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Serie: Der Krampf ums Kin­der­krie­gen - Teil 3

Fremde Eizellen und Spermien: «Es wird trotzdem unser Kind sein»

Kinderkriegen! Wenns bei der natürlichsten Sache der Welt nicht von alleine klappt: In unserer Serie erzählen vier Familien von Sehnsucht, Verzweiflung und Liebe. Sabina, 32, und Roger Rhyner, 41, aus Glarus gehen für ihren Kinderwunsch durch die Hölle. Dann finden sie ihr Glück in Spanien – dank fremden Eizellen und fremden Spermien.

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Der Krampf ums Kinderkriegen Roger und Sabrina Rhyner

Glück zu viert! Sie sind stolz auf Baby Sari: Roger (l.) und Sabina Rhyner daheim in Glarus. Sohn Lio interessiert sich mehr für Traktoren.

Geri Born

Sabina Rhyner streichelt über Lios Köpfchen, sagt leise: «Wenn ich ihn zu lange anschaue, muss ich weinen.» Auch drei Jahre nach der Geburt ihres Sohnes kann sie ihr Glück kaum fassen. Was war der Weg zur Mama beschwerlich!

Sabina, 32, und ihr Mann Roger, 41, heiraten 2009, bauen ein Haus mit Kinderzimmern, setzen die Verhütung ab. «Die 08/15-Variante», sagt Sabina, «aber für uns fühlte sie sich richtig an.» Nur das Baby lässt auf sich warten. Die Gynäkologin sagt: «Frau Rhyner, Sie sind jung und gesund.» Bei Roger hingegen kommt aus, dass er verklebte Spermienleiter hat.

Die Rhyners versuchen es mit der Befruchtung im Reagenzglas. Sabina bekommt blaue Flecken von den Hormonspritzen, nimmt ein paar Kilo zu – egal! Sie macht alles mit, weil sie grosses Vertrauen in die Medizin hat. Und doch wird sie nicht schwanger. Immer wenn die Klinik anruft, ist für sie schon eine Sekunde nach dem Abheben klar: Es hat wieder nicht geklappt. Sabina fragt sich, ob eine höhere Macht ihr ein Kind verweigern will. Und Roger kämpft mit Schuldgefühlen.

Es wird trotzdem unser Kind sein, wir spüren es von Anfang an wachsen.

Vier Jahre nach ihrer Heirat erfährt das Paar, dass es auch an Sabina liegt. Sie hat eine seltene Störung der Eizellen. Eine Schwangerschaft ist ausgeschlossen. Darum entscheiden sich die Rhyners nach langer Überlegung für eine Eizellenspende. Doch die ist in der Schweiz verboten.

Also buchen sie einen Flug nach Alicante, Spanien. Sie erzählen niemandem davon. In einer Kinderwunschklinik werden Rogers Spermien mit den Eizellen einer anonymen Spenderin befruchtet. Prompt wird Sabina schwanger. Und verliert das Kind.

Der Krampf ums Kinderkriegen Roger und Sabina Rhyner

Quirlig: «Lio ist ein Lausbub», sagt Mama Sabina. Im Garten kann er herumtollen, wie es ihm gefällt.

Geri Born

Sabina steckt im Würgegriff der Sehnsucht. Nur die Eltern wissen, was das Paar durchmacht. «Wir wollten nicht ständig darauf angesprochen werden.» Aber die Frage «Wann ist es bei euch so weit?» kommt so regelmässig wie Sabinas Periode. Einen Satz vergisst sie nie mehr: «Schiesst dein Mann eigentlich in die Luft?», fragt ein Mitarbeiter. Danach weint sie ihrer Chefin die Bluse nass.

Doch ein unerfüllter Kinderwunsch belastet nicht nur die Seele, sondern auch den Geldbeutel. Befruchtungen im Reagenzglas werden von der Krankenkasse nicht bezahlt. Ein Versuch in Spanien kostet 10 000 Franken. «Wir haben ein Vermögen ausgegeben», sagen die Rhyners. Sabina ist kaufmännische Angestellte, Roger Servicetechniker, beide haben noch einen Nebenjob, damit das Geld reicht. Nach jedem Versuch diskutieren sie aufs Neue: Wollen wir wirklich weitermachen? Letzten Endes hören sie nicht auf, weil sie immer wieder eine neue Möglichkeit sehen.

Sie sind schwanger!

Wie beim vierten Versuch in Spanien. Roger schlägt vor, diesmal nicht nur fremde Eizellen, sondern auch fremde Spermien zu nehmen. Sabina und Roger wären dann genetisch nicht mehr verwandt mit ihrem Baby. «Es wird trotzdem unser Kind sein», sagen sie, «wir spüren es von Anfang an wachsen.»

Dann, nach fünf langen Kummerjahren, kommt der erlösende Anruf aus Alicante: «Sie sind schwanger!» – «Echt?», fragt Sabina nur. Als sie sich endlich zu freuen getraut, weiss sie nicht wohin mit dem vielen Glück. Am 8. April 2014 ist er da: Lio, ein Spanier mit Glarner Blut.

Die Freude über seine Geburt gibt den Rhyners zwei Jahre später den Mut und die Kraft, es erneut zu versuchen. Wieder reisen sie nach Spanien, wieder hoffen sie vergebens. Und wieder klappt es, als sie schon fast aufgegeben haben. Am 13. 12. 2017 bekommt Lio eine Schwester: Sari – das ist finnisch für Prinzessin.

Die ganze Serie «Der Krampf ums Kinderkriegen» finden Sie hier im Dossier.

Von Michelle Schwarzenbach am 24. Januar 2018 - 20:00 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 12:49 Uhr