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Atelierbesuch

Geduld trägt Früchte

Sie malt mit einer Präzision, die an alte Meister erinnert. Trotzdem behält Karoline Schreiber die zeit­genössische Malerei im Blick.­ Ein Atelierbesuch.

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Karoline Schreiber in ihrem Atelier in Zürich.
Willy Spiller

Sie lächelt mysteriös. Auf der Staffelei lehnt ihr Selbstporträt Herbstabend. Aus grossen Augen starrt Karoline Schreiber, 40, den Betrachter an, die Zöpfe im Mund. Ein trotziger Ausdruck, wie der eines Kindes. Die Ähnlichkeit ist gross, trotzdem wirkt es irgendwie irritierend. Warum hat sich die Künstlerin so dargestellt? Kindheitserinnerungen etwa?

Die Interpretation will die Malerin nicht nachliefern. «Ich mag es, wenn meine Bilder    nicht eindeutig lesbar sind.» So viel sei doch verraten: «Ich untersuche anhand meines Gesichtes, wie die Wahrnehmung manipuliert werden kann.»

«Herbstabend», 2009, gehört zu einer Viererserie von unterschiedlich grossen Selbstporträts. Der Titel bezieht sich auf den Zeitpunkt, als die Aufnahme gemacht wurde. Denn fast allen Ölbildern liegt eine Fotografie zugrunde. In letzter Zeit charakterisieren
zwei Vorgehensweisen die Arbeit der in Zürich wohnhaften Malerin. «Der glückliche Zufall und die nachgestellten Zeichnungen. Bei Letzterem greife ich auf meine intuitiv entstandenen Skizzen zurück.» Karoline Schreiber ist in ihrem Element. Ihre zwischen grün und braun changierenden Augen blitzen auf.

Was sich so einfach anhört, bedarf jedoch einer längeren Vorbereitungsphase. Vor allem bei den Skizzen. Diese Kleinode entstehen täglich. Seit über vier Jahren! Mit dem Fineliner zeichnet Karoline Schreiber in ihrem 15 × 15 Zentimeter grosses Skizzenbuch mindestens ein Bild pro Tag: «Es sind Ideen, die mir durch den Kopf gehen und die ich zu Papier bringe. Zu Hause, bei einem Nachtessen auswärts, unterwegs.» Sie kommen aus dem Unterbewusstsein, Pferde, Menschen, Autos, Gegenstände. Kleine Schätze, die vielleicht eines Tages den Sprung auf die Leinwand schaffen.

Hat die Bernerin die Skizze ausgewählt, wird sie nachgestellt – mit echten Menschen, wie bei «Lucies Auge» (o.), wo die kleine Nichte der Malerin Modell stand –, fotografiert und auf die Leinwand projiziert, um die Konturen festzuhalten. Jetzt beginnt der zeitintensivste Teil. Mit feinen Pinselstrichen arbeitet sich die Dozentin für Zeichnen an der HKB (Hochschule der Künste Bern) durch das Bild. Ihre Technik erinnert an die der alten Meister, die Dichte des Bildes ist bemerkenswert.

Karoline Schreiber bedient sich gerne universeller Themen, etwa der vier Jahreszeiten. Nur dass sie diese anders interpretiert. Wie beim Apfelbäumchen im Vorgarten ihres Häuschen im Zürcher Kreis 5, wo sie mit Mann und den beiden Kindern Quentin, 6, und Elisabeth, 3, wohnt. Immer wieder hat sie den Baum fotografiert, immer nachts, immer einen anderen Ausschnitt, bis sie sich ans Malen machte.

Schönheit und Hässlichkeit, aber auch Vergänglichkeit gehören zu den weiteren Themen der sympathischen Künstlerin. Die Herausforderung, ein Kotelett mit den Fetträndern und der feinen Maserung des Fleisches zu malen, nimmt sie genauso gern an wie das Porträtieren eines Neugeborenen.


Galerie Stephan Witschi Zürich
Bis 10. 4. Mi–Fr 14–18, Sa 13–17 Uhr, Tel. 044 - 242 37 27

Von Kati Moser am 8. März 2010 - 11:58 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 19:30 Uhr