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Krebs

Carina kämpft sich zurück ins Leben

Letzte Weihnacht hat Carina nur dank einem Kunstherz erlebt. Heute schlägt ihr Herz wieder aus eigener Kraft, ganz ohne Hilfe. Sie geht in die Schule, spielt mit anderen Kindern, kann sogar wieder schwimmen. Die vielen Rückschläge haben sie nicht stoppen können. 

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Check-up Krebserkrankung

Wieder aktiv: Vor einem halben Jahr trug Carina stets einen Stromkasten für ihr künstliches Herz mit sich. Heute kann sie sogar wieder im Ägerisee mit Bruder Silvan, Schwester Daniela und Mami Beatrice (v.l.) planschen.

Raja Läubli

Dieses Mal wird alles gut. Dieses Mal kann Carina, 9, zu Hause bleiben. Dieses Mal soll endlich wieder der Alltag einkehren. Nichts wünscht sich Familie Bürgisser aus Oberägeri ZG mehr – und alle glauben fest daran. Trotzdem ist sie da, die Angst vor dem nächsten Schlag. «Wir haben so viele Neuanfänge gestartet und waren jedes Mal voller Euphorie», sagt Mutter Beatrice Bürgisser. «Manchmal wahrscheinlich fast etwas zu euphorisch.»

In den letzten zwei Jahren verbrachte Carina mehr Zeit im Spital als daheim. Im Herbst 2011 entdeckte man bei ihr einen bösartigen Knochentumor am linken Schienbein. In einer neunstündigen Operation wurde der Knochen entfernt und ein Spenderknochen eingesetzt. Weil sich herausstellte, dass der Tumor hochaggressiv war, musste sie neun Monate eine Chemotherapie über sich ergehen lassen.

Fünf Tage nach der Chemotherapie, im August 2012, schlug Carinas Herz so schnell, dass sie ihre Mutter fragte: «Mami, muss ich jetzt sterben?» Der Krankenwagen kam mit Blaulicht, brachte sie ins Kinderspital Luzern. Am folgenden Morgen stand die Diagnose fest: Herzschwäche. Sofort wurde sie nach Zürich auf die Intensivstation verlegt. Nach drei Tagen begannen ihre Organe zu versagen. Einzige Chance für Carina: ein künstliches Herz.

Sie war das erste Kind in der Schweiz, dem das Kunstherzmodell Heart-Ware eingesetzt wurde. Nur sechzehn andere Kinder lebten bis dahin mit dem gleichen Modell. Carina erholte sich gut, war rechtzeitig zu Weihnachten wieder zu Hause. Immer an ihrer Seite in einem Täschli: der Stromkasten für ihr künstliches Herz.

Schon Mitte Januar entschlossen sich die Ärzte, das künstliche Herz wieder zu entfernen. Bei Tests hat man gesehen, dass sich das eigene Herz erholt hat. Doch was genau passieren wird, wenn man das Kunstherz entfernt, wusste man nicht. Bisher konnte man noch keinem Kind das Kunstherz wieder entfernen. Es hätte sein können, dass man es sofort oder später wieder hätte einsetzen müssen.

«Bei dieser Operation war das Gefühl ganz anders, wir bangten nicht in erster Linie um Carinas Leben», erzählt Mami Beatrice. Trotzdem sind ihr die sechs Stunden endlos vorgekommen. Als sie nach vier Stunden im OP-Saal anruft, sagt man ihr, dass das Kunstherz schon stark mit Carinas eigenem Herz verwachsen sei. Darum dauert der Eingriff länger als geplant. Das Fazit von Prof. Michael Hübler: Carinas Herzfunktion nach der Operation ist schlechter als erwartet.

Sie kommt auf die Intensivstation. Am Abend, als ihre Mutter sie besuchen darf, fragt Carina immer wieder nach dem Täschli mit dem Stromkasten für das künstliche Herz. Sie beharrt so lange darauf, bis man es ihr neben das Bett stellt. Den Verlust kann sie zuerst nicht verkraften. Das Kunstherz hat ihr Sicherheit gegeben. Plötzlich muss nun ihr Herz wieder alleine pumpen.

Nach zwei Wochen kann Carina das Spital verlassen. Den Weg vom Auto ins Haus schafft sie nicht allein. Doch es geht ihr jeden Tag etwas besser. Bis sie nach einer Woche an einer Grippe erkrankt. Auch als das Fieber nachlässt, fühlt sich Carina nicht besser. Sie geht nicht einmal in den unteren Stock, weil sie weiss, dass sie die Kraft nicht mehr hat, die Treppen wieder hochzusteigen. «Sie weigerte sich, in die Kontrolle nach Zürich zu gehen», erzählt die Mutter. Weil sie weiss: «Die behalten mich.» Wie recht Carina hat: Die Herzfunktion ist so schlecht, dass sie im Spital bleiben muss.

Das ist am Tag vor ihrem neunten Geburtstag am 5. März. Alle Einladungen für das Fest sind verschickt. Es wären sogar zwei Clowns gekommen. Carina weint, sagt ihrem Mami: «Es wird alles wieder gut.»

Dann eine neue Hiobsbotschaft. In Carinas Lunge hat sich Flüssigkeit angesammelt, weshalb, wissen die Ärzte zunächst nicht. Nach verschiedenen Tests finden sie heraus, dass es sich um Lymphflüssigkeit handelt. Carina braucht Drainagen, muss sechs Wochen lang fettfrei essen – eine weitere Herausforderung. «Seit ihrer Chemotherapie ist sie extrem heikel. Manche Sachen kann sie nicht einmal mehr riechen», sagt die Mutter. Manchmal braucht sie nach dem Essen einen Kaugummi, um den Geschmack zu tilgen.

In der Reha erholt sich Carina endlich, kommt wieder zu Kräften. Und am 5. Juli kann sie nach Hause. In den Sommerferien erfüllt sich die Familie einen lang ersehnten Traum: gemeinsame Ferien. «Für unsere Familie war diese Zeit extrem wichtig. Wir müssen lernen, nicht die Krankheit in den Vordergrund zu stellen und so normal wie möglich zu leben.»

Carina ist jetzt seit zwei Monaten zu Hause. Sie erholt sich, geht in die Schule, spielt mit anderen Kindern. Springen kann sie noch nicht, dafür ist ihr Herz zu schwach. Auch für den Heimweg braucht sie länger als ihre Kameraden. Dafür trägt ihr der kleine Bruder Silvan, 7, den schweren Thek. Er hat Carina fast am meisten vermisst. Als die ältere Schwester Daniela ihm kürzlich einen Splitter entfernen wollte und sich entschuldigte, als sie ihm wehtat, sagte er nur: «Macht nichts, Carina musste viel mehr Schmerzen ertragen.»

Von Lisa Merz am 4. September 2013 - 13:55 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 18:24 Uhr