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SI Stammtisch in Einsiedeln

«Die Linken sollen geschäften»

Haben Unternehmen genug Freiraum? Wie funktioniert eine gelungene Nachfolgeregelung im KMU? Drohen neue Steuern wegen mehr Armeeausgaben? Lebhafte Diskussionen am Stammtisch im Kanton Schwyz.

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Stammtisch Einsiedeln / Armin Landerer, Karin Schwiter, Andreas Föhn, Peter Föhn, Hildegard Zobrist

Eindrückliche Kulisse: Vor dem Kloster Einsiedeln trifft sich die Schwyzer Stammtischrunde mit Armin Landerer, Karin Schwiter, Andreas Föhn, Hildegard Zobrist und Peter Föhn (v. l.).

Kurt Reichenbach

Man sagt sich Du, diskutiert knallhart, geht danach «wieder gemeinsam zum Bier». So beschreibt alt Ständerat Peter Föhn, 69, die politischen Sitten im Kanton Schwyz. 24 Jahre lang politisierte der ehemalige Lehrer und Rektor für die SVP im nationalen Parlament. Seit 2002 ist er Unternehmer und Besitzer der MAB Möbel AG in Muotathal. Sein Sohn Andreas, 35, leitet die Firma mit Bruder und Schwester, der Vater ist VR-Präsident. Am Stammtisch kreuzen die beiden die Klingen mit der Schwyzer SP-Präsidentin Karin Schwiter, 44, Assistenzprofessorin für Arbeitsgeografie an der Universität Zürich. Armin Landerer, 60, vertritt die Stiftung DEAR Foundation-Solidarité Suisse. Hildegard Zobrist, 65, Inhaberin einer Kosmetikschule und Oberstleutnant a. D., nimmt als Leserin der Schweizer Illustrierten teil. Moderiert wird der 19. Stammtisch von Monique Ryser.

Willkommen am SI Stammtisch

Der SI Stammtisch ist eine publizistische Initiative der Schweizer Illustrierten und Illustré in Zusammenarbeit mit DEAR Foundation-Solidarité Suisse und UBS Schweiz.

Monique Ryser: Krieg in der Ukraine, unterbrochene Lieferketten aus Asien wegen Corona, Mangel an Rohstoffen: Können Sie überhaupt noch Möbel herstellen und Kunden beliefern?
Andreas Föhn: Die Lieferketten funktionieren im Grossen und Ganzen. Wir verarbeiten fast ausschliesslich zertifiziertes Schweizer Holz und haben meist Schweizer Lieferanten. Das Problem sind unkontrollierte Preissteigerungen einzelner Lieferanten. Das begann schon vor Corona, wird aber häufig mit der Covid-Krise begründet. Oft ist das nicht nachvollziehbar. Aber es ist Tatsache, und notgedrungen mussten auch wir die Preise um sieben Prozent anheben.

Peter Föhn: Seien wir ehrlich: Der Mangel an Chips oder stockende Lieferungen werden auch ausgenutzt, um höhere Preise durchzusetzen.

Höhere Preise, Inflation – dann muss es auch höhere Löhne geben?
Hildegard Zobrist: Das Geld muss zuerst verdient werden!

A. Föhn: Generelle Lohnerhöhungen sind in der heutigen Krisensituation nicht möglich. Wir erhöhen die Löhne nach Leistung.

Stammtisch Einsiedeln / Armin Landerer, Karin Schwiter, Andreas Föhn, Peter Föhn, Hildegard Zobrist

Der Stammtisch im Zunfthaus Bären in Einsiedeln (v. l.): Armin Landerer, Peter Föhn, Karin Schwiter, Andreas Föhn, Monique Ryser und Hildegard Zobrist.

Kurt Reichenbach

Ihre Firma wurde 2019 der nächsten Generation übergeben, viele KMU finden keine Nachfolge. Wieso hat das bei Ihnen geklappt?
P. Föhn: Die Firma hatte vor rund 30 Jahren Nachfolgeprobleme. Damals war ich neu im Nationalrat und wollte die Arbeitsplätze retten. Bereits vor dem Kauf fragte ich meine Kinder, ob sie dereinst übernehmen würden – ich war damals schon 50. Es war von Anfang an ein Familienprojekt. Wir hatten harte Zeiten, heute stehen wir gut da und sind schweizweit die einzige Firma, die in dieser Art überlebt hat.

