Frau Holle könnte eine Linke sein. Mit viel Schnee erschwert sie den Zügen die freie Durchfahrt nach Davos GR. Dort trifft sich diese Woche die internationale Wirtschafts- und Politelite an ihrem jährlichen Stelldichein, dem World Economic Forum (WEF).
Davos wird diese Tage zur Festung. Die Vorkehrungen sind jedes Jahr streng, doch das Sicherheitspersonal ist heuer auch da rigoros, wo es zuweilen noch Ausnahmen machte. Niemand betritt das Kongresszentrum und die grossen Hotels ohne Zutrittsberechtigung. Taschen und Mäntel müssen durch Röntgenmaschinen. Offensichtlich macht der angekündigte Besuch von US-Präsident Donald Trump, 71, nervös.
Tina Heide kann schweigen
Abgeriegelt ist auch das Steigenberger Grandhotel Belvédère. Das drittgrösste Hotel von Davos beherbergt jedes Jahr Chefs von internationalen Firmen, Staatspräsidenten und Stars der Unterhaltung. Bill Clinton, 71, und Prinz Albert II. von Monaco, 59, sowie Bill Gates, 62, und Angelina Jolie, 42, haben hier schon genächtigt.
An der Hotelbar treffen wir gestern Sonntagabend Tina Heide. Die 43-Jährige aus Bayern ist die erste weibliche Hoteldirektorin in der 143-jährigen Geschichte des Hotels. Die wichtigsten Gäste bringt sie höchstpersönlich auf ihre Zimmer.
«Ich werde zwischendurch ein paar Minuten verschwinden müssen», schickt Heide voraus. Sie erwarte eine «völkerrechtlich geschützte Person». Das heisst, sie wird in Kürze einen hohen Politiker, hohen Beamten oder Vertreter einer zwischenstaatlichen Organisation empfangen. Wie jede gewissenhafte Hotelière grinst sie nur, wenn man nach dem Namen des Gastes fragt.
Für Tina Heide ist es das sechste WEF. Im Belvédère arbeitete sie bisher als Event-Managerin. Viele der Gäste schlafen immer wieder im Grandhotel, deshalb kennt man sich. Darauf, dass jetzt eine Frau die Fäden zieht, hätten viele gar nicht reagiert. «Ausser die Frauen. Die findens toll und gratulieren mir», so Heide.
Die Direktorin zieht den Stecker
Die Direktorin entschuldigt sich immer wieder, wenn ihr Telefon klingelt . «Sonst ruft mich niemand an. Nur jetzt will jeder was von mir», scherzt sie. Heide behält den Überblick über die 100 regulären und 200 zusätzlichen Angestellten des Hotels.
Beim vierten Anruf wird ihr Blick ernst. Sie gibt auf Englisch zu verstehen, dass sie bereit sei. Der Gast naht. Wir folgen Heide diskret vor das Hotel. In der Auffahrt legt sie selber Hand an und will ein herumliegendes Kabel aus dem Weg schaffen. Indem sie es aussteckt, geht das Flutlicht vor dem Hotel aus, es wird zappenduster. Das Sicherheitspersonal findets nicht sehr lustig.
Wieder das Telefon. Heide nimmt die «völkerrechtlich geschützte Person» doch nicht in der Auffahrt in Empfang. Über den eisigen Fussweg runter zur Promenade. Noch schnell einen Tannenzweig vom Schnee befreien, damit der Gast keine eisige Überraschung erlebt.
Nach ein paar Minuten kommt ein Van mit getönten Scheiben an. Und Christine Lagarde, 62, steigt aus. «Hello, Christine!», grüsst Heide die Chefin des Internationalen Währungsfonds. Und verschwindet mit ihr ins Belvédère.