Fussball–Bundestrainer Julian Nagelsmann (36) spricht über die schwere Zeit nach dem Suizid seines Vaters. «Ich war Anfang zwanzig, musste mich auf einmal um die Familie kümmern, die ganzen Versicherungen regeln. Alltagsdinge eben, an die man in dem Alter eigentlich keinen Gedanken verschwendet», erklärt er in einem «Spiegel»–Interview. Er habe schwerwiegende Entscheidungen treffen müssen, auch um seine Mutter zu entlasten, «die auf einmal in einem grossen Haus ohne ihren Partner wohnte». Natürlich prägten «solche krassen Lebensphasen einen als Persönlichkeit mehr», so der 36–Jährige, «wenn man sie so früh durchlebt. Man wird schneller erwachsen».
Nagelsmann sagt über den Tod seines Vaters auch, er denke oft an diesen Tag zurück. Er sei damals auf einem Trainerlehrgang in Oberhaching bei München gewesen. «Und auf einmal hat der Lehrgangsleiter gesagt, ich solle bitte mal hinausgehen.» Im nächsten Moment habe er vor seinem damaligen Schwiegervater gestanden, «der mir eröffnete, dass sich mein Papa umgebracht hat».
Nagelsmanns Vater war beim Bundesnachrichtendienst
Ausserdem verrät Julian Nagelsmann in dem «Spiegel»–Interview, dass sein Vater beim Bundesnachrichtendienst gearbeitet habe und über seinen Job nicht sprechen durfte. In der Schule habe Nagelsmann gesagt, «was ich früher auch immer geglaubt habe, was er war: Berufssoldat. Selbst mein Opa glaubte, sein Sohn sei Soldat». Zudem berichtet der Fussballtrainer über seinen Vater: «Er war mutig. Er musste im Beruf immer wieder Entscheidungen treffen in dem Bewusstsein, dass der ganze Plan auch in die Hose gehen konnte. Das Schlimmste im Leben ist, wenn man keine Entscheidungen trifft.»
Er habe vieles von seinem Vater übernommen, so Nagelsmann weiter. «Als Trainer mache ich mir nicht so viele Gedanken darüber, was die Leute von mir oder von meinen Entscheidungen halten. Gerade zu Beginn meiner Karriere habe ich einfach Dinge gemacht, ohne Rücksicht darauf, wie sie wirken.» Er führt weiter aus: «In meinem ersten Spiel als Bundesligatrainer bei der TSG Hoffenheim habe ich vier Stürmer aufgestellt. Da dachten alle, ich sei bekloppt, doch wir haben einen wichtigen Punkt geholt. Inzwischen wäge ich mehr ab. Aber den Mut für Entscheidungen, den habe ich definitiv von meinem Papa.»
Der ehemalige Trainer des FC Bayern München antwortet darüber hinaus im «Spiegel» auf die Frage, ob er bei seiner steilen Karriere nie Angst gehabt habe, sich zu übernehmen: «Ich habe mal mein Burn–out–Risiko testen lassen. Es liegt bei null Prozent. Das haben offenbar nicht so viele. Aber ich achte schon auf meine Ruhephasen. Ich gehe in die Berge oder Ski laufen. Ich liebe Fussball, aber das Leben ist nicht nur Fussball.»
Hilfe bei Depressionen und Suizidgedanken bietet die Telefonseelsorge unter der kostenlosen Rufnummer: 0800/111 0 111