Check-up: Cholesterin

Das tägliche Ei – gefährlich oder harmlos?

Ist Cholesterin wirklich so ungesund? Oder darf man das Frühstücksei heute ohne schlechtes Gewissen essen? Über die für unsern Körper lebenswichtige Substanz gibt es noch viele Irrtümer. Neuste Forschungen geben Entwarnung.

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Freispruch für das Gelbe im Ei: Cholesterin in der Nahrung beeinflusst das Blutcholesterin nur wenig.
VRD - Fotolia

Die Warnung vor Eiern, die den Cholesterinspiegel in krank machende Höhe treiben, hat nach wie vor abschreckende Wirkung. Noch vor wenigen Jahren galt: ein Ei pro Woche, nicht mehr! Jetzt kommt Entwarnung: In einer Studie des Biomedical Research Center in Baton Rouge, Louisiana, wurden das Gewicht und die Cholesterinwerte von 152 übergewichtigen Männern und Frauen über zwei Monate überprüft. Eine Gruppe frühstückte im Rahmen einer Diät täglich zwei Eier, die andere einen Bagel (ein amerikanisches Gebäck). Das Resultat: Die Eier-Esser verloren 65 Prozent mehr Gewicht und 35 Prozent mehr Bauchumfang als die Bagel-Esser. Die Blutfette hingegen waren bei beiden Gruppen gleich.

So sieht es auch Dr. David Fäh, Ernährungsmediziner am Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich: «Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, täglich ein Ei zu essen. Das Ei ist ein gesundes Lebensmittel. Je hochwertiger das Hühnerfutter, je besser die Haltung, desto gesünder ist die Zusammensetzung.» Cholesterin in der Nahrung beeinflusst das Blutcholesterin nur geringfügig. Je nach Zusammenset zung nehmen wir täglich circa ein Drittel Gramm pro Tag mit der Ernährung auf. Unser Körper, vor allem die Leber, produziert ein bis zwei Gramm. Die fettähnliche Substanz ist für unseren Körper lebenswichtig: Cholesterin ist Bestandteil der Zellwände, es ist die Grundsubstanz für die Synthese von weiblichen und männlichen Geschlechtshormonen, wir benötigen es für Vitamin D, und Cholesterin ist Rohstoff für die verdauungsfördernde Gallensäure.

Ein hoher Cholesterinwert ist ein Risikofaktor für Herzinfarkt und Hirnschlag. Das ist eine Tatsache. Nur: «Wahrscheinlich sind ungünstige Cholesterin-Werte weniger wichtig als Bluthochdruck und hohe Blutzuckerwerte. Zudem ist nicht immer klar, ob eine Senkung des Cholesterins auch bedeutet, dass das Risiko, zu erkranken oder zu sterben, sinkt», ergänzt Dr. Fäh. Eine Senkung des Cholesterins sei häufig nicht so dringend, wenn alle anderen Risikofaktoren im grünen Bereich seien.

Der Gesamtwert sagt im Übrigen nur wenig darüber aus, ob jemand gefährdet ist. Vielmehr kommt es auf die Art des Cholesterins an: Viel «gutes» HDL («high density lipoprotein») soll sogar Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen bieten. Denn HDL führt überschüssiges Cholesterin aus den Gefässen zurück in die Leber, wo es abgebaut wird. Erhöhtes LDL («low density lipoprotein»), also das «böse» Cholesterin, fördert Arterienverkalkung. Früher nahmen Wissenschafter an, dass vor allem Lebensmittel mit vielen gesättigten Fetten die Cholesterinwerte negativ beeinflussen.

Heute geht die Forschung davon aus, dass vor allem schnelle Zucker, wie sie in Süssigkeiten und Süssgetränken enthalten sind, die Werte verschlechtern. «Grundsätzlich können aber alle Lebensmittel ein Problem darstellen, wenn sie zu Übergewicht führen. Denn Übergewicht verschlechtert die Cholesterinwerte», erklärt Dr. Fäh. Ideal zur Reduktion eines zu hohen LDL-Wertes ist mediterrane Ernährung mit wenig verarbeiteten pflanzlichen Produkten, also Früchten, Gemüse, Linsen, Vollreis, Vollkornprodukten sowie Kernen, Samen und Nüssen. Wenig rotes Fleisch, wenn Tierisches, dann besser Fisch als Fleisch, Olivenöl als Hauptfettquelle. Doch Dr. Fäh schränkt ein: «Damit der Lebensstil die Werte erheblich beeinflusst, braucht es viel Disziplin, ein niedriges Körpergewicht mit geringem Fettanteil, ein bis zwei Stunden Ausdauerbewegung am Tag sowie eine fett- und zuckerarme Ernährung. Das schaffen die wenigsten.» Es sei unrealistisch, dass die Werte einzig durch den Lebensstil um mehr als 10 bis 15 Prozent verbessert werden.

Noch komplizierter wird die Cholesterin-Frage durch eine Untersuchung im vergangenen Jahr: Kardiologe Ulf Landmesser vom Unispital Zürich und sein Team haben herausgefunden, dass ein hoher HDL-Wert nur bei gesunden Menschen eine positive Wirkung hat. Bei bereits herzkranken Patienten verliert der vermeintlich gesunde Wert seinen schützenden Effekt auf die Gefässe. Denn das HDL war bei Patienten mit schon geschädigten Blutgefässen durch die verminderte Aktivität eines Enzyms viel stärker oxidiert. Mit andern Worten: Bei Patienten mit Arteriosklerose wird die Sterblichkeit durch HDL-steigernde Mittel eher erhöht als verringert.

Mediterrane Ernährung

  • Gesunde Fette: Öle mit einfach ungesättigten Fettsäuren, z. B. Olivenoder Rapsöl, helfen, das «schlechte» LDL zu senken.
  • Öfter mal Fisch: Zweimal pro Woche Fisch auf den Tisch!
  • Abnehmen: Bei Übergewicht fördert eine Gewichtsreduktion die Erhöhung des «guten» HDL.
  • Nahrungsfasern: Sie senken den Cholesterinspiegel. Also: Vollkornprodukte, Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Gemüse, Früchte und Nüsse.
  • Geflügel: Wenig rotes Fleisch und verarbeitete Fleischprodukte, dafür Geflügel und Fisch.
  • Verzicht auf Süsses: Wenig Süssigkeiten und Süssgetränke.
  • Wein: Für die, die ihn mögen: Rotwein (1 bis 2 dl für Frauen, 2 bis 3 dl für Männer pro Tag).
  • Sport: Viel und regelmässig bewegen.

 

CHECK Cholesterin-Werte
(spätestens ab 40 kontrollieren)

  • Wer ein familiäres Risiko hat, das heisst Vater oder Mutter mit hohem Cholesterin, sollte bereits als Jugendlicher zur Kontrolle.
  • Alle anderen, die gesund sind, können damit bis 40 warten.
  • Menschen mit hohem Blutdruck, starkem Übergewicht oder einem Diabetes sollten ihre Werte vor dem 40. Altersjahr messen lassen.
Von Verena Thurner am 21. April 2012 - 15:22 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 21:59 Uhr