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Endlich Ruhe im Spital

Mütter fällt das Stillen während der Pandemie leichter

Das Besuchsverbot in den Spitälern während der Corona-Krise wirkte sich positiv auf das Stillen der Neugeborenen aus. Weshalb das so ist und was man daraus für die Zukunft mitnehmen kann, erklärt die diplomierte Pflegefachfrau Nina Kobler von der Stillberatung in der Hirslanden Klinik Stephanshorn, St.Gallen.

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Stillende Mutter

Stillende Mutter. Während des Besuchsverbot in den Spitälern mussten die Mütter nicht auf Druck bereit sein, weil der nächste Besuch schon vor dem Spitalzimmer stand.

Getty Images

Frau Kobler, in den ersten Monaten der Coronakrise gab es in den Spitälern ein Besuchsverbot. Fiel den Müttern das Stillen während dieser Zeit einfacher?
Ja, das haben wir so wahrgenommen. Dadurch, dass die Frauen ausser dem Vater und den Geschwistern unter 12 Jahren keinen Besuch empfangen durften, waren die Frauen viel entspannter. Sie konnten die Zeit mit dem Neugeborenen in Ruhe geniessen. Dadurch funktionierte das Stillen intuitiver und unkomplizierter. Die Mütter standen weniger unter Druck, da sie keinen Besuch zu erwarten hatten.

Das hängt also vor allem von der Entspannung der Mutter ab? Oder spürt das Baby auch, ob es rundherum hektisch ist?
Primär kommt das schon von der Mama her. Sie hat einen sehr grossen Einfluss aufs Kind und strahlt diese Ruhe ihm gegenüber auch aus. Die Kindlein sind immer der perfekte Spiegel davon, wie es der Mama geht. Im Gegensatz zu Situationen, wenn Besuch da ist und die Mutter gestresst ist oder sie beim Schlafen gestört werden, konnten sie nun einfach sein.

Werden Sie durch diese Erkenntnisse gewisse Regeln beibehalten?
Wir haben aufgrund der Erfahrungen, die uns das Besuchsverbot aufzeigten, die Besuchszeiten seit Mitte Juni angepasst. Insgesamt sind es nun eineinhalb Stunden weniger. Ausserdem ist es aktuell immer noch so, dass an unserer Klinik Besuche limitiert sind. Das heisst zwei Personen pro Patient für maximal eine Stunde. Natürlich ist das für den Besuch manchmal schwierig zu verstehen. Aber die frisch gebackenen Mamas sind ganz froh darüber.

Wie schafft man es, sich auch zuhause eine so ruhige und entspannte Umgebung zu schaffen, wenn man erst mal aus dem Spital ist?
Das ist natürlich von Frau zu Frau verschieden, es gibt verschiedene Charaktere. Wir empfehlen den Frauen, dass sie den Besuch regulieren. Vor allem bei Mamas mit dem ersten Kind fehlt ja noch die Erfahrung. Deshalb könnte der Vater die Koordination übernehmen. Wichtig ist, dies miteinander abzusprechen, damit nicht das Gefühl entsteht, den Besuch nicht mehr bewältigen zu können. Aber ich muss sagen: Frauen sind heutzutage ziemlich gut organisiert. Sie haben Familienangehörige, die vorbeikommen und helfen.

Munich, Bavaria, Germany, Europe

Viele Mütter setzen sich unter Druck, was das Stillen anbelangt. «Für mich ist das A und O, dass wir die Frauen darin bestärken, was sie tun», sagt Stillexpertin Nina Kobler. 

Getty Images/MITO images

Das Stillen ist ein Ideal, viele haben das Gefühl, das müsse nun unbedingt klappen! Kann man den Müttern diesen Druck etwas nehmen?
Das braucht Feingefühl von uns Stillberaterinnen, aber auch von Pflegefachfrauen und den Hebammen. Wir müssen den Frauen vermitteln, dass es für jede Situation eine Lösung gibt. Egal, wie sich das Stillen entwickelt. Für mich ist das A und O, dass wir die Frauen darin bestärken, was sie tun. Auch wenn’s mal etwas länger geht, bis die Milch kommt. Wir motivieren die Frauen, alle drei Stunden für 20 Minuten Milch abzupumpen plus noch zu «schöppele». Das gibt bereits einige Stunden pro Tag, an denen sie sich der Ernährung des Kindes widmen! Wenn es dann doch nicht erfolgreich ist, können wir sagen: «Hey, jetzt haben Sie alles gegeben und mehr geht nicht mehr.» Wir wollen für die Frau jederzeit da sein. Heutzutage ist es schwierig, dem Ideal gerecht zu werden: Wenn die Frauen stillen, ist es gut. Wenn sie ein halbes Jahr stillen und es geht immer noch gut, finden gewisse, es sei fast schon zu lange. Und dann erst zwei Jahre! Aber das Fläschchen geben ist dann auch nicht recht… Die Mütter müssen viel aushalten. Umso wichtiger ist ein gutes Umfeld, das sie immer wieder positiv darin bestärkt, was sie tun.

Darf eine Frau trotzdem stillen, wenn sie positiv auf Corona getestet wurde?
Ja. Sie sollte aber einen Mundschutz tragen, wenn sie dem Baby zu nahekommt und natürlich die Hände waschen und desinfizieren. Wichtig ist auch das Waschen der Brüste vor dem Stillen, und dann die Desinfektion der Milchpumpe und so weiter. Und natürlich kommt es drauf an, wie es der Frau geht. Da muss man auf den Gesundheitszustand achten und abwägen, wie man sie am besten unterstützen kann.

Ist das Immunsystem besonders anfällig, müssen sie besonders vorsichtig sein?
Eine Frau, die stillt, hat gewisse Antikörper in sich drin, die sie über die Muttermilch dem Neugeborenen weitergibt, quasi einen Schutz. Aber natürlich nicht explizit gegen Corona. In der Regel hat eine Frau während der Stillphase ein intaktes Immunsystem.

Nina Kobler, Stllberatung Hirslanden
ZVG

Nina Kobler ist diplomierte Pflegefachfrau in der Stillberatung der Hirslanden Klinik Stephanshorn, St.Gallen.

Von Eva Breitenstein am 9. Oktober 2020 - 18:00 Uhr