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Die Schauspielerin im Interview

«A Women's Story»: Natalia Wörner will allen Frauen Mut machen

Für ihre Doku «A Women's Story» hat Natalia Wörner prominente Frauen zum Thema Gleichberechtigung interviewt. Für die Schauspielerin ein echtes Herzensprojekt.

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Natalie Wörner ist stark von den Frauen in ihrer Familie geprägt worden.
Natalie Wörner ist stark von den Frauen in ihrer Familie geprägt worden. L’Oréal Paris

Pünktlich zum Weltfrauentag begibt sich Schauspielerin Natalia Wörner (54) mit «A Women's Story» (ab 8. März bei RTL+, Produktion UFA Documentary, We are Era in Koproduktion mit Target Films) auf eine dokumentarische Reise, auf der sie starke, selbstbewusste Frauen trifft, die für ihre Gleichberechtigung, Rechte und Freiheiten kämpfen. Für Wörner ein echtes Herzensprojekt, sie setzt sich schon seit vielen Jahren leidenschaftlich für Frauenrechte ein.

2020 gründete sie mit der Initiative #Sicherheim eine Kampagne gegen häusliche Gewalt an Frauen, aktuell unterstützt sie die «StandUp»-Initiative von L'Oréal Paris. «Meine Grundthese ist, dass wir erst über Gleichstellung reden können, wenn das Thema Gewalt gegen Frauen eine Zero Tolerance Position in unserer Gesellschaft bekommen hat», stellt die 54-Jährige im Interview klar. Den Weltfrauentag 2022 widmet sie allen Frauen und Mädchen in der Ukraine und in Russland. «Frauen, die um ihre Männer, ihre Söhne und ihre Brüder bangen.»

Sie kämpfen seit vielen Jahren leidenschaftlich für Frauenrechte und Gleichberechtigung, woher kommt dieses Engagement, was ist Ihre Ur-Motivation?

Natalia Wörner: Die Ur-Motivation liegt sicherlich in meiner Biografie. Ich bin in einem 4-Generationenhaushalt aufgewachsen mit meiner Schwester, Mutter, Grossmutter und Urgrossmutter und somit ausschliesslich unter Frauen. Das hat mich zutiefst geprägt und mir eine unideologische Emanzipation für meinen Lebensweg geschenkt. Unter anderem hatte es den Vorteil, dass ich ohne Geschlechterhierarchien aufgewachsen bin. Die Autorität lag bei den Frauen, männliche Autorität musste erstmal durch ein inneres Prüfungskomitee - das ist in gewisser Weise heute nach wie vor so. (lacht)

Wo stehen wir aktuell in unserer Gesellschaft bei den Themen Chancengleichheit und Gleichberechtigung?

Wörner: Ich glaube, wir müssen unsere Wahrnehmung schärfen und aus einem gefühlten Selbstverständnis heraus die Fakten sprechen lassen. Deutschland belegt im Gleichstellungsranking der Europäischen Union gerade mal den zehnten Platz. Trotzdem glaubt ein Drittel der Deutschen laut einer Umfrage des Bundesfamilienministeriums von 2020, dass für die Gleichstellung von Frauen und Männern genug getan wird. Frauen haben in den Bereichen Bildung, Erwerbstätigkeit und Einkommen in den vergangenen Jahren in Deutschland aufgeholt. Beim Thema Bildung haben Frauen Männer bereits überholt. Auch die Unterschiede bei der Bezahlung schrumpfen. Doch bei der Altersabsicherung und bei den Top-Jobs hinken Frauen noch immer hinterher. Jetzt gilt es politische Strukturen zu schaffen, die diese Form der Ungerechtigkeit anfassen - es ist an der Zeit.

Grosse Unterschiede gibt es der Studie zufolge beim Verdienst. Laut WSI lag der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen zuletzt mit 18,62 Euro brutto in der Stunde um 18,3 Prozent oder 4,16 Euro unter dem der Männer. Ein Grund dafür sei, dass Frauen viermal so häufig in Teilzeit arbeiteten wie Männer, häufig um besser Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen. Dies schränke die Karrieremöglichkeiten ein. Die Lohnlücke schrumpfte in den vergangenen Jahren langsam, aber kontinuierlich. Gravierender ist deshalb nach Einschätzung des WSI die nach wie vor grosse Lücke beim Thema Altersabsicherung. «Nimmt man gesetzliche Rente, betriebliche und private Alterssicherung zusammen, beziehen Frauen durchschnittlich ein um 49 Prozent niedrigeres Alterseinkommen als Männer», berichtete das WSI.

