für uns. 40 Personen stossen unter dem Jahr zu uns ins Büro, und während des Festivals helfen zusätzlich Hunderte Personen mit, damit die Organisation gelingt.

Hatten Sie sich das so vorgestellt?
Spoerri: Wir hatten immer ein Ziel. Aber wie schnell wir etwas erreichen können, war am Anfang völlig unklar.
Schildknecht: Manchmal haben wir davon geträumt, dass Stars unser Festival besuchen. Dass es Realität werden könnte, haben wir nicht auszusprechen gewagt – oder nur im Scherz.

Wie holen Sie grosse Namen wie Richard Gere nach Zürich?
Spoerri: In der Regel kommen die Stars, um einen Film vorzustellen. Dasselbe gilt auch für die Filmemacher - dieses Jahr erwarten wir über 500 Gäste aus dem Ausland. Dieser internationale Mix macht das Festival lebendig.
Schildknecht: Zudem hat sich das Festival als Networking-Plattform bewährt. Wir können erfolgreiche Produzenten mit noch unbekannten Filmemachern aus der ganzen Welt auf eine lockere, entspannte Art verknüpfen. 2007 hat Oliver Stone als erster grosser Hollywood-Gast zugesagt. Wir reisten extra für einen Tag nach Los Angeles, um ihn kennenzulernen. Ich wusste, wenn wir ihn mal getroffen haben, ist es für ihn schwieriger, wieder abzusagen. Es hat funktioniert, ein paar Wochen danach war er hier bei uns in Zürich.

Allein in der Schweiz gibts rund 20 Filmfestivals. Da will doch jeder Organisator die besten Filme für sich.
Spoerri: Jedes dieser Festivals hat seine Eigenständigkeit, definiert sich durch andere Inhalte und findet in einer anderen Zeit statt. Im Herbst werden viele relevante Filme lanciert. Die Kunst ist es dann, die Studios und Verleiher zu überzeugen, dass Zürich eine Reise wert ist. Hier braucht es viel Überzeugungskraft, denn im Gegensatz zu England oder Deutschland ist die Schweiz ein kleiner Markt. Zürich bewegt sich hier in einem international kompetitiven Umfeld. Schliesslich wollen alle die grossen Filme und ihre Macher.

Sean Penn hat bei seinem Besuch gesagt: «Die Begegnung mit Karl war ein reines Vergnügen.» Was haben Sie getan?
Spoerri: Das Wichtigste ist, zu wissen, dass sie Künstler sind, die eine sensible und spezielle Art haben. Wir müssen versuchen, sie emotional abzuholen, und ihnen auch Respekt zeigen. Dann sind sie meist sehr umgänglich.
Schildknecht: Wir begrüssen die Gäste persönlich, sie machen unseren Festivalbesuchern eine Freude mit ihrer Anwesenheit. Es ist ein Geben und Nehmen. Dasselbe gilt bei den Sponsoren.

An Sponsoren mangelt es dem ZFF nicht.
Schildknecht: Das ist auch wichtig, ohne Sponsoren könnten wir das Festival nicht durchführen, denn wir sind zu über 80 Prozent aus der Privatwirtschaft finanziert. Dank den Geldern können wir eine Vielfältigkeit an Filmen - keine Beliebigkeit - zeigen, die das Kino heute gar nicht mehr bieten kann.
Spoerri: Jährlich werden über 5000 neue Filme produziert. Die meisten davon kommen nie ins Kino. Festivals nehmen hier eine wichtige Rolle wahr. Sie selektieren und bieten gleichzeitig eine grosse Plattform für unterschiedliche Produktionen, welche im normalen Kinoalltag keine Leinwand mehr bekommen. Zudem bietet das Festival dem Zuschauer ein ganz besonderes Erlebnis. Die Filmemacher sind vor Ort, stehen für Fragen zur Verfügung. Der Zuschauer bekommt einen direkten Einblick. Er lernt die Macher kennen. Die Motive, Ansichten, die Vision - dieses Erlebnis kann nur ein Festival bieten.

Macht das ZFF Gewinn?
Schildknecht: Wenn man verantwortungsvoll ein Unternehmen führt, ist man darauf bedacht, keinen Verlust zu schreiben. Dies schon, um die Liquidität wahren zu können.

Wie hoch ist das Budget?
Schildknecht: Rund 7 Millionen Schweizer Franken, weit weniger als andere Filmfestivals in dieser Grössenordnung, wir müssen also jeden Franken umdrehen.

Werden Sie reich?
Spoerri: Wir werden reich an Zuneigung (lacht).
Schildknecht: Hätten wir diese Position in einem anderen Unternehmen, würden wir sicher mehr verdienen, aber dies ist egal, die Arbeit gefällt uns.

Wie würden Sie Ihre Beziehung bezeichnen?
Schildknecht: Nach zehn Jahren ein bisschen wie ein altes Ehepaar (lacht).

Sie streiten miteinander?
Schildknecht: Wir diskutieren, lachen und streiten auch ab und zu. Wir arbeiten seit zehn Jahren zusammen und sind immer noch befreundet.

Treffen Sie sich auch privat?
Schildknecht: Bevor wir zusammengearbeitet haben, vermehrt; jetzt muss es abseits der Arbeit noch eine andere Welt geben, aber das ist ganz normal. Siehst du das auch so?
Spoerri: Absolut. Da habe ich nichts hinzuzufügen (lacht).

Ihr grösster Coup?
Schildknecht: Dass wir verschiedene Zielgruppen erreichen. Das ZFF ist ein Fest für alle geworden.
Spoerri: Somit sind die über 70 000 Besucher im vergangenen Jahr wohl der grösste Coup.

Schauen Sie beide privat noch Filme?
Spoerri: Ja, auf jeden Fall. Mittlerweile schaue ich auch viele Serien, dort gibt es einfach unglaublich viel Spannendes.
Schildknecht: Ich gehe gerne ins Kino, aber auch zu Hause geniesse ich immer noch Filme.

Von Aurelia Robles am 25. September 2014 - 04:45 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 16:56 Uhr