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Verhütung mit Antibabypille

Wie hoch ist das Thromboserisiko bei der Pille?

Dass die Antibabypille das RISIKO FÜR BLUTGERINNSEL erhöht, ist seit ihrer Einführung vor mehr als 50 Jahren bekannt. Leider gilt das heute für Pillen der dritten und vierten Generation mehr denn je. Als Faustregel gilt: Bei der Verhütung mit der Pille muss von mindestens einer Verdoppelung des Thromboserisikos ausgegangen werden.

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Thrombosegefahr. Ein Gerinnsel stört den Blutstrom. Eine gefährliche Embolie könnte entstehen.

Die Pille kommt wegen der Gefahr von Thromboembolien nicht aus den Schlagzeilen. In den USA läuft eine Klagewelle gegen die Hersteller. In Frankreich gehen nach einem tragischen Fall einer Lungenembolie erneut die Wogen hoch. In Deutschland vergeht kaum eine Woche ohne Kritik an den modernen Pillen. Und auch in der Schweiz sehen sich die Firmen seit Jahren einem starken Gegenwind ausgesetzt.

Was angesichts der heftigen Auseinandersetzung zählt, ist eine sachliche, nüchterne Analyse der tatsächlichen Gefahren, welche die hormonelle Verhütung mit sich bringt. Genau diese liefert nun ein Artikel im «Schweizerischen Medizin-Forum», dem offiziellen Fortbildungsorgan der Verbindung der Schweizer Ärzte FMH. Prof. Dimitrios A. Tsakiris, Leitender Arzt Hämostase am Universitätsspital Basel, und sein Team listen sorgfältig die heutige Datenlage sowie den Kenntnisstand auf und leiten daraus Empfehlungen zuhanden der Ärzte und der Anwenderinnen der Pille ab.

Dass die Antibabypille das Thromboserisiko erhöht, ist seit ihrer Einführung vor mehr als 50 Jahren bekannt. Die gängigsten Pillen bestehen aus einem Östrogen- und einem Gestagenanteil. Die Kombination der Sexualhormone unterdrückt den Eisprung, wirkt sich aber auch zwangsläufig auf die Blutgerinnung aus. Anfangs galten vor allem die Östrogene als problematisch. Mittlerweile wurde ihre Konzentration allerdings so stark abgesenkt, dass die Gestagenkomponente an Einfluss auf das Thromboserisiko gewonnen hat. Die verwendeten Gestagene variieren von Pille zu Pille. Alle haben eine ähnliche Wirkung auf die Verhütung. Der Fortschritt der modernen Gestagene besteht vor allem darin, dass sie sich positiv auf die Haut und das Gewicht auswirken. «Trotz Weiterentwicklung der Pille konnte das Thromboserisiko nicht reduziert werden», konstatiert Prof. Tsakiris. «Gemäss Swissmedic werden in der Schweiz seit 2009 pro Jahr circa 40 bis 50 Thrombosen bei Pilleneinnahme gemeldet. Die Assoziation der kombinierten oralen Kontrazeption mit einem erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien ist bekannt. Über 100 Millionen Frauen weltweit benutzen ein orales hormonales Kontrazeptivum, was dazu führt, dass die Pille bei jungen Frauen die häufigste Ursache für eine Thromboembolie ist.»

Als Faustregel muss bei der Verhütung mit der Pille mindestens von einer Verdoppelung des Thromboserisikos ausgegangen werden. Das Thromboserisiko bei der Pilleneinnahme wird bei zusätzlichen Risikofaktoren deutlich erhöht: Rauchen, Alter über 35, Operationen mit verzögerter Mobilisierung, Übergewicht, bereits durchgemachte tiefe Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien sowie erbliche Veranlagung für Thrombosen, das heisst gehäuftes Auftreten von Thrombosen und Lungenembolien in der Familie.

Nach den Berichten über fatale Thromboembolien in mehreren Ländern stellt sich die Frage, ob die verschiedenen Generationen der Pille mit unterschiedlichen Risiken verbunden sind. Und ob speziell die neuste Generation mit einem besonders hohen Risiko behaftet ist. Prof. Tsakiris: «Bereits kurz nach der Markteinführung der vierten Pillengeneration vor über zehn Jahren wurde in Sicherheitsanalysen ein erhöhtes Thromboserisiko im Vergleich zu älteren Pillen vermutet.

Diese Beobachtungen wurden in einer grossen holländischen Studie und einer dänischen Kohortenstudie bestätigt. Beide Studien fanden ein rund anderthalb- bis zweifach erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien für die Pille der dritten und vierten Generation im Vergleich zu älteren Pillen. Auch zwei Fall-Kontroll-Studien aus den USA und England zeigten ein erhöhtes Risiko in ähnlichem Umfang.»

Im gleichen Zeitraum wurden jedoch auch eine ganze Reihe von Studien publiziert, die kein erhöhtes Risiko für die Pille der vierten Generation nachwiesen. In einer kürzlich publizierten, sehr grossen Kohortenstudie, die über 835 000 Frauen einschloss, wurde nun jedoch wieder ein rund zweifach erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien bei Pillen der neusten Generation im Vergleich zu älteren Pillengenerationen gefunden.

Das Risiko gilt auch für das Verhütungspflaster und den Vaginalring. Allerdings gehen die Verhütungsmittel, die nur aus einem Gestagen bestehen, sowie entsprechende Pillen oder die Spirale mit eindeutig tieferen Thromboseraten als die kombinierte Pille einher. Ob neuere Produkte mit natürlichem Östrogen diesbezüglich sicherer sind, bleibt noch zu zeigen.

 

Check 
Das müssen Sie wissen

Das sind die Schlussfolgerungen von Prof. Tsakiris:

  • Die heutigen Pillen haben die Verhütung komfortabler gemacht, allerdings zulasten eines etwas erhöhten Risikos für thromboembolische Komplikationen.
  • Anwenderinnen der kombinierten Pille müssen bei der gynäkologischen Beratung über das Thromboserisiko umfassend aufgeklärt werden.
  • Die Berücksichtigung der Thromboserisikofaktoren für die Auswahl der hormonellen Verhütung ist unumgänglich.
  • Diese Risikofaktoren sind Rauchen, Alter über 35, Übergewicht sowie erbliche Veranlagung für Thrombosen.

 

 

Von Dr. med. Samuel Stutz am 10. Juni 2013 - 15:14 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 00:45 Uhr