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«Weil ich es so will!»

«Karents» – oder wie wir Kinder nicht erziehen sollten

So viele Extrawürste, wie manche Eltern für sich und ihre Familien beanspruchen, kann kein Metzger produzieren. Wir zeigen euch sieben Merkmale von besonders nervigen Müttern und Vätern, die glauben, sie hätten Anspruch auf das Beste vom Besten – ohne aber etwas dafür tun zu müssen.

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rechthaberische eltern

Wenn Eltern überhöhte Erwartungen und Ansprüche an die Umwelt haben, kann es auch für die Kinder schwierig werden.

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Wer Zeit in den sozialen Medien verbringt, wird bestimmt schon auf das Phänomen «Karen» gestossen sein. In Memes wird diese Figur meist als weisse Frau dargestellt, die meint, die Welt drehe sich nur um sie, die man einfach nie zufriedenstellen kann, die im Supermarkt einen Streit anzettelt und dann den Manager zu sprechen verlangt. 

Diese Leute gibt es natürlich auch im realen Leben, auch als Eltern. Für sie gibt es nun eine neue Bezeichnung. In einem Artikel der «Huffington Post» nennt Erziehungsbuch-Autorin Susan Groner sie «Karents» – eine Mischform aus den Wörtern «Karen» und «Parents», dem englischen Wort für Eltern. «Viele Erziehungspersonen glauben, dass sie und ihre Familien eine besondere Behandlung und Gefälligkeiten verdienen, weil sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen oder sozialen Position anderen irgendwie überlegen sind», so Groner.

«Es handelt sich um jemanden, der der Meinung ist, dass er Dinge haben oder Dinge tun sollte, ohne dafür arbeiten zu müssen», sagt auch Ehe- und Familientherapeutin Becky Stuempfig. Zusammen mit weiteren Experten entlarven die beiden Frauen sieben Merkmale dieses Eltern-Schlags. Ob wir uns da wohl wieder erkennen?

1. Unangemessene Forderungen

«Forderndes Verhalten ist ein Zeichen einer solchen Person», sagt Craig Knippenberg, klinischer Sozialarbeiter und Autor. «Sie will gleich zur Spitze und sich nicht mit den Leuten weiter unten abgeben. Sie fühlt sich anspruchsberechtigt, auch wenn es logische Argumente gegen diese Ansprüche gibt.» 

Eltern, die sich so verhalten, stellen demnach unzumutbare Forderungen und diese übertragen sie auch auf die Kinder. «Die eigene Perfektion, von der sie ausgehen, gilt auch für das Kind», so Psychotherapeut Noel McDermott. «Jegliche Kritik am Kind wird persönlich genommen. Diese Eltern bestehen auf eine Spezialbehandlung, nehmen das Kind gar aus sozialen Gruppen oder Aktivitäten raus, in denen sie keine Kontrolle über das Geschehen haben.» 

2. Die Welt schuldet ihnen etwas

Ein weiteres Merkmal ist «der Glaube, dass ihnen jeder etwas schuldet», sagt Becky Stuempfing. Solche Eltern würden sich oft darüber beklagen, dass man sie unfair behandelt hätte und verlangen eine Extrawurst. Dies tun sie gerne bei Leuten mit Autorität, zum Beispiel bei einem Filialleiter, dem Chef eines Restaurants, bei Lehrern oder Trainern. Sie verlassen gerne dramatisch einen Ort oder ein Sportturnier ihrer Kinder, weil sie denken, mit ihnen sei nicht korrekt umgegangen worden. 

Stuempfing beschreibt diese Eltern auch als solche, die extremes Verhalten an den Tag legen, um gehört zu werden. «Sie schreien, beschweren sich unaufhörlich, versenden schroffe E-Mails oder posten Schimpftiraden in den sozialen Medien.» Dieses Verhalten führt laut der Expertin oft dazu, dass sich die Kinder für ihre Eltern schämen. «Keiner mag es, im gleichen Raum zu sitzen und die Mutter oder den Vater zu hören, wie sie jemanden ausschimpfen, der nichts Falsches getan hat.»

3. Sorgen und Bedürfnisse anderer sind egal

«Für Kinder ist es wichtig, erzogen zu werden im Wissen, dass die Bedürfnisse anderer Leute ebenso wichtig sind wie die eigenen. Eltern mit einer ausgeprägten Anspruchsberechtigung sind da eher kein gutes Vorbild», erklärt Psychotherapeut Perri Shaw Borish. Diese Eltern würden ihren Kindern möglicherweise nicht dabei helfen, ihren Platz in der grösseren Gemeinschaft und Welt und ihre Verbundenheit mit denen ausserhalb ihrer selbst zu verstehen.» 

Ein Mangel an Mitgefühl oder Sensibilität gegenüber anderen ist bei diesen Personen häufig und sie neigen im Allgemeinen nicht dazu, sich für ihr Verhalten zu entschuldigen oder es wieder gutzumachen, weil sie glauben, dass sie immer recht haben. Sie können sich entscheiden, sich mit Menschen zu umgeben, die sie für würdig halten oder die ihre Weltanschauung teilen. Dies wiederum schränkt natürlich ihre Fähigkeit, die Gefühle oder Realitäten anderer zu verstehen.