Armin Landerer: Dass euch das gelungen ist, ist eine Leistung. Ich war früher Banker, und ich sah viele KMUs, die keine Nachfolge fanden. Das ist sehr bedauernswert und volkswirtschaftlich schädlich.

P. Föhn: Ja, da regen mich halt auch die Linken auf. Jeden Tag kann man Firmen übernehmen. Sollen doch die Linken das tun und genauso geschäften, wie sie es in der Politik vertreten. Arbeitsplätze retten statt nur reden. Als Firmeninhaber bezahlten wir meiner Frau nur einen kleinen Lohn.

Karin Schwiter: Nur deiner Frau oder dir auch?

P. Föhn: Mir selber habe ich nie Lohn ausbezahlt. Ich hatte ein schönes Salär als National- und Ständerat. Unsere Familie hat viel investiert, heute sind wir ein Betrieb mit fairen Löhnen und flexiblen Arbeitszeiten.

Schwiter: Das freut mich zu hören. Flexible Arbeitszeiten sind super wichtig für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf – nicht nur für Frauen, auch für Männer.

A. Föhn: Die jüngeren Arbeitnehmenden fordern das ein. 80-, 90-Prozent-Pensen sind heute normal. Bei uns auf dem Land schon länger, da viele noch einen Hof bewirtschaften.

P. Föhn: Als Arbeitgeber muss man flexibel sein, die vielen Regulierungen sind ungesund. Ein Beispiel: Mehrere Angestellte wollten bereits ab fünf Uhr morgens mit Arbeiten beginnen. Nur: Die Arbeitszeit beginnt nach Gesetz um sechs Uhr! Es gab sehr viel administrativen Aufwand, um diesem Wunsch gerecht zu werden. Zuerst wurde die MAB Möbel AG sogar bestraft.

Schwiter: Es mag Einzelfälle geben, in denen solche Vereinbarungen sinnvoll sind. Nur sind Arbeitgebende in einer stärkeren Position als Arbeitnehmende. Deshalb ist es richtig, dass das Arbeitsgesetz Letztere schützt. Sonst müssten die Leute am Ende morgens um drei schon mit der Arbeit beginnen.

Landerer: Wenn sich beide Parteien einigen und das sogar schriftlich festlegen, dann sollte die Politik nicht dazwischengehen und solche Lösungen ermöglichen.

Schwiter: Wenn die linke Arbeitendenbewegung nicht gekämpft hätte, hätten wir weder die 42-Stunden-Woche noch Ferien, Sozialleistungen noch die AHV. Es gibt bereits heute viele Ausnahmen – die Schweiz hat eines der laschesten Arbeitsgesetze überhaupt. Das Einverständnis der Arbeitnehmenden ist eben nicht so freiwillig: Angestellte, die Angst haben, ihre Jobs zu verlieren, müssen zu allem Ja sagen.

Zobrist: Mich stören diese Sturheit und das Misstrauen. Ich habe auch Angestellte, als Arbeitgeber muss man viele Bedingungen erfüllen, um noch attraktiv zu sein. Der Papitag oder 50-Prozent-Homeoffice sind Beispiele. Ich wollte Frauen für höhere Pensen motivieren, damit sie auch eine 2. Säule aufbauen können. Aber oft ist der Wille nicht da. Es ist manchmal schon deprimierend, wenn die Arbeit an zweiter Stelle steht und einem noch mit der Gewerkschaft gedroht wird.

Schwiter: In der Schweiz arbeiten viele Frauen mit tiefen Pensen. Grund dafür sind fehlende Strukturen für die Kinderbetreuung. Im Kanton Schwyz hat das Kantonsparlament vor wenigen Tagen beschlossen, dass jede Gemeinde ein Angebot aufbauen und mitfinanzieren muss. Das freut mich sehr, und das wird Wirkung zeigen.

P. Föhn: Wir müssen klar sehen: Teilzeit und Homeoffice werden von höher Qualifizierten verlangt. Der normale Arbeiter will 100 Prozent arbeiten, weil er darauf angewiesen ist.

Schwiter: Und was ist mit normalen Arbeitenden, die Kinder oder Angehörige betreuen? Deshalb ist das Arbeitsgesetz wichtig, damit auch sie geschützt sind.

Stammtisch Einsiedeln / Armin Landerer, Peter Föhn

Unternehmer und Politiker Peter Föhn (r.) und Armin Landerer von DEAR Foundation-Solidarité Suisse.

