Früher schwärmten die Seeleute von ihnen, sie waren Galionsfiguren und Inspiration für zahlreiche Märchen. Sirenen, Nixen, Meerjungfrauen. Heute tauchen die Fabelwesen auch in ganz anderen Gewässern auf. Etwa im Hallenbad in Opfikon ZH. Im Kurs von Cristina Würgler, 33, verwandeln sich Mädchen und Buben in der Meerjungfrauen-Schwimmschule in Nachwuchs-Nixen und -Neptune.
Aufgeregt stehen heute acht Mädchen vor ihr, können ihren ersten Schnupperkurs kaum erwarten. «Jede darf sich jetzt ihre Lieblingsfarbe aussuchen», sagt Würgler und deutet auf die bereitgelegten Flossen und Überzüge am Beckenrand. Um sich in eine Meerjungfrau zu verwandeln, bedarf es bei allem Zauber doch einiger weniger Hilfsmittel. Schnell schlüpfen die Kinder in die Fussteile, stülpen die Schuppen über die Beine. «Eins, zwei, drei – Meerjungfrau!», schreien die Mädchen laut und springen auf das Kommando der Trainerin ins Wasser. Die ersten Schwimmversuche sind noch eher vom Modell Seekuh, doch bald haben die meisten den Schwung raus.
Mermaiding, also Schwimmen wie eine Meerjungfrau, liegt im Trend. In der Schweiz gibt Cristina Würgler seit über zwei Jahren Meerjungfrauenkurse, vorher war sie normale Schwimmlehrerin. Die hübschen Unterwasserwesen faszinierten sie schon als Kind: «Manche Mädchen wollen Prinzessin sein, ich immer eine Meerjungfrau.» Ihre Schule läuft. Die Serie «H2O – Plötzlich Meerjungfrau» beflügelte den Trend in ganz Europa. Neben den Kursen ist das Mermaiding auch als witziges Event für Firmen, an Kindergeburtstagen oder zum Junggesellinnenabschied mit Fotoshooting im Wasser beliebt.
Seit einem Jahr betreibt Cristina Würgler mit ihrem Mann Mario, 35, auch einen Meer jungfrauen-Shop. Hier kann man von der Flosse übers Plüschtier bis zur Kuscheldecke hin alles in Nixen-Optik kaufen. In kleinen Schatztruhen glänzen Halsketten mit Meerjungfrauen-Anhängern, Perlen und Muscheln.
Beim Schnupperkurs gibt es derweil die erste Aufgabe: Unter Wasser müssen die Kinder durch Tore tauchen. Schnell merken alle: Es ist gar nicht so einfach, die kleine Öffnung zu treffen. Hier lächelt die älteste Nixe im Kurs. Jasmine, 11, absolvierte schon mehrere Stunden und ist somit eine Hobby-Meerjungfrau: «Mir gefällt am besten, dass man mit der Flosse so lange unter Wasser bleiben kann.» Sprichts und taucht wieder ab.
Vom Rand aus wirft Würgler nun einige Muscheln ins Wasser, die die kleinen Nixen eifrig herausfischen. Ihre Augen leuchten, als sie auftauchen. Längst haben alle vergessen, dass sie in einem normalen Schwimmbecken sind. Arielles und Tritons Königreich in den Weiten des Ozeans scheint nahe. Einem Fischschwarm gleich tauchen alle umher, schwimmen aufeinander zu und klatschen sich ab. Zwei Mädchen trauen sich gar, den untersten Ring eines Hindernisses in fast drei Metern Tiefe zu durchqueren.
Als die Nachwuchs-Arielles nach knapp einer Stunde wieder an Land kommen, sind alle geschafft, aber glücklich. «Das Meerjungfrauenschwimmen macht grossen Spass, aber es ist auch wirklich Sport», sagt Cristina Würgler. «Denn um vorwärtszukommen, müssen die Kinder den Delfinschwung machen.» Sie freut sich, dass sie mit den bunten Flossen Kinder anders fürs Element Wasser begeistern kann. Die Profi-Meerjungfrau bietet auch Kurse für ein Mermaid-Abzeichen an. Darin lernt man, Figuren zu schwimmen und richtig tief zu tauchen.
Zum Abschluss machen jetzt alle Mini-Nixen mit ihrem Fischschwanz eine Riesenwelle und bekommen als Andenken eine Muschel. Die Mädchen wollen ihre Kostüme gar nicht mehr ausziehen. Verwandlung geglückt.
Informationen: Meerjungfrauen-Schwimmschule, Zentrum Meierwis, 8606 Greifensee, Kurse ab CHF 39.– inklusive Mietmaterial, für Kinder ab ca. sechs Jahren.