Hereinspaziert, die Show beginnt!», ruft Lara, 6, in ihrem glitzernden Clownkostüm voller Pailletten. Sie reisst den roten Samtvorhang zur Seite, und da stehen vier schmunzelnde kleine Clowns: Laras Schwester Leonie, 4, sowie die Gspändli Mia, 8, Kaisa, 7, und Milla, 5. Mit Laras und Leonies Mama Andrea, 38, und Oma Marianne, 72, besucht die Rasselbande aber nicht etwa einen verspäteten Fasnachtsball, sondern eine Ausstellung in einem altehrwürdigen Museum: «Mode Circus Knie» im Textilmuseum St. Gallen zeigt Zirkuskostüme aus der Zeit von 1900 bis heute, passend zum 100-Jahr-Jubiläum des Schweizer Nationalzirkus.
Ein besonderer Spass für Kinder sind die Kostüme, die im ersten Ausstellungsraum an einer Kleiderstange hängen: Damit dürfen sie sich nach Lust und Laune verkleiden und sie während des ganzen Museumsbesuchs anbehalten. Und so huscht an diesem Tag immer mal wieder ein kleiner Clown durch die Ausstellungsräume mit den edlen Stücken, die einst alle ihren Auftritt in Knies Manege hatten.
Nur die Clowngewänder zum Verkleiden wurden extra für die Ausstellung angefertigt. Manchmal würden sogar Erwachsene die Kostüme anziehen, wie Annina Weber vom Textilmuseum erzählt. Zumal sie grösstenteils aus edlen Stoffen des St. Galler Textilherstellers Jakob Schlaepfer genäht wurden. Ob sie ebenso widerstandsfähig sind wie die originalen Zirkusgewänder?
Die prächtigen Kostüme müssen so robust sein, dass sie 500 Vorstellungen unbeschadet überstehen, gleichzeitig sollen sie aber modisch sein – und obendrein je nach Verwendung in der Manege simpel gemacht mit nur einem Reissverschluss, damit sich die Artistin oder der Artist ruckzuck umziehen kann.
Damit die Kleidungsstücke all diesen Kriterien gerecht werden, lassen Knies ihre Kostüme seit je in renommierten Ateliers in Paris massschneidern. Sie haben denn auch einen geschätzten Wert von 8000 bis 40 000 Franken pro Stück, wie die Museumsführerinnen den Gruppen verraten, von denen gleich mehrere durch die Ausstellung gehen. Neben einzelnen Modellen von Sammlern gehören die meisten zum Bestand der Familie Knie.
«Wie das glitzert und glänzt!», rufen die Mädchen immer wieder, als sie sich mit Oma und Mama die Ausstellung ansehen. Neben den Kleidern aus hundert Jahren Zirkusgeschichte erlebt man in den wunderschön bunt gestalteten Räumen auch, wie sich der Zirkus als Ganzes gewandelt hat. Und die jüngsten Besucherinnen und Besucher können sich zwischendurch kreativ austoben: Im ersten Ausstellungsraum ist eine Wand zum Malen freigegeben – und schon bis fast unter die Decke vollgekritzelt. Dafür müssen die kleinen Künstler eine Pyramide wie im Zirkus gemacht haben!
«Wir werden die Wand bald frisch streichen, damit es wieder Platz hat für neue Werke», verspricht Annina Weber. Im Museumsshop gibts zudem Malbögen mit Zirkussujets. Unsere kleinen Clowns verzieren sie im Schulungsraum des Museums mit Farbe, Stoff, Papierstücken und Pailletten fast so aufwendig wie ihre Gewänder.
Den Belastungstest haben die Kostüme übrigens bestanden: Die Mini-Clowns sind damit um die Stühle gerannt, die auf einem manegenähnlichen Teppich aufgereiht sind, haben Räder geschlagen, Spagate und Purzelbäume gemacht. Die Kostüme wären also durchaus manegentauglich. Die Mädchen aber genau so! Doch für heute schliesst sich der rote Samtvorhang. Die fünf üben noch, sich profimässig zu verneigen, und schlüpfen dann aus den Clownkostümen. «Die Show ist zu Ende!»
Die Ausstellung «Mode Circus Knie» im Textilmuseum St. Gallen dauert bis 19. Januar 2020. www.textilmuseum.ch