Lieber Sergio Marchionne
Ihr Vater war Maresciallo (Unteroffizier) bei den Carabinieri, Ihr letzter Auftritt war die Übergabe des neuen Jeep-Modells an die Carabinieri. Jetzt sind Sie im Unispital Zürich 66-jährig gestorben und alle rätseln, was schiefgegangen ist. Dabei stand längst in den italienischen Zeitungen, dass sich die Krankheit schnell verbreitet hat, die bei starken Zigarettenrauchern das nahe Ende bedeutet.
Sie waren nonkonform, knallhart im Verhandeln, aber äusserst menschlich im Umgang. Dank Ihnen gehört Italien noch zu den sechs grossen Automobilherstellern. Heute ist Fiat Chrysler und Ferrari zehnmal mehr wert als vor vierzehn Jahren, als Umberto Agnelli auf seinem Totenbett bestimmte, dass Sie Fiat-Boss werden. Sie krempelten alles um: Weil Sie Philosophie studiert haben («Damit wirst du als Glaceverkäufer enden», sagte der Vater), hielten Sie sich mal an Voltaire, mal an Machiavelli.
Sich selbst haben Sie nie geschont: kein Tag Ferien.
«Der Verrückte» nannte man Sie in Turin. Sie haben die Fabriken erneuert, 2007 den Cinquecento lanciert, die bankrotte Chrysler übernommen und herausgeputzt. Ihr erstes Ziel war immer, Arbeitsplätze in Italien zu erhalten. Sich selbst haben Sie nie geschont: kein Tag Ferien. Wenns zu viel wurde, drehten Sie mit einem Ferrari ein paar Runden oder rasten zur Familie in die Westschweiz.
Man wird Sie als den netten Mann mit dem runden Gesicht und dem ewig gleichen schwarzen Pulli in Erinnerung behalten. In Italien haben Sie heute den Status eines Heiligen, der Wunder vollbrachte. Eine schöne Revanche für den Sohn einer italienischen Witwe, die nach dem Tod ihres Mannes nach Kanada auswandern musste.
Mit freundlichen Grüssen
Peter Rothenbühler