Lieber Sascha Ruefer
Sie haben an der WM einen Superjob gemacht, bravo. Ohne Ihre Kommentare wäre Fussball wie Stummfilm, wie ein Thriller ohne Musik. Mit Ihrem angenehmen Dialekt haben Sie bei der kurzen Flitzer-Aktion der Pussy Riots mitten im Finalspiel gesagt: «Die vier, die hier aufs Spielfeld gerannt sind, werden ab Montag irgendwo in Sibirien Steine klopfen, für ganz lange Zeit.» Hätte ich auch gedacht, spontan.
Ihre Bemerkung war nicht falsch, sie war eine gute Metapher
Politisch Korrekte finden so etwas natürlich «unterirdisch, ignorant, erschreckend » (Gabriela Suter, Präsidentin SP Aargau). Sie mussten sich öffentlich entschuldigen. So wie das heute leider üblich ist, wenn ein TV-Moderator einen träfen Spruch rauslässt. Sogar wenn er nicht mal falsch ist: Ihre Bemerkung war eine gute Metapher für das, was in Russland immer noch mit Oppositionellen geschieht.
In Russland galt das Motto: «Seid nett miteinan der, nicht genau hingucken.»
Zwar müssen sie nicht mehr Steine klopfen, aber in Sibirien sitzen noch viele Regimegegner, und Regisseur Oleg Sentsow hungert seit 63 Tagen im Gefängnis, um die Freilassung von 70 ukrainischen politischen Gefangenen zu erwirken. Kein Thema während der WM. Bei Russen und Besuchern galt das Motto: «Seid nett miteinan der, nicht genau hingucken.» Was nicht wenige bedauerten.
Angeblich sagte der verhörende Polizist zu den Pussy-Riot-Aktivisten: «Manchmal bedaure ich es, dass wir nicht mehr 1937 haben.» Damals, unter Stalins grossem Terror, wurden Aufmüpfige kurzerhand abgeknallt. Heute kommen die Flitzerinnen mit einer Geldbusse und ein paar Tagen Knast weg. So ändern sich die Zeiten: Russland wird – sehr langsam – etwas freier, aber bei uns muss man immer mehr aufpassen, was man sagt.
Mit freundlichen Grüssen
Peter Rothenbühler