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Mancher nennt es Selbstmordkommando

Schweizer Steve Schild will auf den Mars - one-way

Es ist sein Bubentraum. Der Zürcher Steve Schild will auf den Roten Planeten. Für immer. Auch wenn er vor kurzem Vater geworden ist. 

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Mars One Mission Schweizer Steve Schild Baby Project

«Mein Erbe auf Erden»: Steve Schild mit Tochter Elvira Corinna daheim. 

Joseph Khakshouri

Aussenstehende schütteln den Kopf - für Steve Schild, 32, ist es heiliger Ernst. Noch hat er die kürzlich geborene Tochter Elvira Corinna in seiner Nähe. Doch in einigen Jahren wird sie ohne ihren Vater aufwachsen. Dieser wird 250 Millionen Kilometer weit weg sein, auf dem Mars! Wenn denn sein Bubentraum in Erfüllung geht.

Der gebürtige Hinterthurgauer steht in seinem Büro daheim im zürcherischen Elgg, schaukelt Elvira Corinna im Arm. Anfang November hat seine Verlobte Corinna Küttel, 24, das Bébé zur Welt gebracht. «Ich will meinem Kind eine gute Zukunft bieten», sagt Schild. «Auf dem Mars wird das eher möglich sein als auf der Erde.» Diese werde von den Menschen schon jetzt zu sehr in Mitleidenschaft gezogen. Deshalb hat sich Steve für die Mission Mars One angemeldet. «Sie bietet die Chance, auf diesem Planeten etwas Nachhaltiges für künftige Generationen zu erschaffen.»

Mars One - ein Selbstmordkommando?

Mars One ist das Projekt einer privaten Stiftung aus Holland. 24 Kandidaten will sie zwischen 2027 und 2030 mit Raumschiffen auf den Roten Planeten fliegen - als erste Menschen, die den fernen Mars betreten. Die Kolonialisten sollen in Hightech-Containern leben, das Essen kommt aus Treibhäusern und 3-D-Druckern, der lebenswichtige Sauerstoff aus gefrorenem Wasser. Bis minus 140 Grad kalt ist es auf dem Mars, Stürme toben mit 400 Stundenkilometern. Ein Flug dauert acht Monate - one-way! Für die Mars-One-Astronauten gibts kein Zurück - obwohl das technisch machbar wäre. Nichts zu tun hat das Projekt mit den ähnlichen Plänen des US-amerikanischen Unternehmers Elon Musk.

200'000 Kandidaten hatten sich für Mars One beworben. Nach vielen Tests sind es zurzeit noch 100, Steve Schild ist der einzige Schweizer. «Ich habe ein grosses technisches Wissen, bin neugierig und zielstrebig», sagt der ausgebildete Elektriker. Zurzeit arbeitet er als Verkaufsingenieur für Industrie-Elektronik. Nach weiteren Prüfungen sollen die 24 «Marsmenschen» bis Ende nächsten Jahres rekrutiert sein; diese bereiten sich anschliessend in jahrelangen Trainingscamps vor. Ursprünglich war geplant, die Selektion wie auch das Leben der Siedler als TV-Reality-Show auszustrahlen - doch die niederländische TV-Produktionsfirma Endemol (bekannt durch «Big Brother») ist ausgestiegen - das Risiko ist ihr zu gross. Sechs Milliarden Franken verschlingt das umstrittene Projekt.

Der ehemalige Schweizer Astronaut Claude Nicollier, 72, wünscht Schild viel Glück: «Er ist ein guter Kandidat und arbeitet hart für sein Ziel.» Doch die Zeit und die finanziellen Mittel seien vermutlich zu knapp, um bereits 2027 auf den Mars zu fliegen. Der deutsche Ex-Astronaut Ernst Messerschmid bezeichnet Mars One gar als Selbstmordkommando. Schild schüttelt den Kopf. «Ich vertraue der Stiftung, ohne mit der Wimper zu zucken. Das ist alles seriös.» Steve bereitet sich akribisch auf die Auswahl vor: liest Fachliteratur, stählt fünfmal pro Woche seinen Körper. Zudem schreibt er einen Science-Fiction-Roman.

Die Tochter beginnt zu quengeln. «Hunger», sagt der Vater, trägt Elvira Corinna in die Stube. Im Gang hängen Auszeichnungen: Schild hält die Weltrekorde im Distanzrutschen, Bockspringen und 24-Stunden-Einkaufswägeli-Schieben. «Gib sie mir», sagt seine Freundin und legt das Baby auf dem Stubensofa an ihre Brust. Corinna und Steve kennen einander seit sechs Jahren, Tochter Elvira Corinna ist für beide ein Wunschkind. «In ihren wichtigen ersten Lebensjahren werde ich ja hier sein», sagt Steve, «ich geniesse die Zeit mit ihr.» Wenn Papi dann auf den Mars verreist, wird Elvira Corinna zwischen elf und vierzehn Jahre alt sein. «Du hast es gut», sagt die Detailhandels-Fachfrau und stupst Steve in die Seite, «ihre Pubertät hab ich dann allein am Hals!»

Steve Schild glaubt an sich und seine Vision. «Für meinen Weg braucht es Egoismus», sagt er. «Ich werde kein schlechtes Gewissen haben, wenn wir uns zum letzten Mal Tschüss sagen.» Für Freundin und Kind werde vorgesorgt sein, finanziell und psychologisch. Und in 30 Jahren soll es technisch möglich sein, auf dem Mars Ferien zu machen. «Dann könnt ihr mich ja besuchen kommen.» - «Vergiss es!», sagt seine Verlobte. «Ich bleibe hier unten!»

Thomas Kutschera
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Von Thomas Kutschera am 4. Dezember 2016 - 08:07 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 14:39 Uhr