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Serie Krebs, Teil 3, Prostatakrebs

Neuer Therapieansatz!

Das Prostatakarzinom ist der häufigste Krebs bei Männern ab 65. Dieser Tumor schürt Ängste wie kein anderer, denn damit ist auch die Sexualität betroffen. Doch nicht immer muss ein Prostatakrebs operiert werden. Neuste Therapien zielen auf die Erhaltung des Organs trotz Krebs.

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Der Prostatakrebs (organge) drückt auf die Blase, die sich oberhalb des Tumors befindet und verursacht damit Beschwerden beim Wasserlassen.
Science Photo Library

Die gute Nachricht zuerst: Beim Prostatakrebs wird immer weniger operiert, und die Sterblichkeit nimmt trotz steigender Tendenz der Erkrankung eher ab. Nur jeder dritte bis vierte Mann, der an Prostatakarzinom erkrankt, stirbt daran. «Active surveillance», also aktiv überwachen, und nur bei Bedarf eingreifen, heisst ein neues Konzept bei der Behandlung des Prostatakrebses. Und dieses Vorgehen wird nicht nur bei alten Männern, bei denen der Tumor oft langsam wächst, sondern zunehmend auch bei jüngeren angewendet. Damit kann die körperliche Unversehrtheit oft erhalten bleiben. «Generell kann gesagt werden: Bei aggressiven Tumoren ist eine Behandlung angesagt. Bei wenig aggressiven kann zugewartet werden. Nicht jeder Mann mit einem Prostatakrebs braucht also eine Behandlung», sagt Prof. Thomas Gasser von der Urologischen Universitätsklinik Basel - Liestal. «Active surveillance» ist laut dem Urologen aufwendig, denn es braucht viel Zeit, lange Gespräche und psychologisches Geschick, den Männern zu erklären, warum sie trotz Krebs keine Behandlung brauchen. «Es gibt zwei Arten von Patienten bei diesem Konzept: Die einen kommen nach drei Monaten und fordern die Operation. Sie halten es nicht aus, zu wissen, dass da ein Tumor ist. Das ist nach meinen Erfahrungen der kleinere Teil. Andere sagen, dass sie sich langsam an den Tumor gewöhnen», erklärt Prof. Gasser.

Prostatakrebs ist der häufigste bösartige Tumor beim Mann. Jährlich wird bei bis zu 5600 Männern in der Schweiz die Diagnose Prostatakrebs gestellt. 1300 sterben pro Jahr daran. Prostatakrebs ist somit hinter dem Lungenkarzinom die zweithäufigste Todesursache aufgrund von Krebs. Mit zunehmendem Alter tritt die Krankheit häufiger auf. Bei den über 80-Jährigen finden sich in 80 Prozent der Fälle bösartige Zellen in der Prostata, die aber meist keine Behandlung benötigen.

Die Ursache für Prostatakrebs ist nicht bekannt. Wichtigste Risikofaktoren sind: Alter, familiäre Veranlagung und wahrscheinlich die Ernährung. Falls der Vater oder ein Bruder bereits an Prostatakrebs erkrankt ist, verdoppelt sich das Risiko. Da in den westlichen Industrieländern die Sterblichkeit um hundert Mal höher ist als in Asien, nimmt man an, dass die Ernährung bei der Erkrankung eine Rolle spielt. Fettreiche und fleischbetonte Nahrung scheinen das Risiko zu erhöhen. «Asiatische Ernährung hat vermutlich einen günstigen Effekt», gibt Prof. Gasser zu bedenken. Für einmal ist also Übergewicht oder Nikotin kein besonderer Risikofaktor. Und auch viel oder wenig Sex erhöht das Risiko nicht. Als falsch hat sich auch erwiesen, dass eine Unterbindung das Risiko für Prostatakrebs erhöht.

Im Frühstadium spürt man ein Prostatakarzinom nicht. Es verursacht keine Schmerzen oder sonstige Beschwerden. Durch Abtasten und durch die Ermittlung des PSA-Wertes, des prostataspezifischen Antigens, kann der Urologe den Krebs vermuten. Als ein Glück sieht es Prof. Thomas Gasser an, dass die meisten Männer wegen anderer Beschwerden der Prostata zum Arzt gehen. Meist wegen einer gutartigen Vergrösserung der Drüse, die übrigens keine Vorstufe zu einem Karzinom ist. Die Vorsorgeuntersuchung wird Männern ab 50 bis 70 Jahren empfohlen. Besteht eine familiäre Veranlagung sollte der erste Untersuch bereits mit 45 stattfinden. Ob eine Vorsorgeuntersuchung einen Einfluss auf die Sterblichkeit hat, wird unter Urologen kontrovers behandelt. Prof. Thomas Gasser dazu: «Es gibt grosse Untersuchungen zum Thema. Eine europäische Studie – meiner Meinung nach die bessere – hat gezeigt, dass dadurch die Sterblichkeit bis zu 20 Prozent reduziert werden kann.»

