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Tipps vom Experten

«Hausaufgaben soll das Kind unbedingt selber lösen»

Hausaufgaben sorgen in vielen Familien regelmässig für viel Ärger. Machen sie überhaupt Sinn? Wir haben beim Experten nachgefragt und zeigen euch, wie ihr euer Kind dabei wirklich unterstützen könnt.

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Hausaufgaben Kind

Alte Faustregel: Zehn Minuten Hausaufgaben pro Klassenstufe und Tag reichen, also 30 Minuten in der dritten Klasse.

Getty Images

Herr Keller, der Sinn von Hausaufgaben ist umstritten. Was sagt der aktuelle Forschungsstand?
Es ist tatsächlich so: Viele Studien zeigen keine oder wenig Wirkung auf die schulischen Leistungen. Grundsätzlich lässt sich dabei folgendes festhalten: Je mehr Hausaufgaben die Lehrpersonen gibt, desto geringer ist die Motivation bei den Schülerinnen und Schülern.

Also wäre es am Besten, man würde die Hausaufgaben ganz abschaffen?
Wer das probiert, kann sich ganz schön in die Nesseln setzen. Hausaufgaben gehören zur Schule wie die rote Kirsche zum Toast Hawaii. Nimmt man sie weg, sorgt dies für Proteste.

Im Kanton Schwyz haben sie vor ein paar Jahren das Experiment Schule ohne Hausaufgaben probiert.
Und haben das Experiment sehr bald wieder abgebrochen. Das Projekt wurde weder von Lehrpersonen noch von Schülern und Eltern unterstützt. Hausaufgaben sind gerade für Eltern auch ein Schaufenster zur Schule.

«Wichtig ist: Hat das Kind bei den Hausaufgaben etwas gelernt? Und nicht: Hat es sie einfach erledigt?»

Also doch die Hausaufgaben beibehalten.
Die Frage lautet hier: Wozu dienen Hausaufgaben? Sie sollten nicht nur zur Verlängerung der Unterrichtszeit genutzt werden. Werden Hausaufgaben in Massen zum Üben und Repetieren eingesetzt, kann das sinnvoll sein.

Martin Keller Dozent und Weiterbildner PHZ

Martin Keller, 63, ist Dozent und Weiterbildner an der Pädagogischen Hochschule Zürich.

ZVG

Welche Hausaufgaben erachten Sie als sinnvoll?
Wir sollten wegkommen von Hausaufgaben als einem Kontrollinstrument. Wichtig ist: Hat das Kind bei den Hausaufgaben etwas gelernt? Und nicht: Hat es sie einfach erledigt? Den Lehrpersonen möchte ich mitgeben: Holt die Hausaufgaben zurück in die Schule! Gebt sogenannt produktive Aufgaben, die euch gleich als Start für eine neue Lektion dienen.

Haben Sie ein Beispiel dafür?
Wie lange ist dein Schulweg in Schritten oder wieviel Zeit brauchst du dafür? Oder bring von zu Hause die grösste und die kleinste Verpackungsschachtel mit.

Das wären jetzt Beispiele für das Fach Mathematik. Wie sieht es bei den Sprachfächern aus?
Bei den Kommaregeln könnte man etwa dem Kind die Aufgabe erteilen, bei den Eltern nachzufragen: Wie macht ihr das, wenn ihr eine SMS schreibt oder eine Mail an die Verwaltung? Benutzt ihr überhaupt Kommas und wenn ja, welche Kommaregeln wendet ihr an?

«Je mehr die Eltern eingreifen, desto weniger lernt das Kind aus den Hausaufgaben. Gleichzeitig sinkt so auch die Motivation bei den Schülerinnen und Schülern.»

Eltern sind ein gutes Stichwort. Welche Rolle kommt ihnen bei den Hausaufgaben zu?
Die Hausaufgaben sollte das Kind unbedingt selber lösen. Und sie sollten so gestellt werden, dass die Schülerinnen und Schüler damit nicht überfordert sind und die Aufgaben auch tatsächlich alleine machen können.

Eltern sollen sich also gar nicht um die Hausaufgaben kümmern?
Doch, aber sie sollten die Hausaufgaben nicht gemeinsam mit dem Kind oder gar für das Kind erledigen. Das bringt niemandem etwas, im Gegenteil: Je mehr die Eltern eingreifen, desto weniger lernt das Kind aus den Hausaufgaben. Gleichzeitig sinkt so auch die Motivation bei den Schülerinnen und Schülern.

Sondern?
Sie können dem Kind helfen, das Lösen der Hausaufgaben zu strukturieren. Wann machst du sie, vor oder nach dem Spielen, bevor du rausgehst oder nachher? Wie lange bleibst du dran? Es ist besser eine fixe Zeit zu setzen und darauf zu achten, wie weit das Kind kommt, als auf Biegen und Brechen alles zu erledigen. Ein fixer Arbeitsplatz, etwa in der Küche oder dem Wohnzimmer, hilft ebenfalls.

Und wenn das Kind Probleme hat bei den Hausaufgaben?
Die im Vorfeld gestellte Frage «Brauchst du etwas von mir?» signalisiert das Vertrauen in das Kind, dass es die Aufgaben alleine schafft, es aber jederzeit fragen kann. Auch hier geht es wieder um eine Coaching-Funktion. Verstehen die Eltern die Hausaufgaben ebenfalls nicht, soll das Kind sie zurück in die Schule nehmen.

Eine letzte Frage: Wie lange soll ein Kind in der Primarschule Hausaufgaben machen?
Häufig wird auf eine alte Faustregel zurückgegriffen: Zehn Minuten pro Klassenstufe und Tag reichen, also 30 Minuten in der dritten Klasse. Gut finde ich bei dieser Regel, dass nicht die Menge angegeben wird – diese 5 Rechnungen –, sondern die Zeit beschränkt ist.

 

Von Maria Ryser am 28. Oktober 2019 - 18:00 Uhr