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  4. Tipps für mehr Vereinbarkeit: Margrit Stamm rät zu mehr Autonomie für Väter

«Killer-Faktoren für seine Motivation»

Frauen, behandelt eure Männer nicht wie Praktikanten

Sie verdienen das meiste Geld, kümmern sich um Versicherungen, halten das Auto im Schuss oder bringen die Kinder ins Bett – und werden trotzdem mit Vorwürfen eingedeckt. «Das sind Motivations-Killer für Männer!», sagt eine Professorin für Erziehungswissenschaften und gibt Tipps für Paare mit Kindern und Karrieren.

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vater gibt baby den schoppen

Papa weiss selber genau so gut, wie es geht: Ein Vater gibt seinem Baby den Schoppen.

Getty Images

Kürzlich nach dem Schwimmunterricht, der neu so spät am Abend stattfindet, dass die Kinder danach gleich direkt ins Bett gehen können, hatte eine Mutter eine Idee. Sie steckte ihren Sohn noch gleich in der Garderobe beim Umziehen in den Pyjama. «Ein Testlauf, damit ich dem Papa nachher Anweisungen geben kann, wie er es zukünftig machen muss, wenn er dich das nächste Mal vom Schwimmen abholt.»

Anweisungen für den Vater, wie er seinem Buben den Pyjama anziehen soll? Da klingeln bei mir gleich die Alarmglocken – und ich denke an die Worte der Erziehungs- und Bildungswissenschafterin Margrit Stamm, die vergangene Woche in der SRF3-Talksendung Focus zu hören war.

Schulmeistern demotiviert

Wie intensiv sich ein Mann zu Hause engagiert, hängt nämlich stark von seiner Partnerin ab, wie Margrit Stamm sagt. «Darauf, wie sehr sie ihm ihr Vertrauen schenkt und ihm die Autonomie gibt, dass er es so machen darf, wie er will.» Instruiert sie ihn fortlaufend, welche Temperatur der Brei haben muss, wie man die Wäsche aufzuhängen hat – oder eben dem Sohn nach dem Schwimmunterricht den Pyjama anziehen muss –, fühlt er sich zum Praktikanten oder Junior-Partner degradiert, der nur Befehle entgegen nehmen darf. «Das sind Killer-Faktoren für seine Motivation», sagt Stamm. «Ein Vater, der es seiner Frau nie recht machen kann, sagt sich eher: Da bleibe ich lieber länger im Büro.» Und muss sich dann vielleicht den Vorwurf gefallen lassen, er würde zu wenig tun für die Familie.

Auch Geld verdienen ist Fürsorge

Dabei leisten auch Väter, die viel oder sogar hundert Prozent ausser Haus arbeiten, vieles für die Familie. In den USA gilt auch Geld verdienen als Fürsorgeleistung, die Steuererklärung machen, das Auto in den Service bringen, Versicherungen abschliessen. Häufig Dinge, die Männer erledigen.

Margrit Stamm und ihr Team haben 300 Väter aufschreiben lassen, was sie wann in der Woche machen. Es habe sich gezeigt: Viele von ihnen erledigen eher Sachen, die sporadisch anstehen. Die aber eben auch wichtig sind für die Familie. «Es ist falsch, Männer als das faule Geschlecht zu bezeichnen und zu sagen, sie lesen daheim abends nur schnell ein <Gschichtli> vor und bringen die Kinder ins Bett», sagt die Wissenschafterin. «Man darf die Väter nicht nur an ihrer Präsenz messen.»

Vater trägt kleine Tochter im Wäschekorb

Papa machts auf seine Weise – Hauptsache, die Wäsche ist am Abend sauber und verräumt. Und das Kind glücklich.

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Arbeitsteilung dem Alltag anpassen

Das Phänomen, dass offenbar viele Frauen nicht loslassen können, untersucht Margrit Stamm für ihr nächstes Buch. «Obwohl Frauen dank der Emanzipation heute beruflich alles offen steht, ist das Mutterbild sehr traditionell geblieben», sagt sie. Damit einher gingen Burn-out-Probleme, weil sich Mütter für alles verantwortlich fühlten. «Viele von ihnen schauen diese Mechanismen nicht selbstkritisch an.»

Ein Patentrezept für Paare mit Kindern hat die Wissenschaftlerin nicht. «Jedes Paar muss selbst herausfinden, was für seine momentane Lebenssituation die beste Variante ist.» Bei manchen Frauen sei der Kinderwunsch so gross, dass sie Vollzeit bei den Kindern bleiben wollen. «Sie sollten sich genau überlegen, was das für Konsequenzen hat», rät die Expertin. «In der heutigen Zeit, da so viele Ehen geschieden werden, kann es gefährlich sein, keinen Plan B zu haben.»

Zukunft nicht vergessen

Doch das egalitäre Modell, bei dem sich Mutter und Vater Haushalt und Geld verdienen gleichwertig teilen, sei häufig auch nicht so einfach umzusetzen. Zum Beispiel, wenn jemand viel mehr verdient oder in einer Weiterbildung steckt. «Paare sollten sich so einrichten, dass beide zufrieden sind, aber auch einen längerfristigen Plan machen», empfiehlt Margrit Stamm im Interview. «Dafür müssen sich auch die Männer bewegen.»

Vor allem jene, die von ihren Frauen das Vertrauen haben, dass sie es mit Haushalt und Kindern und Pyjamas genau so gut machen, wie sie selbst.

 

Den Beitrag unserer Familienbloggerin Sandra C. zu diesem Thema könnt ihr hier lesen.

Das ganze Interview von SRF3-Moderatorin Anita Richner mit Margrit Stamm hört ihr hier. Sie sprechen unter anderem über Erziehungsprinzipien, Arbeiter- und Akademikerkinder in unserem Bildungssystem, den Vergleichsdruck zwischen den Familien und darüber, dass wir unseren Kindern mehr Verantwortung übergeben sollten.

Von am 24. September 2019 - 15:46 Uhr