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Der ganz normale Wahnsinn

Danke, Emma Watson!

Die «Harry-Potter»-Schauspielerin hielt vergangenen Sonntag vor den Vereinten Nationen eine beeindruckende Rede über Feminismus. Ihr wichtigster Punkt: Es geht nicht um einen Kampf zwischen den Geschlechtern, sondern um Gleichberechtigung. Und die geht auch Männer etwas an. Familienbloggerin Sandra C. zieht den Hut vor Emma, und hofft, deren Einsatz kommt irgendwann ihren Kindern zugute.

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Sandra C. ist begeistert von Emma Watsons Rede über Feminismus.

schweizer-illustrierte.ch

«Feminismus ist unpopulär geworden», sagt Emma Watson in ihrer Rede zur UN-Gleichstellungs-Kampagne «He for She». «Feministinnen gelten als aggressiv, ja, unattraktiv. Der Kampf für Frauenrechte wird oft gleichgesetzt mit Männerhass.» Dabei sei Feminismus die Überzeugung, dass Frauen und Männer gleiche Rechte und Chancen haben sollten im Leben. Tatsächlich ist «Feministin» ein Schimpfwort geworden - ganz zu schweigen von «Emanze».

Ich bin mit einer Mutter aufgewachsen, die ich heute als Feministin bezeichnen würde - und das im besten Sinn des Wortes. Sie lebte mir das Bild einer Frau vor, für die die Familie und wir Kinder zwar wichtig waren, aber nicht alles im Leben. Dank ihr habe ich immer gewusst, dass man eine gute Mutter sein kann, ohne 24 Stunden am Tag für die lieben Kleinen physisch präsent zu sein. Dass man auch als Frau und Mutter Träume und Ziele haben kann, die nichts mit der Familie zu tun haben. Und dass man versuchen darf, sie zu verwirklichen. Ich habe mir als Teenager und junge Frau immer wieder mal «Vorträge» von ihr angehört, wie wichtig es ist, für Frauenrechte zu kämpfen und sich nicht einschränken zu lassen. Ehrlich gesagt, habe ich damals nicht so recht verstanden, was sie mir sagen wollte. Ich sah keinen Grund zu kämpfen. Weil ich ganz einfach die Erfahrung noch nicht gemacht hatte, dass für Frauen und Männer verschiedene Massstäbe gelten. Dass ich die mir über alles verhassten Handarbeitsstunden besuchen musste, während die Jungs mit Laubsägen hantieren durften, habe ich als Kind nie in Frage gestellt. Ansonsten wurde ich nie anders behandelt als Jungs - weder in der Schule noch zu Hause noch später im Job. Oder ich habs einfach nicht gemerkt.

Erst als meine Tochter zur Welt kam, dämmerte mir langsam, dass meine Mutter Recht hatte - und immer noch hat - wenn sie sagt, der Kampf um Gleichberechtigung sei nach wie vor wichtig. Plötzlich wurde ich schräg angeschaut - zuweilen gar offen angefeindet - weil ich mehr als die «üblichen» 40 bis 50 Prozent arbeitete. Das ging teilweise so weit, dass ich mich gar nicht mehr traute, zu sagen, dass ich eine 80-Prozent-Stelle hatte, sondern auf Fragen immer nur sagte, ich arbeite «Teilzeit». Und auch im Job wars nicht viel besser: Ich hatte zwar immer das Glück, flexible, grosszügige Arbeitgeber zu haben, die mir im Alltag nie das Gefühl gaben, benachteiligt zu sein. Aber rein karrieretechnisch schien mir niemand mehr gross etwas zuzutrauen. Und das galt für Männer genauso wie für Frauen - und für mich selbst. Es dauerte eine ganze Weile bis ich realisierte, dass ich selbst in die Falle getappt war, in der ich es nicht mehr für nötig hielt, für Gleichberechtigung zu kämpfen. Denn ich hatte ja alles, eine tolle Familie, einen guten Job, die Freiheit, selbst zu entscheiden. Dass für mich andere Massstäbe galten als für Männer - sowohl im Beruf als auch zu Hause - blendete ich aus.

Mit «zu Hause» meine ich, dass, während ich schräg angeschaut wurde, weil ich meine Kinder zu einem guten Teil auch von ihrem Vater betreuen liess, dieser wohl beide Erfahrungen machte: Grosse Bewunderung, weil er sich mehr als üblich um seine Kinder kümmert, und leises Kopfschütteln, weil er in seiner Karriere - für die er bis anhin mehr oder weniger gelebt hatte - für die Familie zurücksteckte. «Auch Männer sind nicht gleichberechtigt», sagt Emma Watson. «Väter werden von der Gesellschaft als weniger wichtig angesehen als Mütter.» Und die Schauspielerin spricht nochmal ein wahres Wort, wenn sie sagt: «Es gibt kein Land auf der Welt, das von sich sagen kann, es habe Gleichberechtigung erreicht.»

Auch wir nicht. Ich weiss, ich wiederhole mich, aber man kann es nicht oft genug sagen: Frauen verdienen auch in der Schweiz für den gleichen Job immer noch weniger als Männer. Der Frauenanteil in den Führungs-Etagen ist gering. Nach wie vor gibt es Leute wie «Weltwoche»-Chef Roger Köppel, die mit Sprüchen wie «Feminismus ist der Kommunismus der Frauen, die unter der Tatsache ungleich verteilter Schönheit leiden», provozieren. Das Gegenteil von Feminismus heisst Maskulinismus. Wie würden Sie denn den beschreiben, Herr Köppel? Als «Kommunismus der Männer, die unter der Tatsache ungleich verteilter Bankkonti leiden?» Und dann gibt es noch Frauen wie Irina Beller. Die findet, Feminismus sei schuld daran, »dass Männer keine echten Männer mehr sind. Dafür sind heute Frauen wie Männer.» Eben gerade nicht, Frau Beller. Laut Wikipedia ist Feminismus «eine akademische und eine politische Bewegung, die für Gleichberechtigung, Menschenwürde, die Selbstbestimmung von Frauen sowie das Ende aller Formen von Sexismus eintritt.» GleichBERECHTIGUNG, Frau Beller, heisst gleiche Rechte, und nicht, dass Frauen sich nicht mehr die Beine rasieren.

Wie sehr es auch heute noch nötig ist, auch in unseren Breitengraden, für gleiche Rechte zu kämpfen, zeigt die Tatsache, dass Watson nach ihrer Rede aufs Übelste beschimpft und bedroht wurde, auf Twitter sogar unter dem Hashtag RIPemmwatson falsche Todesnachrichten verbreitet wurden. Solange das Wort «Feminismus» derart negativ besetzt ist - sowohl in den Köpfen von Männern als auch in denen von Frauen - ist es noch ein weiter Weg zur Gleichberechtigung. Aber solange es Frauen - und auch Männer - gibt wie Emma Watson, die sich trotzdem dafür stark machen, habe ich die Hoffnung, dass meine Tochter und mein Sohn dereinst wirklich die gleichen Rechte und die gleichen Chancen haben.

am 25. September 2014 - 10:26 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 01:32 Uhr