Samuel kneift seine Augen zu. «Ich wollte Maler sein und bin Picasso geworden», entziffert der Siebenjährige Wort für Wort das Zitat an der Wand. Er überlegt einen Moment, sagt dann selbstbewusst: «Ich bin auch ein Künstler. Einfach kein berühmter.»
Gemeinsam mit seiner Nonna, Nachbarsmeitli Luna, 10, und zehn weiteren Kindern besucht Samuel den Workshop zur grossen Werkschau «Der junge Picasso – Blaue und Rosa Periode» in der Fondation Beyeler in Riehen BS. Bilder in grossen, weissen Sälen anschauen, in denen man weder rennen noch laut reden, geschweige denn etwas berühren darf, mag der Erstklässler eigentlich nicht. Als Kunstvermittlerin Julianna Filep, 27, den Kindern ein interaktives Malheft plus Bleistift in die Hand drückt, heitert sich seine Miene jedoch rasch auf.
Luna und Samuel
Zuerst skeptisch, dann begeistert: Luna und Samuel zu Beginn des Picasso Kinderworkshops.
Lucia HunzikerDer Workshop startet mit einem einstündigen Rundgang durch die Picasso-Ausstellung. Als Erstes betrachtet die jungeSchar ein Selbstbildnis des 20-jährigen Jahrhundertkünstlers. «Wie wirkt dieser Mann auf euch?», fragt Filep. Fleissig tragen die Kinder ihre Antworten ins Heft ein. «Luschdig», notiert Samuel. Gar nicht lustig findet der Bub dagegen das Gemälde einer nackten, stämmigen Frau ein paar Räume weiter. Ihr Gesicht scheint wie aus Holz geschnitzt. Die dunklen Augen starren aus schwarzen Höhlen gespenstisch ins Leere. «Die mag ich gar nicht!»
Picasso-Quiz
Audioguide, Picasso-Quiz und ein multimedialer Raum sind Teil der Ausstellung.
Lucia HunzikerWaren die Bilder anfangs in eher düsteren Blautönen gehalten, werden sie nun von Saal zu Saal lichter und münden schliesslich in freundliche Rosa-Schattierungen – ganz nach dem Motto der Ausstellung.
Besonders ins Staunen kommen die Kinder, als sie dem Malheft eine Brille mit einer rosafarbenen und einer blauen Scheibe entnehmen dürfen. Schliesst man ein Auge, schimmern Picassos Gemälde je nachdem noch blauer oder in noch intensiverem Rosa.
Höchste Zeit, nun selbst ein kleines Genie zu werden! Den zweiten und längeren Teil des Workshops verbringen die Kinder nämlich im Atelier auf der anderen Seite des Parks. Dort dürfen sie mit eigenen Händen ganz im Stil des grossen Meisters in blaue und rosarote Farbwelten eintauchen.
Auf zwei Tischen warten Aquarellstifte, dazu Pinsel und mit Wasser gefüllte Gläser. Die Kursleiterin verteilt jedem Kind ein kleines Stück Leinwand. «Das ist aber ein raues Papier, und zerreissen kann man es auch nicht», murmelt Samuel erstaunt über das ihm unbekannte Material.
Samuel zwischen Nonna und Luna
Vertieft am Malen: Samuel flankiert von Nonna Verena und Nachbarsmeitli Luna.
ALL RIGHTS RESERVEDSchon gehts los mit den selbst gemalten Kunstwerken! Während die einen mit ruhigen, bedächtigen Bewegungen ihre Spuren ziehen, rasen andere Hände wie wild hin und her. Abenteuerliche Muster, Pflanzen und Gesichter entstehen. Dunkelblaue Wangen liegen neben einer pinken Nase, tiefrote Augen lachen über einem violetten Mund.
Mithilfe von Pinsel und Wasser fliessen die Aquarellfarben immer mehr ineinander. Das Trockene und das Nasse vermischen sich und schenken dem Gemalten eine neue Dimension.
Die Zeit verfliegt im Nu, und am Ende hat jedes Kind drei bis vier Werke geschaffen, die es mit nach Hause nehmen darf. Die werden zum Abschluss in der Mitte ausgelegt, sodass alle noch mal einen Blick darauf werfen können. Eifrig tauschen die Kinder sich aus und helfen dann beim Aufräumen. Zufrieden betrachtet Samuel seine Bilder. Das orangefarbene gefällt ihm besonders gut. «Es leuchtet so schön.»
Kinderzeichnungen
Inspiriert von Picasso, erhalten die Kindergemälde ein artistisches Flair.
Lucia HunzikerDer Picasso-Workshop findet bis am 8. Mai monatlich jeweils mittwochs von 14 bis 16.30 Uhr statt. Kosten: CHF 10.– inklusive Material. www.fondationbeyeler.ch/programm/workshops/kinder