«Der Rückstand der Frauen wird in wichtigen Bereichen kleiner. Aber Fortschritte bei der Gleichstellung vollziehen sich bislang meist sehr langsam», fasste WSI-Forscherin Yvonne Lott die Entwicklung zusammen. Unklar sei noch, ob die Pandemie den langfristig positiven Trend beim Thema Gleichstellung negativ beeinflussen werde. Verschiedene Studien zeigten, dass Frauen in Zeiten von Lockdowns, Kitaschliessungen, Quarantäne und Homeschooling deutlich häufiger ihre Erwerbsarbeit als Männer verringert hätten.

Gleichberechtigung, Rechte und Freiheiten für Frauen: Diesen Themen gehen Sie auch in Ihrem Dokumentarfilm «A Women's Story» nach. Ein echtes Herzensprojekt?

Wörner: Es ist mir ein grosses Anliegen, der jungen Generation den Staffel oder die Fackel in die Hand zu geben, Impulse zu setzen, Mut zu machen, das Terrain zu erobern, das ihnen zusteht. Ich möchte aber auch aufzeigen, was wir erreicht haben und was es noch zu tun gilt und das kann man am besten in einem Chor von starken Stimmen.

Sie sprechen mit prominenten Kolleginnen wie Iris Berben oder Helen Mirren über Female Empowerment. Was genau ist Female Empowerment für Sie?

Wörner: So leben zu können, wie man es für sich wünscht, entscheidet und tut und zwar in allen Lebensbereichen. Gleichberechtigt, ohne Geschlechterhierarchien und ohne Benachteiligung aufgrund des Geschlechts und das in aller Selbstverständlichkeit, sodass am Ende des Tages nicht das Geschlecht im Vordergrund steht, sondern der Mensch mit all seinen Talenten, Wünschen, Hoffnungen und Schwächen.

Wie leben Sie selbst Female Empowerment?

Wörner: Ich lebe es in meinem Alltag mit meiner Geschichte, meiner Sozialisation: Als Mutter eines Sohnes im Teenageralter, mit einem Beruf, der mich immer wieder herausfordert und in einer Beziehung, die Augenhöhe als Grundprinzip definiert. Wer über Gleichstellung redet, der redet ja nicht nur über die Gaps, über Rente, Altersarmut, Wirtschaft und Corona, sondern auch über alles, was tradiert zwischenmenschlich falsch läuft. Wir können alle bei uns selbst anfangen und dann auf die Politik zeigen.

Welche Frauen haben Sie im Zuge Ihrer Dokumentation besonders berührt?

Wörner: Die Offenheit und das Vertrauen, das mir von allen Frauen entgegen gebracht wurde, war für mich persönlich ein sehr bewegendes Erlebnis. Es gab hier in jedem einzelnen Gespräch den einen Moment des Verschmelzens zwischen Fragen stellen, antworten und zuhören und dann den Extra-Schritt gehen, der ein tiefes Gespräch ausmacht. Mich hat Andie MacDowell sehr beeindruckt, da sie so schonungslos offen, klar und kompromisslos ist. Abgesehen davon hat sie eine unfassbar starke Ausstrahlung. Sie ist eine sanfte Kriegerin. Und auch die einzigartige Iris Berben, die sich so klug und sensibel mit all diesen Themen seit vielen Jahren beschäftigt und sich dem Thema Gleichstellung so differenziert und mit vollem Herzen verschrieben hat. Sie hat mir in unserem Gespräch viele Geschenke gemacht - ihr gilt meine ganze Bewunderung.

Als eines der stärksten Themen im Kontext Female Empowerment nennen Sie Gewalt gegen Frauen. Warum ist das vielerorts immer noch ein Tabu-Thema?

Wörner: Meine Grundthese ist, dass wir erst über Gleichstellung reden können, wenn das Thema Gewalt gegen Frauen eine Zero Tolerance Position in unserer Gesellschaft bekommen hat. Und ich spreche von emotionaler, psychologischer, digitaler und natürlich körperlicher Gewalt. Jeden Tag versucht in diesem Land ein Mann, eine Frau umzubringen. Jeden dritten Tag stirbt in Deutschland eine Frau durch die Hand eines Mannes, der wahrscheinlich ihr Partner ist oder einmal war. Der gefährlichste Ort für eine Frau in Deutschland ist nach wie vor nicht die Strasse oder die Clubtoilette, sondern ihr Zuhause.