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4. Besessen von Erfolg und Status

Eltern mit einer ausgeprägten Anspruchsberechtigung erwähnen häufig den Familienstand und die Leistungen, wobei konkrete Erfolge überbetont werden. «Sie können die Leistungen und Erfolge ihrer Kinder zum Nachteil des Kindes übertreiben und diese dadurch unter Druck setzen», sagt Shaw Borish. «Dies kann dazu führen, dass das Kind die Erwartungen nicht erfüllt, was zu Selbstzweifeln und geringem Selbstwertgefühl beiträgt. Für Kinder ist es wichtig, dass sie sich in den Augen ihrer Eltern besonders fühlen, aber sie müssen sich nicht in den Augen aller besonders fühlen.»

Als Kind solcher Eltern kann es also extrem schwierig sein, mal nicht den ersten Platz zu gewinnen. Gleichzeitig kann es sie daran hindern, Resilienz zu entwickeln, weil die Eltern alles tun, um ihnen Hindernisse aus dem Weg zu räumen. «Ein solcher Elternteil wird niemals akzeptieren, dass das Kind an irgendetwas schuld ist», erklärt Autorin Susan Groner. «Sie erwarten, dass ihr Kind als das klügste und talentierteste Kind behandelt wird und kämpfen mit Lehrern, Schulleitern und Trainern.»

Typische Aussagen dieser Eltern sind zum Beispiel: «Warum ist mein Kind nur im Chor? Es verdient die Hauptrolle!», «Denk nicht mal daran, mein Kind auf die Bank zu setzen!», «Mein Kind hat es verdient, in der Klasse für Hochbegabte zu sein!» oder sogar «Ändern Sie die Note meines Kindes!»

Die Netflix-Doku «Operation Varsity Blues» hat gezeigt, wie weit Eltern gehen, um sicherzustellen, dass ihr Kind an einer Top-Universität aufgenommen wird, auch wenn die Schulnoten nicht dafür reichen. «Dieser Bestechungsskandal ist ein extremes Beispiel dafür, wie Eltern meinen, über dem Gesetz zu stehen und dafür sogar Verbrechen begehen, weil sie der festen Überzeugung sind, dass ihr Kind Privilegien verdient», so Groner.

5. Keine Freude im Leben

«Ein weiteres Zeichen dafür, dass ein Elternteil sich anspruchsberechtigt fühlt, ist die Schwierigkeit, einen echten Genuss im Leben zu finden», sagte Stuempfig. Selbst wenn sie sich in einer guten Position im Leben befinden, glauben sie möglicherweise, dass das Gegenteil der Fall ist, und haben Selbstmitleid, der darauf hindeutet, dass sie Opfer schlechter Umstände sind.

«Diese Eltern legen oft grossen Wert auf materielle Gegenstände und verwöhnen ihre Kinder mit den neuesten und besten physischen Gegenständen wie beispielsweise Technologie, Kleidung, Fahrräder, Autos», fügt sie hinzu. Sie würden versuchen, Freude an materiellen Objekten zu finden, weil sie in ihren Beziehungen emotional nicht zufrieden seien und glaubten, nur das Beste vom Besten zu verdienen. Kein Wunder kämpfen sie mit einem Gefühl der Unzufriedenheit, das sie daran hindert, ihren Alltag zu geniessen.

6. Sie kennen keine gesunden Grenzen

Im Leben Grenzen zu setzen ist wichtig. Wer über seine Grenzen hinausgeht oder die Grenzen anderer nicht wahrt, bekommt früher oder später ein Problem. Die «Karents» haben damit aber so ihre Mühe. «Diese Eltern behandeln das Leben ihres Kindes oft so, als wäre es ihr eigenes Leben», sagt die Ehe- und Familientherapeutin Becky Stuempfig.

Was fehle, sei eine gesunde Trennung zwischen Eltern und Kind. Eltern müssen also weg vom «Ich» und hin zum «Du». Durch gesunde Grenzen mit ihren Kindern geben sie ihnen Raum, ein Selbstbewusstsein zu entwickeln, ihre Bedürfnisse zu verstehen und sie auszudrücken. Eine Folge dieses Mangels an Grenzen könnte ein geringes Selbstwertgefühl des Kindes sein. 

7. Es fehlt ihnen an Dankbarkeit

Unermüdlich werben Fachpersonen für die Wichtigkeit der Dankbarkeit in Bezug auf die mentale Gesundheit des Menschen. Im Moment zu leben und das Gute um uns herum zu sehen, sei ein starkes und gesundes Streben. Ihr vermutet es – den «Karents» scheint diese Eigenschaft abhandengekommen zu sein. 

«Jemandem, der zu überhöhtem Anspruchsdenken neigt, kann es an Dankbarkeit fehlen und sie sehen jeden, der ihre Position infrage stellt, als schlecht», sagt Psychotherapeut Noel McDermott. Das ergibt Sinn, denn wenn man stets das Gefühl hat, man komme schlecht weg, bekomme nicht, was einem zustehe oder man werde ungerecht behandelt, verliert man den Blick für die vielen Dinge, für die man dankbar sein kann.

Von Edita Dizdar am 6. Mai 2021 - 07:09 Uhr