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Belohnen statt strafen

Sticker-Listen sind das neue Fernsehverbot

Das Kind bockt rum, die Eltern sind genervt – und der Fernseher bleibt als völlig logische Folge dieses erzieherischen Dilemmas für 1 bis 100 Tage aus. Ist das sinnvoll?

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Kind malt einen Smiley, 2020

Vielleicht müssen wir nicht gleich Riesen-Smileys an die Wand malen. Aber mal über Sticker-Listen nachdenken, kann nie schaden. 

Getty Images

Irgendwann tappen alle Eltern in diese Falle. Das Kind wälzt sich wutentbrannt vor dem Gummibärchen-Regal? Fernsehverbot. Glasklarer Fall. Das Kind reagiert auch bei der zehnten (inzwischen dringlicher formulierten) Aufforderung nicht? Gummibärchen-Verbot. Und zack: Die «wenn-du-das-nicht-machst-darfst-du-DAS-nicht»-Falle ist da! Felsenfest im Familienzuhause verankert, quasi Krisenfest. Uncool. Die Realität (heute und später) besteht ja auch nicht aus einem simplen Zwei-Optionen-Plan. Erzieherisch ist dieses Konzept ein ziemlich zweischneidiges Schwert – zumindest nach dem unfreiwilligen Selbsttest mit zwei Kleinkindern.  

Verbote wirken meist nur kurzfristig

Denn das Verbots-Prinzip lutscht sich ziemlich schnell ab. Spätestens dann, wenn ihr euch selbst aus Versehen am meisten bestraft habt (Fallbeispiel 1: Ihr seid an einer tollen Garten-Party. Ihr sagt zum Nachwuchs: «Wenn ihr jetzt nicht SOFORT aufhört, dann gehen wir nach Hause.» 10 Minuten später seid ihr auf dem Nachhauseweg und merkt – euch käst das am meisten an. Und die Kinder haben ihren Fauxpas sowieso schon längst wieder vergessen). Spätestens dann stellt ihr das Konzept in Frage: Bin ich wirklich, wirklich diese Art von Mutter (oder Vater)?  

Oder ihr sagt Sachen wie in Fallbeispiel 2: «Also wirklich, jetzt im Fall wirklich, Fernsehverbot, jetzt!» Eine Stunde später seid ihr dann aber vielleicht so erschöpft, dass ihr irgendeine Begründung herbei fabuliert, wieso die Kleinen nun doch 15 Minuten «Captain Underpants» gucken dürfen («Ihr bekommt jetzt eine LETZTE Chance). Das heisst Inkonsequenz. Und Inkonsequenz ist der Untergang (These: Kleinkinder sind wie Spürhunde: Sie riechen Inkonsequenz gegen den Wind und nutzen sie grenzenlos aus). Die Lösung aus diesem Dilemma? Die Sticker-Liste.  

Der positive Approach: Welcome Sticker-Liste!

Die Sticker-Liste ist mehr als ein Blatt Papier mit lustigen Smileys, Ponys oder anderen süssen kleinen Haftklebeeinheiten. Sie ist ein erzieherischer Paradigmen-Wechsel oder neumodisch «ein total neues Mindset». Denn statt die Kinder für Fehltritte (da müssen wir die Kirche natürlich auch im Dorf lassen – was machen die schon Schlimmes? Sie nerven im Durchschnitt ja einfach zwischendurch) zu bestrafen, belohnen wir sie in diesem System. Wir motivieren sie, wir zeigen ihnen klipp und klar, dass positive Handlungen, positive Folgen haben. Wir knüpfen eine optimistische Kausalkette – und dokumentieren den Fortschritt.  

Wie bei allem, gibt es auch bei den Sticker-Eltern verschiedene Subgruppen: Die einen belassen es bei den Stickern. Andere kombinieren eine gewisse Anzahl Sticker mit einem Realwert. Hier gilt der gut erprobte Tipp: Besser kurzfristige Belohnungen ans Sticker sammeln knüpfen. Die Ansage, «wenn du 350 Sticker gesammelt hast, dann darfst du ins Kino», übersteigt die Vorstellungskraft der meisten Kleinkinder. Besser kleine Ziele setzen und kleinere Belohnungen daran knüpfen. Dann funktioniert das ziemlich gut. Die Kinder haben Erfolgserlebnisse und das Gefühl, sich etwas verdient zu haben. Wenn es mal nicht klappt mit dem Sticker? Dann schafft man eine Gesprächsgrundlage. Das verläuft im Idealfall konstruktiver als ein im Affekt gebelltes Verbot.  

Von Bettina Bendiner am 10. Februar 2020 - 08:09 Uhr