Hatten Sie im privaten Umfeld mit dem Thema Gewalt gegen Frauen schon mal zu tun?

Wörner: Ich habe durch die von mir mitgegründete Initiative #Sicherheim sehr viele Frauen erlebt, die sich mir mit ihren Erlebnissen anvertraut haben, das ging auch in sehr private Ebenen, ja.

Sie unterstützen unter anderem auch die «StandUp»-Initiative von L'Oréal Paris, was genau steckt dahinter?

Wörner: Was ich an der Initiative so grossartig finde ist, dass sie sich mit so klaren alltagstauglichen Ansätzen an Frauen richtet, die im öffentlichen Raum Grenzüberschreitungen erlebt haben. Die Instrumentarien, die einem vorgestellt werden, sind klar, präzise und hilfreich. Das kostenlose Trainingsprogramm gegen Belästigung in der Öffentlichkeit von L'Oréal Paris und der Non-Profit-Organisation Right To Be ist eine tolle Möglichkeit, etwas erst mal theoretisch zu praktizieren, um es dann in einer realen Situation mit einem Handlungsleitfaden umzusetzen. Wichtig ist, dass sich auch die eingreifende Person keiner Gefahr aussetzt. Das Prinzip ist einfach und überall anwendbar.

Der zweite Aspekt von der «StandUp»-Methode ist, dass derjenige, der sich in der Situation wiederfindet und eine Grenzüberschreitung beobachtet, sich in einer deeskalierenden Weise sinnvoll einbringen kann, um Frauen, die von einer Grenzüberschreitung betroffen sind, helfend zur Seite zu stehen. «StandUp» bemüht sich den öffentlichen Raum zu beleuchten und zu schützen. Ich glaube, die Hemmung einzuschreiten, in einer Situation, in der man nicht beteiligt ist, ist ein natürlicher Reflex. Aber Frauen zur Seite zu stehen, die überfordert sind in einem Moment, ist ja, wenn man es sich einmal zu Herzen kommen lässt, auch ein Wunsch nach dem Hand-in-Hand-Gehen. Ich glaube, mehr Zivilcourage steht uns allen in jeglicher Form.

Was würden Sie sich wünschen, wo Frauen in zehn Jahren stehen. Und was braucht es dazu?

Wörner: In zehn Jahren wünsche ich mir, dass das Thema Gewalt gegen Frauen eine Position bekommt, die keine Ausweichmanöver mehr zulässt. Dass wir in einem gesamtgesellschaftlichen Klima leben, in dem die Gleichstellung der Frauen ein gemeinsames Anliegen von Frauen und Männern und allen Geschlechteridentitäten geworden ist und dass sich der Wille zur Vollendung der Gleichberechtigung scharf definiert lässt. Was es dazu braucht? Einsicht, Herz und Verstand!

Am 8. März wird wieder alljährlich der Weltfrauentag gefeiert, und das schon seit über 100 Jahren. Braucht es diesen Tag heute noch?

Wörner: Ja, es braucht ihn gerade jetzt sehr deutlich, denn wir befinden uns an einer Schwelle. Es ist alles gesagt, alles gefühlt. Wir haben die Veränderungen erlebt, die durch #MeToo kamen, Black Lives Matter und die Sichtbarkeit von Diversität. Wir erleben gerade in Europa einen Krieg, der der Ur-DNA einer toxischen Männlichkeit entspringt. Wir brauchen mehr Frauen in Führungspositionen, mehr Frauen in der Politik und an Verhandlungstischen. Wäre das schon Realität, würde es diesen Krieg nicht geben, davon bin ich überzeugt. Ich persönlich widme diesen Weltfrauentag 2022 allen Frauen und Mädchen in der Ukraine und in Russland. Frauen, die um ihre Männer, ihre Söhne und ihre Brüder bangen. Männer, die einen sinnlosen Tod sterben, der dem Machtstreben eines Autokraten entspringt und wir schauen dabei zu - ohnmächtig und fassungslos.

Von spot on news AG am 7. März 2022 - 10:37 Uhr