Eine Familie mit Tradition
Stellplatz 476, Camping Campofelice, Hier steht der blaue VW-Bus T2 Baujahr 1973 der Familie Locher aus Winterthur. Das gelbe Vintage-Vorzelt hat Vater Samuel, 48, in England gekauft. Der Maschineningenieur: «An diesem Tischchen sass ich schon als Bub. Hier in Tenero, bei Familienferien.» Heute kostet eine Woche – Stellplatz für vier Personen, Auto, Strom – 714 Franken. Als Kochers zwei Töchter noch klein waren, schliefen sie bei Campingferien über dem Führersitz – in Hängematten.
Genuss im Grünen
Der Bach plätschert, Vögel zwitschern. Unter einer Lärche isst die Familie von André Kocher, 49, Informatiker aus Dieterswil BE, Znacht. Auf dem Gasgrill hat Tochter Anina, 10, die Füllung für Tortillas zubereitet. Zum elften Mal schon machen die Kochers Ferien auf dem Camping Morteratsch südlich von Pontresina GR, 1860 m ü. M. Nach Mountainbike-Touren und Wanderungen hüpfen die Kinder ins nahe Bergseeli. 1000 Leute können hier campieren. Bis Ende August ist längst alles ausgebucht.
Übernachten auf dem Susten
Als Lastwagenchauffeur ist Renato Oliveira, 39, aus St-George VD in der Romandie unterwegs. «Deshalb will ich mit meiner Familie mal andere Schweizer Regionen kennenlernen.» Am Morgen bestaunten sie die Staumauer des Lac de Mauvoisin VS, nun haben sie ihr Miet-Mobilhome nahe der Passhöhe fürs Nachtlager parkiert. Morgen gehts nach Lugano. Ursprünglich hatte die Familie geplant, in die elterliche Heimat zu reisen, nach Portugal. «Scheiss-Corona!» Doch dem Vater ist nicht nur zum Fluchen zumute. «Wow, dieser Sonnenuntergang!»
Töfflibuebe im Tessin
«Es war eine Schnapsidee», sagt Lukas Frei aus Diepoldsau. Doch die Jungs, 18 bis 22 Jahre alt, aus dem Ort im St. Galler Rheintal haben sie umgesetzt. Mit ihren Puch-Töffli fuhren sie über den Susten und den San Bernardino auf den Camping Riarena in Cugnasco TI. 220 Kilometer in elf Stunden, der Platten in Thusis GR wurde vom «Safety Car» aus behoben. Drei Tage sind sie hier: Banana-Boat fahren auf dem Lago Maggiore, Steaks grillieren, chillen vor den Zelten. Trotz Schnapsidee: Gefahren wird nüchtern! Ganz abstinent war die Truppe aber nicht. «500 Halbliter-Flaschen Helvetia-Bier haben wir verputzt. Es war ja auch heiss wie die Sau!»
Knight Rider im Berner Oberland
15 Tonnen schwer ist das Motorhome. Marke Monaco, Modell Knight, zu Deutsch Ritter. 2016 hat es Daniel Dreier, 65, für eine halbe Million Franken in den USA gekauft. Zum vierten Mal ist der Mitinhaber der gleichnamigen Aargauer Transportfirma damit in den Ferien auf dem Familiencamping Aaregg in Brienz BE. Er und Lebenspartnerin Silvia Wilhelm, 56, lieben das Oberland. «Leider findet heuer der Brünigschwinget nicht statt.» Wilhelms Vater, Max Widmer, war 1958 Schwingerkönig. Auf Dreiers täglichem Programm: ein Schwumm im See. Bei 19 Grad.
Schöne Einsamkeit im Oberengadin
Camping Morteratsch, 21.59 Uhr. Die rauschende Ova da Bernina, hinten der Morteratschgletscher. Und auf einem Moränenhügel der gelbe VW-Bus und das Zelt von Beat Frischknecht und seiner Frau Nadia. Der 43-jährige Lichtplaner aus Winterthur ZH: «Wir haben schon vor Corona gebucht und bekamen von Campingchef Peter Käch ein Bijou von Platz. Ein Zmorge mit Blick auf ein Feld blauer Lupinen, was gibts Schöneres?» Am Tag wandern im Berninagebiet, am Abend der Blick in die Weite. Gute Luft. Nachts wirds mit vier Grad frisch. «Da brauchts unter dem aufgeklappten Dach schon einen Schlafsack.»
Stresstest im Stau
Seit dem 6. Juni täglich dasselbe Bild: Vor dem Eingang des Campings Campofelice in Tenero TI warten Schlangen von unangemeldeten Wohnwagen und Mobilhomes. Wird noch etwas frei? Simone Patelli, Vizedirektor des mit 150'000 Quadratmetern grössten Campings der Schweiz: «Es findet sich fast immer eine Lösung. Auch wenn wir ausgebucht sind.» 700 Stellplätze und 100 Wohneinheiten bietet das «glückliche Feld». 85 Prozent der 2800 Gäste kommen aus der Deutschschweiz. Ausser beim Personal sind keine Schutzmasken zu sehen. «Die Gäste halten brav Distanz.»
Zwei Holländer machen Blau
Sie gönnen sich eine Auszeit beim Campingplatz Aaregg in Brienz. Wenn Johann van Es, 40, und seine Frau Artina, 32, nicht gerade Pedalo fahren, haben sie alle Hände voll zu tun. Seit zehn Jahren führen die gebürtigen Holländer das «C’est la vie», ein Hostel samt Gruppenunterkunft in Hasliberg BE. Wegen Corona haben zwar viele Schweizer Gruppen abgesagt, «doch wir haben das Haus rappelvoll. Zum Glück!» Umso mehr geniessen sie die Arbeitspause: «Auch wir wollen mal raus an die frische Luft. Hier ist Corona kein Thema.»
Ein Luzerner im Hochbett
«Ein erhabenes Gefühl! Man hat einen guten Blick von hier oben», sagt Peter Bühler auf dem Camping Riarena. Der 49-jährige Konstrukteur aus Schwarzenberg LU hat in luftiger Höhe übernachtet: im Dachzelt auf dem Land Rover Defender 90 Td5. Dieser gehört seinem Kollegen Roland Wobmann. Der hat den Wagen liebevoll restauriert. Der Anbau hinten dient als Schutz bei geöffnetem Laderaum. Bühler: «Und ich konnte mich darin ungestört umziehen – eine perfekte Garderobe.»