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Ueli Maurer

Sein neues Zuhause

Er ist kein Stadtmensch; deshalb zieht SVP-Bundesrat Ueli Maurer aufs Land. Von seinem Daheim in Münsingen BE radelt er am liebsten mit dem Velo ins Bundeshaus.

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Draussen ist es stockdunkel, der Morgen hat noch gar nicht recht begonnen. Doch Bundesrat Ueli Maurer ist bereits auf den Beinen: Der Verteidigungsminister hantiert in seiner Küche und macht Kaffee – die
Uhr zeigt kurz nach 5 Uhr. «Ich bin schon lange wach», sagt er im Plauderton. Der 58-Jährige ist ein Frühaufsteher. Anfang Juli bezog der Bundesrat eine Attikawohnung in Münsingen BE. Hier verbringt er die Arbeitswoche, die freien Tage hingegen geniesst er meistens mit der
Familie daheim in Hinwil ZH.

In der neuen Wohnung dominiert viel Freifläche die Stube, die Einrichtung ist spartanisch: Ein Esstisch mit vier Stühlen und ein gläserner Salontisch – «ich brauche halt Platz zum Denken!» Noch fehle ein gemütlicher Sessel, dafür seien das Bett und der Schrank bereits geliefert worden. «Die ersten Nächte verbrachte ich nämlich in meinem Schlafsack auf dem Boden.»

Viel wichtiger als die Einrichtung ist ihm der Tapetenwechsel, der dank den eigenen vier Wänden nun möglich ist.Immer nur im Büro oder in einem Stadtberner Hotel sitzen –das ist nichts für den Naturliebhaber: «Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich hier Kühe und Weiden. Das tut richtig gut!»

Mit Radlerhosen, Rucksack und Helm verlässt Ueli Maurer das Haus, wenn andere noch schlafen. Er schwingt sich auf sein 15-jähriges Wiesmann-Downhill-Velo, montiert das Licht – und dann gehts ab Richtung Bundeshaus. Manchmal mit Umweg über den Belpberg oder den Gurten, manchmal schnurstracks rund 15 Kilometer der Aare entlang.

«22 Minuten benötige ich für den kürzesten Weg von Tür zu Tür», berichtet der passionierte Velofahrer. Eigentlich zu wenig, um so richtig in Fahrt zu kommen. Und doch eine willkommene Bewegung frühmorgens: «Ich habe jetzt ein halbes Jahr fast keinen Sport getrieben und bin richtig hässig geworden.» Er tritt in die Pedale, macht den Kopf frei für den nächsten langen Arbeitstag.

Der Weg führt vorbei an einer Büffelherde, im Acker wühlt ein Fuchs. «Jeder Morgen ist anders. Manchmal hängen Nebelschwaden über dem Boden, oder man sieht bereits gestochen scharf Eiger, Mönch und Jungfrau», erzählt Ueli Maurer. Auf dem Flughafen Bern-Belp startet ein kleiner Jet seine Triebwerke, der Bundesrat fährt weiter, entlang einem Blumenfeld mit Gladiolen. Der helle Streifen am Horizont kündigt den Tag an.

«Es gibt nichts Schöneres, als vom Dunkeln in den Morgen hinein zu radeln.» Die Aare ist nah, der typisch herbe Geruch liegt in der Luft. Jetzt kommt die Stadt immer näher, der Verkehr nimmt zu, der Abstecher über die Monbijoubrücke lohnt sich: Der Blick von hier auf das Bundeshaus ist bestechend. Ueli Maurer schaut genau hin: «Der Weibel lüftet gerade mein Büro», meint er mit einem Schmunzeln.

«Als Chef muss man unkompliziert sein – und mit einer Prise Humor ans Werk gehen»

An den Rollenwechsel vom SVP-Parteipräsidenten zum Minister hat er sich gewöhnt: «Im Bundesrat gelten spezielle Spielregeln, an die ich mich halte.» Sicher sei das nicht immer ganz einfach, aber Regeln seien halt nun mal zum Einhalten da … Bundesräte haben keinen separaten Veloständer. Vor dem Departement deponiert der Verteidigungsminister seinen Drahtesel – und mit einem Blick auf die anderen Zweiräder meint er: «Meines ist mit Abstand das dreckigste.»

Er fahre halt am liebsten querfeldein. Ueli Maurer betritt den Ostflügel des Bundeshauses, geht hinauf in den ersten Stock, wo bereits Weibel Christof Eberle wartet. «Was steht heute auf dem Programm?», will der Chef wissen. Der indische Sportminister komme auf einen Besuch vorbei, sonst gebe es nichts Spezielles.

Ueli Maurer geht in sein Büro. Anzug, Krawatte und Schuhe hängen ordentlich im Schrank, der Bundesrat verschwindet mit den Kleidern unter dem Arm und macht sich im Dusch- und Umkleideraum frisch. Fünf Minuten später erscheint er so, wie man ihn kennt: weisses Hemd, Kittel, dunkle Hose. Galant bittet er, auf dem schwarzen Ledersofa Platz zu nehmen, der Weibel serviert Kaffee und Militär-Guetsli.

Seit gut sieben Monaten ist er nun im Bundesrat. Doch das Einarbeiten ist noch nicht abgeschlossen: «Immer wieder bringen mir Mitarbeiter stapelweise Papiere, die ich nicht kenne», sagt Ueli Maurer. Sein Departement umfasst 12 000 Personen, dazu kommen Rekruten und Soldaten. «Langsam sprechen wir alle die gleiche Sprache. Aber es gibt noch zu viele Einzelkämpfer und Gärtli», kritisiert er.

Diese Zäune wolle er niederreissen, die Leute dazu motivieren, sich offen, ehrlich, transparent und mit Leidenschaft für die Armee einzusetzen. «Als Chef muss man unkompliziert sein – und mit einer Prise Humor ans Werk gehen.»Stolz ist Ueli Maurer auf die weltbesten Köche,Musikanten, Fallschirmspringer und Piloten der Schweizer Armee. Sorgen bereiten ihm die verschiedenen EDV-Systeme, die kaum kompatibel sind und teilweise nicht funktionieren. «Das kostet uns Hunderte von Millionen.»

Am Mittag gönnt er sich ab und zu eine Auszeit. Auf dem Bundesplatz mischt sich Ueli Maurer dann unters Volk. «Die Reaktionen sind durchwegs positiv. Viele wollen mit mir ein Föteli machen.» Er ist ein Bundesrat zum Anfassen – und eine Attraktion für Touristen. «Die staunen jeweils nicht schlecht, dass sich in der Schweiz ein Mitglied der Regierung einfach so frei in der Öffentlichkeit bewegen kann.»

Eine andere Gewohnheit von früher ist für ihn schwer beizubehalten – dem naturverbundenen Minister fehlt die Nähe zur Landwirtschaft: «Mal wieder mit einem Bauern sprechen, schauen, was er so macht. Wies den Kartoffeln und den Zuckerrüben auf dem Feld geht.» Ueli Maurer fiel es vor allem im Frühling schwer, hinter dem Schreibtisch zu sitzen, während draussen die Natur erwachte. «Demnächst gehe ich an eine Viehschau», verrät er. Da wird er seiner Leidenschaft, mit Bauern zu fachsimpeln, wieder mal nachgehen können.

Der Tag ist noch lang, viel Arbeit wartet auf den Bundesrat. Belohnt wird Ueli Maurer für sein Stillsitzen abends – wenn er das Bundeshaus verlässt und seinen Heimweg antritt. Mit einer Velotour.

am 15. August 2009 - 20:20 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 18:42 Uhr