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Nik Hartmann

Reise der Hoffnung

TV-Star Nik Hartmann besucht für das Hilfswerk Solidarmed Lesotho. Mit dabei: seine Frau Carla. Das Land ist atemberaubend schön, aber die Armut bitter. Entmutigen lassen sich die Hartmanns nicht. «Wenn die Menschen in Afrika etwas nicht brauchen, dann ist es unser Mitleid.»

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Neugierig sind sie, die Kinder des Dörfches Ha Kokoana. Doch vorerst beäugen sie den bärtigen Mann aus sicherer Distanz. Ein Weisser in den abgelegenen Bergen von Lesotho! Immerhin, der Mann scheint sympathisch zu sein, die Mutigen trauen sich näher. Nik Hartmann, 42, ruft in der Landessprache Sesotho «Lumelang», da ist der Damm gebrochen. Sein «Hallo» zieht Dutzende Kinder an. Als er mit ihnen das Lied «Alele kita conga» anstimmen möchte, ist ihr Lachen bis ins nächste Tal zu hören. Nebenan hat sich eine Kinderschar um seine Frau Carla, 42, gesammelt: eine weisse Frau! Das ist fast noch spannender als der lustige Sänger mit dem Bart.

Drei Tage zuvor sind die Gäste aus der Schweiz in Maseru, der Hauptstadt, angekommen. Der TV-Star ist Botschafter des Schweizer Hilfswerks Solidarmed, das sich im südlichen Afrika für eine bessere Gesundheitsversorgung einsetzt. Seit 2009 hat er alle zwei Jahre mindestens ein Solidarmed-Projekt besucht. Nun ist zum ersten Mal auch Carla mit dabei. «Meine Leidenschaft für Afrika ist riesig. Noch schöner ists, wenn ich das alles mit ihr teilen kann.» Dafür war allerdings viel Organisation nötig, jetzt wissen Carla und Nik ihre drei Kinder in guten Händen: Die Physiotherapeutin ihres behinderten Buben Melchior ist mit ihrem Mann temporär bei den Hartmanns eingezogen.

Am folgenden Tag verzögert sich die Abfahrt ein wenig. Denn das Hühnchen, das Nik am Vorabend gegessen hat, war für seinen Magen etwas gar scharf. «Tja, es brennt immer zweimal», sagt er lachend. Mit dem Geländewagen gehts ins 170 Kilometer entfernte Städtchen Thaba-Tseka. «Wow! Wonderful! Please stop for a photo!» Niks Begeisterung ist riesig. Das Land ist mit seinen bisherigen Afrika-Destinationen nicht zu vergleichen. Lesotho ist ein Bergland wie die Schweiz, der tiefste Punkt liegt auf 1400 m ü. M.! Keine weiten Steppen, keine Wildtiere, keine Hitze. Stattdessen Tafelberge, tiefe Canyons und wilde Steinformationen. Die Einwohner nennen ihr Land «Kingdom in the sky» – Königreich im Himmel.

«Das vergessene Königreich» wäre ebenso passend. Umzingelt und abhängig von Südafrika, belegt Lesotho im internationalen Vergleich nur unrühmliche Spitzenplätze: bei der Armut, bei der HIVRate (23 Prozent!), bei der tiefen Lebenserwartung von 49 Jahren.

In Thaba-Tseka feiert das Paray-Spital gerade sein 75-jähriges Bestehen, hohe Würdenträger kommen zu Besuch. Deshalb sieht alles geordnet aus. Die Wände sind frisch gestrichen, in die Beete wurden Rosen gepflanzt. Bei genauerem Hinsehen sind die Zustände deprimierend. Rostige Eisenbetten, schlechte Hygiene, kaum technische Ausrüstung. «Wenigstens funktioniert das Röntgengerät manchmal», sagt der Direktor.

Nik hat sich auf früheren Reisen ein beachtliches Wissen angeeignet, er versucht mit gezielten Fragen, den Mängeln und Problemen auf den Grund zu gehen. Carla lässt er aber nicht aus den Augen. Denn ihre Gesichtsfarbe wird nach jedem Patientenzimmer noch ein wenig bleicher, bei der Geburtenabteilung wirds ihr endgültig zu viel. «Diese Zustände, unfassbar.»