Kurt Reichenbach

Wie haben Sie die Covid-Zeit erlebt?
A. Föhn: Es war schwierig, aber als die Läden wieder öffnen konnten, liefen die Verkäufe gut.

Zobrist: In der Kosmetikschule sehe ich, dass die Kosmetikerinnen noch zuwarten mit Weiterbildung, sie wollen zuerst wieder richtig arbeiten.

Schwiter: Untersuchungen zeigten, dass vor allem Frauen zwischen alle Maschen gefallen sind: Oft haben sie kleine Geschäfte mit wenig Umsatz, arbeiten in kleinen Pensen neben der Betreuungsarbeit. In einer nächsten Krise müssen wir die Bedürfnisse von Klein- und Kleinstunternehmen bei den Wirtschaftshilfen besser berücksichtigen.

Hat sich die Armut wegen der Krise vergrössert? Caritas-Läden und Essensabgabestellen haben Hochbetrieb.
Landerer: Unsere Stiftung DEAR Foundation-Solidarité Suisse leistet in vielen verschiedenen Bereichen finanzielle Unterstützung. Die Armut in der Schweiz sieht man häufig nicht. Viele Betroffene bitten aus Scham nicht um Hilfe, sondern kämpfen sich durch.

Schwiter: Armut ist in den Städten besser sichtbar, es ist anonymer, hat mehr Angebote. Alleinerziehende, ältere Frauen und Personen mit Migrationserfahrungen sind verstärkt betroffen.

P. Föhn: Bei den Ausländern sind es oft abgewiesene Asylbewerber. Die sind illegal hier und sollten die Schweiz verlassen.

Schwiter: Wir können sie doch nicht verhungern lassen.

P. Föhn: Nein, verhungern soll niemand, aber Gesetze müssen eingehalten werden.

Stammtisch Einsiedeln / Hildegard Zobrist, Oberstleutnant aD

Hildegard Zobrist setzt ihre Unterschrift auf das Tischtuch, auf dem alle Beteiligten der SI-Stammtische verewigt sind.

Kurt Reichenbach

Der Nationalrat hat soeben das Armeebudget um zwei Milliarden erhöht. Braucht es das?
Zobrist: Unbedingt. Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie wichtig eine gut ausgerüstete Armee ist. In den letzten Jahren haben wir sie kaputtgespart.

P. Föhn: Wir können uns das leisten, es wird keine Steuererhöhungen geben. Und sonst können wir andernorts sparen – beim Asylwesen, in der Bildung, bei der Hilfe ans Ausland. Da ist Spielraum vorhanden.

Tiefe Steuern sind attraktiv

Katharina Hofer und Claudio Saputelli UBS
ZVG

Die flexible Finanzpolitik, wenig Verschuldung und tiefe Steuern machen den Kanton Schwyz zum Magneten für innovative Unternehmen – und einkommensstarke Beschäftigte.

Der Kanton Schwyz zeichnet sich durch ein hohes langfristiges Wachstumspotenzial aus. Dank seiner Tiefsteuerpolitik bietet er ein attraktives Kostenumfeld für Unternehmen und wirkt gleichzeitig als Magnet für einkommensstarke Beschäftigte. Hohe Steuereinnahmen ermöglichen dem Urkanton eine tiefe Verschuldung und somit eine flexible Finanzpolitik. Hinsichtlich der Steuern sticht besonders die Region March hervor. Mit ihrer Lage am Südufer des Zürichsees verfügt sie zudem über einen schnellen Zugang zur Infrastruktur und zum grossen Einzugsgebiet der angrenzenden Metropole. Dadurch profiliert sich die Region erfolgreich als ansprechendes Umfeld für innovative Unternehmen. Die beiden weiter abgelegenen Regionen Einsiedeln und Innerschwyz sind im landesweiten Vergleich zwar auch relativ stark aufgestellt, können aber in Sachen Branchenstruktur und Innovation mit ihrem kantonalen Primus nicht gleichermassen mithalten. Durch gezielte Förderung könnten ihre wirtschaftlichen Aussichten allerdings weiter gestärkt werden.

Die Ökonomen Katharina Hofer und Claudio Saputelli sind die Autoren des UBS-Wettbewerbsindikators.

Monique Ryser
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Von Monique Ryser am 24. Mai 2022 - 12:00 Uhr