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Notabene Chris von Rohr

Politgebet

Chris von Rohr, 62, Musiker, Produzent und Autor, über seine politische Einstellung sowie das freie und selbstständige Denken.

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Chris von Rohr Notabene-Autor
Daniel Rihs

Herr von Rohr, wo stehen Sie eigentlich politisch - rechts, grün oder versteckt links? Meine Standardantwort darauf ist: Ich bin vogelfrei und Rock-’n’-Roll-Nomade mit offenem Herzen und gesundem Menschenverstand. Ausserdem misstraue ich der Masse, gewissen Auswüchsen einer wachstumsgetriebenen, nimmersatten Wirtschaft und natürlich den exorbitant verschuldeten, zentralistisch geführten Grossstaaten. Will mir deshalb jemand anhängen, ich sei ein eingeseifter SVPler, entgegne ich: «Hey Mann, lebe mal einen Monat mein Leben, steck in meiner Haut und meinem Kopf, und dann weisst du es besser.»

Ich weiss sowieso nicht, was diese Frage nach der Parteizugehörigkeit soll. Wenn einer nicht klauen will, fragt man ihn auch nicht, ob er Mitglied im Kirchenchor ist. Mir geht es um die Sache. Vor nicht allzu langer Zeit galt soziales Denken als verdächtig – rasch hiess es: «Moskau einfach.» Unterdessen ist es unschicklich, die Sozialindustrie zu hinterfragen oder optimieren zu wollen. Während eines Menschenlebens wird man Zeuge rasch wechselnder Strömungen. Im Nachhinein werden einem in den besseren schliesslich auch schlechte Aspekte bewusst und in den schlechteren gute. Ich sehe mich als einen viel gereisten und interessierten Beobachter der Politik und erlaube mir eine selbst gewonnene, differenzierte Meinung. Ich passe sie nicht dem Zuhörer an. Aber eben, Meinung kommt von meinen, und zuweilen müssen wir alle unsere Haltungen und Überzeugungen ausmisten und dem Wissensstand anpassen.

Wer die Busfahrt bezahlt, sollte die Fahrtrichtung mitbestimmen dürfen

Was mich zunehmend befremdet, ist der Fakt, dass jene, die die heutige Personenfreizügigkeit, J. Gauck oder den ganzen bürokratischen Monsterapparat und die Schuldenwirtschaft der EU infrage stellen, von der Politelite und den kurzsichtigen Medien sofort als Abschotter und Europa-Skeptiker und Kritiker abgestempelt werden. Eigentlich eine Unverschämtheit, weil kritisch und skeptisch zu sein, die Grundvoraussetzungen einer bürgerlichen Existenz sind. Merke: Europa ist nicht gleich EU, und wir sind keine Untertanen einer Monarchie! Ich verlange Respekt und Toleranz für alle Andersdenkenden. Wir dürfen auch mit reinem Gewissen kritisieren. Denn wer die Busfahrt bezahlt, sollte die Fahrtrichtung mitbestimmen dürfen.

Rede- und Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht in zivilisierten Gebieten der Erde. Ich sehe es gar als staatsbürgerliche Pflicht, den dreisten Subventionsjägern an den Schalthebeln auf die Finger zu schauen und gegebenenfalls auch draufzuklopfen. Oft nehmen gerade sie eine unglaublich selbstgerechte, ja arrogante Haltung ein und übersehen, kaum im Amt, wie viel sie verdienen und wer ihr Chef ist: das Fussvolk, das sie gewählt hat! Eine uferlos wachsende Verwaltung mutiert zum sich selbst beschäftigenden Monster, wo es gar nicht mehr um das Bewältigen der Pendenzen geht. Inkompetentes Schönwetter-Management und Geldverschwenderei lenken davon ab, dass der gesamte Wohlstand an einem ganz dünnen Faden hängt und sich alles schlagartig ändern kann.

Dann die Verwässerung des Volkswillens, der gar nicht mehr umgesetzt wird. Mittlerweile empfinden etliche «Volksvertreter» und Richter in ihrer Selbstherrlichkeit den Souverän eher als störend und probieren, ihn auszuhebeln. Sie haben vergessen, dass in der Vergangenheit meist die Politiker und nicht die Bürger falsch gelegen haben.

Ich will nicht alles über Leistung und Effizienz definieren, habe mir selbst Auszeiten genommen und vieles hinterfragt. Dabei habe ich jedoch nie auf dem Geldsäckel des Staates geschlafen, niemals das kapitalistische System ins Pfefferland gewünscht oder die Sozialwerke für mich bluten lassen. Dennoch liegt es mir fern, jene Pechvögel zu plagen, bei denen alles schiefgelaufen ist. Es gibt sie, die armen Teufel, an denen schon im Mutterleib der schwarze Peter haftet. Solche, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren oder denen das Schicksal übel mitgespielt hat. Ihre harten Lebensgeschichten berühren und erschüttern mich oft. Wer am Boden liegt, dem strecke ich meine Hand hin. Er darf aber nicht verlernen, wie man die Beine bewegt. In jeder Reha wird Physio gemacht.

Hier mein Politgebet: Lieber Mitmensch, sei weltoffen und trotzdem unabhängig, hilfsbereit, ohne das ganze Tafelsilber zu verkaufen! Schütze die direkte Demokratie, sie ist bedroht. Halt die Ausgaben im Auge. Denk global, aber handle lokal. Verstehe die gewerblich-industriellen Büezer, Schweizer und Migranten, lass ihre Teller voll werden. Nähre auch jene, die unproduktiv sind. Aber motiviere sie durch eine angemessene Diät, wieder produktiv zu werden. Lass dir nichts gefallen. Bleibt schlank im Staat, lass den Horizont weiter von links bis rechts durchlaufen. Hohe Tannen hat es da wie dort, und der Jura hört auch nicht in der Mitte auf.

Von Chris von Rohr am 18. September 2014 - 10:50 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 16:58 Uhr