Ich fand das damals, vor gut zehn Jahren, schon ziemlich seltsam, dass der Vater meiner Tochter und ich zusammen ein Gesuch um ihre gemeinsame elterliche Sorge einreichen mussten. Hätten wir, als unverheiratetes Paar, dies nicht getan, hätte ich automatisch das alleinige Sorgerecht für sie gehabt, obwohl er ihre Vaterschaft anerkannte. Irgendwie zeigt das, dass in unseren Köpfen noch immer so eine Art Boxring existiert: In der einen Ecke die Mutter mit den Kindern, in der anderen Ecke der Vater. Auch wenn es genauso seine Kinder sind wie ihre. Dasselbe galt bisher im Fall einer Scheidung bei verheirateten Eltern: Der Richter sprach einem Elternteil das Sorgerecht zu - in der Regel der Mutter. Ausser beide einigten sich auf die gemeinsame elterliche Sorge. Dies ändert sich nun: Ab dem 1. Juli wird das gemeinsame Sorgerecht die Regel nach einer Scheidung (unverheiratete Eltern müssen nach wie vor ein Gesuch einreichen).
Warum mir das damals so schräg reinkam? Weil unsere Tochter unser gemeinsames «Produkt» ist, ein Teil von ihm, ein Teil von mir, mit meinem Blick und seinen Sommersprossen. Sie und ihr Bruder verbinden uns als Eltern ein Leben lang, egal was zwischen uns passiert. Da ist es doch einfach logisch, dass wir uns auch gemeinsam um sie und für sie sorgen. Dies sage ich, obwohl ich ein Scheidungskind bin. Oder vielleicht gerade deswegen. Heute weiss ich, dass es Situationen gibt im Leben, in denen du so verletzt bist, dass du nicht mehr «logisch» denkst. Hätte damals ein Richter - statt sie in den Boxring zu stellen und sich um mein Sorgerecht prügeln zu lassen - zu meinen Eltern gesagt: «Gemeinsames Sorgerecht! Einigt euch. Und reisst euch verdammt nochmal zusammen!», wäre mir vielleicht einiges erspart geblieben. Vielleicht aber auch nicht.
Das Dilemma ist ja: Wenn du als Paar mal soweit bist, dass du dich um jeden Scheiss streitest, ist es fraglich, ob das besser wird, wenn du jede Entscheidung für das Kind zusammen treffen musst. Die Wahrscheinlichkeit, dass man in so ziemlich allem gegensätzlicher Meinung ist, ist relativ gross. Trotzdem finde ich, es ist der einzige richtige Weg, die Eltern zu «zwingen» sich gemeinsam über alle Fragen, die ihr Kind betreffen, Gedanken zu machen. Egal, ob sie sich noch ausstehen können oder nicht. Und beim Erhalt der Scheidungspapiere sollte jeder Elternteil einen Brief mitgeliefert bekommen, in dem dick und fett steht: «Gemeinsames Sorgerecht! Einigt euch. Und reisst euch verdammt nochmal zusammen.» Vielleicht noch zusätzlich: «Eure Kinder können nichts dafür, dass ihr keinen Bock mehr aufeinander habt!» Gut finde ich die geteilte Sorge auch aus folgendem Grund: Es wird geschätzt, dass 30 bis 60 Prozent der Scheidungskinder zwei Jahre nach der Trennung keinen Kontakt mehr zum Vater haben, wenn die alleinige elterliche Sorge bei der Mutter liegt. Wenn die Väter nach einer Trennung mehr mitzureden haben, interessieren sie sich vielleicht auch mehr für ihre Kinder.
Überhaupt wäre ich dafür, dass man nicht nur ein gemeinsames Sorgerecht, sondern auch eine gemeinsame Sorgepflicht einführt. Ich bin ja grundsätzlich gar nicht der Meinung, dass Väter schlechter sind als Mütter (und muss auch sagen, dass ich in dieser Hinsicht das ganz grosse Los gezogen habe), aber ich habe es schon bei so vielen Freundinnen mitbekommen: Der Ex lässt die mit dem Kind geplanten Ferien sausen, weil er sie lieber mit seiner Neuen verbringt. Und die Mutter verschiebt ihre geplante Wellness-Woche, selbstverständlich, wenn es ihm ein andermal besser in den Kram passt. Und selbstverständlich sagt sie dem Kind dann nicht: «Dein Vater ist ein Arschloch, der seine Zeit lieber mit irgend einer Tussi verbringt als mit dir.» Nein, sie versucht ihn irgendwie zu entschuldigen, damit das Kind nicht ganz so enttäuscht ist. Was im Übrigen völlig ok ist.
Das Problem ist wohl, dass sich viele dieser Väter schon vorher viel weniger um ihren Nachwuchs gekümmert haben als die Mütter - wie das immer noch bei den meisten Familien der Fall ist. Auch wenn diesbezüglich in den letzten Jahren ein grosser Wandel stattgefunden hat und Väter heute eher schräg angeschaut werden, wenn sie nicht Windeln wechseln können oder wollen. Aber wer bleibt eher zu Hause, wenn das Kind berufstätiger Eltern mal krank ist? Wer hat Stundenplan, Fussballtraining und Tanzstunden im Griff? Wer organisiert Geburtstagspartys? Fast immer die Mutter. Ich bin deshalb dafür, dass beide Eltern die Pflicht haben, sich um ihre Kinder zu kümmern. Egal, ob sie als Paar noch zusammen sind oder nicht. Also, liebe Väter, geht doch auch mal zu einem Elternabend oder packt eine Turntasche - so schwierig ist das nicht. Und liebe Mütter: Ihr müsst euch keine Sorgen um diesen einen verpassten Elternabend machen, und auch nicht nachkontrollieren, ob die richtigen Turnschuhe in der Tasche sind. Väter können das nämlich genauso gut wie Mütter. Wenn man sie nur lässt.