Weiter gehts in das abgelegene Dorf Montmartre. Die Strasse dorthin ist so schlecht, dass nur Geländewagen und geübte Fahrer eine Chance haben. Und selbst die nur, wenn es nicht regnet. Mit jedem Meter wird das Hauptproblem der Einwohner, der Zugang zu medizinischer Versorgung, für Nik und Carla greifbarer. Ein Hilfswerk aus den USA hat hier in Montmartre ein Gesundheitszentrum gebaut. Doch ohne Medikamente und geschultes Personal ist der Nutzen gering. Dr. Ola Faturiyele von Solidarmed hat deshalb über Monate Mitarbeiter ausgebildet, aber die sind gleich nach Abschluss ihrer Ausbildung in die Hauptstadt abgehauen. Frustriert ist er deswegen nicht. «Die Leute wollen halt alle weg. Wenigstens geben sie das Gelernte an einem anderen Ort weiter. Und ich fange wieder von vorne an.»

Trotz scheinbar unüberwindbaren Problemen - entmutigen lässt sich auch Nik Hartmann nicht. «Ich bin ein zwanghafter Optimist. Und mein Mitleid wollen die Menschen hier bestimmt nicht. Aber ich kann mich dafür einsetzen, dass ihre medizinische Versorgung verbessert wird.» Er sei immer wieder erstaunt darüber, wie sehr man den Kindern in der Schweiz einbläue, dass man alles teilen solle. «Aber wie steht es um die Solidarität bei den Erwachsenen?»

Fast täglich telefonieren Nik und Carla mit ihren Kindern daheim. Nik hat ein kleines Gerät dabei, mit dem er via Satellit telefonieren kann. Nik und Carla erzählen ihren Buben von den Erlebnissen am anderen Ende der Welt, der 9-jährige Frederik spricht Nik seine gesamte Theater-Rolle vor, die er auswendig gelernt hat. Constantin, 12, ist mit dem Velo gestürzt und musste kurz ins Spital, alles okay. «Aber gell, Papi, bring es Mami irgendwie schonend bei.»

Wie gesund Nik selber ist, erfährt er bei einem Besuch eines traditionellen Heilers. Dieser trägt zwar Jeans und eine Frisur wie Fussball-Star Mario Balotelli, im Dorf ist er aber sehr angesehen. Seine Ausrüstung besteht aus Trommeln, Wurzeln, Hörnern, einem Flügel eines Vogels. Nik bezahlt fünf Maloti, etwa 50 Rappen, für den Check. Er muss ein paar Münzen, Knöpfe und Muscheln auf den Lehmboden fallen lassen. Der Heiler betrachtet das Muster am Boden: «Sie haben Probleme im linken Knie, am Rücken und an der Brust.» Er verschreibt ein Pulver. «Immerhin, ich habe tatsächlich ab und zu einen Druck auf der Brust, er lag also nicht bei allem daneben», sagt Nik.

Am letzten Tag gehts ins Dörfchen Ha Kokoana. Einmal im Monat kommt ein mobiles Team von Solidarmed, um die Bevölkerung zu versorgen. Hierher schafft man es nur zu Fuss oder mit dem Pferd. Für Carla ein Vergnügen, sie ist seit 30 Jahren Hobby-Reiterin.

Etwa 200 Personen, meist Frauen, warten stundenlang geduldig auf Holzbänken, bis sie an der Reihe sind. Eine 94-Jährige klagt über Rückenschmerzen, aber auch über die heutige Jugend. Eine andere hat eine Handball-grosse Geschwulst am Knie. Sie müsste in einem Spital untersucht werden, kann sich aber den Transport nicht leisten. Carla nimmt ihr Geld hervor, fragt, ob sie das übernehmen dürfe. Der Arzt winkt ab. «Sie würde sich mit dem Geld eher Essen kaufen.»

Das lokale Schulzimmer dient als Praxis. Der Zahnarzt zieht im Akkord Zähne - natürlich ohne Narkose -, über 60 sind es bis am Abend. Nik setzt sich zu den Wartenden, innerhalb kurzer Zeit hört man aus dem Schulzimmer schallendes Gelächter. Niks offenherzige Art kommt überall an. Egal, ob bei einem Bauern im Entlebuch, einem Szenegänger in Zürich oder bei den Menschen in Lesotho.

Schliesslich steigen Nik und Carla auf ihre Pferde, verabschieden sich mit einem lauten «Salang hantle» («Alles Gute»). Die Kinder stimmen noch einmal das Lied ein, ihr «Alele kita conga» ist noch lange zu hören.

Von Alejandro Velert am 12. Dezember 2014 - 05:30 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 16:39 Uhr