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  4. Coronavirus: Übertragungsrisiko in der Familie mindern

Coronavirus zu Hause

Auch in der Familie kann man eine Ansteckung umgehen

Fast jeder Dritte Covid19-Erkrankte hat sich in der Familie mit dem Coronavirus angesteckt — sagt die Statistik. Lässt sich das Übertragungsrisiko in den eigenen vier Wänden überhaupt kontrollieren? Wir haben den Infektiologen Philipp Jent vom Berner Inselspital gefragt. Er ist selbst Familienvater und am Coronavirus erkrankt.

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Kuss durch Scheibe

Risikogruppen gilt es zu schützen. Auch wer gefühlt nur an einer Erkältung leidet, sollte auf Kontakt zu den Grosseltern verzichten.

Getty Images/Cavan Images RF

Philipp Jent, gibt es aus infektiologischer Sicht eine Erklärung dafür, wieso man sich in der Familie so viel häufiger mit dem Coronavirus ansteckt als am Arbeitsplatz oder im Ausgang?
Familien leben in einer Wohnung relativ nah zusammen, womit Ansteckungen über alle bekannten Übertragungswege möglich sind. Der Hauptübertragungsweg ist die Tröpfcheninfektion, das heisst, die Übertragung findet über beim Husten, Sprechen oder sogar nur Atmen herausgeschleuderte Tröpfchen statt. Viren können auch auf Oberflächen gelangen und dann über die Hände ins Gesicht geschleppt werden, dazu braucht es aber schon mehr, denn die Hand hat ein saures Milieu, was für behüllte Viren nicht ideal ist. Wenn eine grosse Menge Viren in der Luft ist, zum Beispiel in schlecht gelüfteten Räumen oder wenn viele Leute in einem Raum sind, scheint auch eine Übertragung über sehr kleine Tropfen – sogenannte Aerosole, die lange in der Luft schweben – möglich. In der Familie kommen alle drei Übertragungswege zusammen. Dennoch sind die hohen innerfamiliären Ansteckungswerte in der Statistik differenziert zu betrachten. 

«Der häufigste Ansteckungsort ist Man-weiss-es-nicht.»

Infektiologe Philipp Jent vom Berner Inselspital

Stimmen die Zahlen denn nicht?
Die Daten sagen auf den ersten Blick, die Familie sei mit Abstand der häufigste Ansteckungsort. Das stimmt so nicht ganz: Der häufigste Ansteckungsort ist Man-weiss-es-nicht. Viele Ansteckungen lassen sich nicht zurückverfolgen. Wenn man sich in einem Laden oder in einer Menschenmenge mit dem Virus infiziert hat, weiss man das ja nicht mehr, wenn jemand in der Familie erkrankt ist aber schon. Dies führt zu einer Verfälschung der Statistik hin zur Familie. Wie stark diese Verfälschung ist, kann jedoch niemand sagen.  
 
Ist es denn in einem Haushalt überhaupt möglich, ein Virus nicht weiterzugeben?
Klar. In Studien, wo man geschaut hat, wie viele der Haushaltskontakte respektive Familienmitglieder ein bestätigter Coronafall infiziert, waren dies in der Regel zwischen 15 bis 30 Prozent. 

«Sobald ich das positive Testresultat in der Hand hielt, habe ich mich während zehn Tagen grösstenteils nur noch im Gästezimmer aufgehalten.»

Infektiologe Philipp Jent

Sie sind selbst am Coronavirus erkrankt. Haben Sie Ihre Familie angesteckt?
Nein, wie es scheint glücklicherweise nicht, obwohl ich zu Beginn erst einmal davon ausging, nur an Heuschnupfen zu leiden.  
 
Wie haben Sie sich verhalten, als Sie erfuhren, dass es nicht nur Heuschnupfen ist?
Als der erste Verdacht aufkam, habe ich einen Test gemacht. Sobald ich das positive Testresultat in der Hand hielt, habe ich mich während zehn Tagen grösstenteils nur noch im Gästezimmer aufgehalten. Ich habe auch auf eine sehr gute Handhygiene geachtet. Die Isolation in einer Wohnung funktioniert unter Erwachsenen oder mit grösseren Kindern recht gut. Kleineren Kindern zu erklären, wieso ein Elternteil in einem Zimmer abgeschottet lebt, gestaltet sich aber natürlich schwieriger. Entsprechend haben sich die Kinder nicht immer an die Separierung gehalten.

«Ausserhalb eines Spitals ist eine gute Händehygiene einfacher und effizienter als der Versuch, seine Umwelt zu desinfizieren. »

Infektiologe Philipp Jent

Welches ist für Sie die wichtigste Massnahme innerhalb einer Familie?
Ich finde, jeder sollte seine Verantwortung im Schutz der Risikogruppen wahrnehmen. Auch wenn man nur eine Erkältung hat, sollte man im Moment aufs Abmachen mit den Grosseltern einfach verzichten. Ein Zusammentreffen mit Grosseltern kann auch etwas distanzierter als gewohnt erfolgen, zum Beispiel im Garten, und man kann auch mal eine Maske tragen. Im Allgemeinen sind Maskentragen in Menschenansammlungen wie Läden und regelmässiges Händewaschen hilfreich gegen die Übertragung des Coronavirus.
 
Wie oft waschen Sie Ihre Hände?
Immer, wenn ich von draussen nach Hause komme und immer vor dem Essen und nach dem Toilettengang. Allgemein versuche ich, etwas häufiger als gewohnt die Hände zu waschen.
 
Nutzen Sie auch Desinfektionsmittel?
Privat nicht. Das Virus ist sehr empfindlich auf Seife, sowohl Händewaschen mit Seife wie auch Händedesinfektion deaktivieren das Virus rasch, da es behüllt ist. Natürlich könnte man versuchen, alle Oberflächen im Haushalt immer zu desinfizieren, aber das ist schlicht nicht vollständig möglich – es gibt tausende Oberflächen die man in einem Tag berührt. Ausserhalb eines Spitals ist deshalb eine gute Händehygiene einfacher und effizienter als der Versuch, seine Umwelt zu desinfizieren.

Infektiologe Philipp Jent im Portrait

Philipp Jent ist als Oberarzt in der Universitätsklinik für Infektiologie des Berner Inselspitals tätig.

ZVG
Sylvie Kempa
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Von Sylvie Kempa am 19. August 2020 - 07:09 Uhr