Bei einem zu hohen PSA-Wert oder einem abnormen Tastbefund veranlasst der Urologe zusätzlich eine Gewebeprobe. «Diese ist das einzige Instrument, um einen Prostatakrebs nachzuweisen oder auszuschliessen», erklärt Prof. Gasser. Eine auf Krebs positive Gewebeprobe bedeutet aber nicht zwingend, dass der Patient eine Behandlung braucht. «Der sogenannte Gleason-Score gibt uns Aufschluss darüber, ob der Tumor aggressiv ist oder nicht», erklärt der Chefarzt. Ein Krebs, der nur auf die Prostata beschränkt ist, kann durch die Entfernung des kranken Organs oder durch Bestrahlung geheilt werden. Die radikale Prostatektomie hat Folgen, allerdings meist reversible: «Beim Eingriff müssen wir die Prostata, die Samenblase und die Endstücke der Samenleiter entfernen», erklärt Prof. Gasser die Operation. Das bedeutet immer Auswirkungen auf die Sexualität. Es gibt keinen Samenerguss mehr und die Fruchtbarkeit ist weg. Die Erektionsfähigkeit hängt davon ab, ob die Nerven beim Eingriff erhalten werden können. In fast der Hälfte der Fälle ist das möglich. Die Orgasmusfähigkeit bleibt aber oft erhalten. Eine vollständige Inkontinenz ist selten. Einige Patienten leiden nach dem Eingriff an einer Belastungs-Inkontinenz, das heisst, sie verlieren beim Husten oder beim Heben von schweren Lasten Urin. Die Regulierung der Inkontinenz kann bis zu anderthalb Jahre dauern.

Für die Behandlung des metastasierenden Prostatakarzinoms – zuerst bilden sich Ableger in den Lymphknoten, dann in den Knochen – stehen dem Mediziner noch einige Therapie-Möglichkeiten zur Verfügung: Beim Hormonentzug wird dem Patienten das Testosteron entzogen. Denn das Prostatakarzinom benötigt das männliche Hormon als «Betriebsstoff». Entzieht man dem Krebs das Hormon, wächst der Tumor nicht mehr. Seit wenigen Jahren besteht die Möglichkeit einer Chemotherapie. «Das ist ein echter Fortschritt, denn sie ist gut verträglich und fördert die Lebensqualität. Der Patient lebt nicht unbedingt länger, aber besser», sagt Prof. Gasser und fügt hinzu: «Auch ein metastasierender Prostatakrebs ist noch kein Todesurteil. Dieser Tumor ist heute oft zu einer chronischen Erkrankung geworden.»

Check:

 

Untersuchungen:

  • Der PSA-Wert ist der mit Abstand wichtigste Parameter für die Früherkennung des Prostatakarzinoms. Er wird aus dem Blut ermittelt.
  • Ein PSA-Wert bis 4 ng/ml (4 mg pro Liter) gilt als normal.
  • 4 bis 10 ng/ml liegen im Graubereich.
  • Über 10 ng/ml sind abklärungsbedürftig.
  • Weder der PSA-Wert noch die rektale Tastuntersuchung sind ein Beweis für einen bösartigen Tumor. Häufig wird der Wert über Monate beobachtet, bevor weitere Untersuchungen folgen.

Der Experte rät:

  • Prävention Ob häufige Ejakulationen in der Jugend, Grüntee oder Kürbiskerne vor Prostatakrebs schützen, wurde in keiner Studie untersucht. Man nimmt an, dass die Ernährung eine Rolle spielt. Zu viel tierisches Fett und zu viel Fleisch sollten gemieden werden.
  • Diagnose Der PSA-Wert und das Abtasten der Prostata lassen den Krebs vermuten; gesichert wird er mit einer Gewebeprobe. Der sogenannte Gleason-Score gibt Aufschluss, ob der Tumor aggressiv ist oder nicht. 5 und 6 gelten als wenig, 7 als mittel und 8 bis 10 als sehr aggressiv.
  • Therapie Bei einem auf das Organ beschränkten Tumor wird zuerst abgeklärt, wie aggressiv der Krebs ist. Nicht immer braucht es eine Behandlung. Ein neues Konzept bei der Therapie des Karzinoms heisst «active surveillance», was so viel bedeutet wie aktiv überwachen und bei Bedarf eingreifen. Andere Möglichkeiten sind die Operation oder die Bestrahlung.
  • Hormon- und Chemotherapie Bei fortgeschrittenen Tumoren ist eine Hormontherapie angezeigt. Seit wenigen Jahren steht für den metastasierenden Prostatakrebs eine Chemotherapie zur Verfügung, die sehr gut verträglich ist. Der Patient lebt damit nicht wesentlich länger, aber besser.
  • Metastasen Ist der Tumor auf die Prostata beschränkt, ist eine Heilung wahrscheinlich. Hat der Tumor die Organgrenze überschritten, streut er in die Lymphknoten, später in die Knochen und andere Organe (z. B. Lunge).

Die Zahlen:

  • Neuerkrankungen pro Jahr: 5600
  • Todesfälle pro Jahr: 1300
  • Anteil an allen Krebs-Neuerkrankungen pro Jahr: 16 %

 

 

 

Von Verena Thurner am 19. Oktober 2010 - 10:51 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 23:12 Uhr