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Das schönste Dorf 2019!

Trub – ein schönes Stück Heimat

Zwischen Tradition und Moderne: Das schönste Dorf der Schweiz 2019 ist Trub im Emmental. Was die heimischen Frauen unter dem Rock tragen und warum sich 50 000 Schweizerinnen und Schweizer über den Sieg mitfreuen dürfen.

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Trub das schoenste Dorf

Idylle: 1350 Menschen leben in Trub BE. Die Kirche im Emmentaler Dorf wurde 1125 als Benediktinerkloster gebaut.

Kurt Reichenbach

Wenn die Frauen der Trachtengruppe durch das Dorf laufen, schauen alle zweimal hin. Alexandra Beer lüpft den Rock ihrer Gotthelftracht, um zu schauen, ob alles sitzt. Ihre Beine stecken in weissen, fein gehäkelten Socken.

Zwei Velofahrer winken ihr zu. «Ich habe sogar in einer Tracht geheiratet – einer Tschöplitracht. Aber das ist heutzutage selbst in Trub eine Ausnahme», sagt Alexandra Beer. Doris Brechbühl trägt zu ihrer Berner Sonntagstracht die Rosshaarhaube, die sie von ihrer Mutter geerbt hat, im Ausschnitt stecken frische Blumen. «Unsere Trachtengruppe existiert schon seit 1977», sagt sie stolz. «Aber wie lange es uns noch geben wird, ist leider unklar.» Umso mehr freuen sich die Frauen über Nachwuchs. Jolanda Blum, 17, ist die Jüngste von ihnen. «Mir gefallen die Trachten so sehr – und ich tanze gerne», sagt sie und strahlt unter dem Strohhut mit schwarzer Schleife.

Trub das schoenste Dorf

Trachtentraum: Christine Wüthrich, 56, Alexandra Beer, 48, Jolanda Blum, 17 (v. l.), in der Gotthelftracht und Doris Brechbühl, 52, in der Berner Sonntagstracht.

Kurt Reichenbach
Ein von Traditionen geprägtes Dorf

In diesem Emmentaler Dorf wird Tradition grossgeschrieben. Die Truber singen, schwingen, hornussen, jodeln und turnen in ihren Vereinen. Der Frauenverein ist über 100 Jahre alt, eine Seltenheit in der Schweiz. Ein Dorf, das lebt.

Und dass es nun auch das schönste Dorf der Schweiz ist, freut den Gemeindepräsidenten Peter Aeschlimann, 55: «Es ist einfach genial! Wir sind bodenständige Leute, aber diesen Sieg werden wir gross feiern.» Aeschlimann ist der Einzige im fünfköpfigen Gemeinderat, der kein Bauer ist. Er arbeitet als Lastwagenchauffeur und Mechaniker.

Trub das schoenste Dorf

Schelle Annemarie, 63, und Ueli Wüthrich, 62, leben mit Katze Omo im alten Giesserhüsli, wo früher Kuhglocken gegossen wurden.

Kurt Reichenbach

Der Präsident steht auf der Matte unterhalb des Restaurants Löwen zwischen sechs Infotafeln. Diese erzählen auf dem Familienplatz die Geschichte der Truber Namen Fankhauser, Habegger, Wüthrich, Beer und Siegenthaler. Dass es einen Familienplatz gibt, ist kein Zufall. Denn das Dorf hat eine spezielle Geschichte: In Trub sind 50 000 Menschen heimatberechtigt. Eine stolze Zahl, wenn man bedenkt, dass das Dorf am Fusse des Napfs heute nicht einmal mehr 1500 Einwohner zählt.

Trub das schoenste Dorf

Treffpunkt: Gemeindepräsident Peter Aeschlimann, 55, auf dem Familienplatz, wo die Truber Geschichte auflebt.

Kurt Reichenbach

Bezogen auf die Einwohnerzahl hat kein anderer Ort in der Schweiz mehr Heimatberechtigte als Trub. Im Archiv unten im Keller des Gemeindehauses öffnet Ernst Kohler, 61, die Akten und zeigt, warum. «Früher konnte nur der jüngste Sohn der Familie den Hof erben. Darum mussten die anderen Kinder aus dem Emmental auswandern und sich anderweitig etwas suchen», sagt der Gemeindeschreiber. «Und früher gab es auf dem Land sehr viele Kinder, besonders hier in der Umgebung.»

Trub das schoenste Dorf

Paradies: Der Garten von Annemarie und Ueli Wüthrich an der Dorfstrasse in Trub.

Kurt Reichenbach
Truber – ein Volk für sich

Nicht alle ausgewanderten Truber fanden ihr Glück. Viele verarmten und mussten zurückkehren, das zeigen Dokumente in den Akten unter «Armenjagd» in den Regalen des Archivs. «Die Zurückgekehrten wurden oft fortgejagt – am häufigsten ins Luzernische, weil sie eine Belastung für die Gemeindekasse waren», erzählt Kohler.

Zu den berühmten Trubern gehören der Nobelpreisträger Kurt Wüthrich, der Bluesmusiker Philipp Fankhauser und Bestsellerautor Paul Wittwer («Eiger, Mord & Jungfrau»).

Trub das schoenste Dorf

Stammbaum: Holzunternehmer Jürg Hirschi, 46, mit Sohn Niklas, 15, Tochter Alena, 9, und Ehefrau Sandra, 45.

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Trub hat nicht nur eine bewegte Vergangenheit, das Dorf spielt auch in der Gegenwart eine Rolle. Fast jedes Haus war schon mal auf der grossen Leinwand zu sehen. Der Saal im oberen Stock des Restaurants Löwen in «Der Verdingbub» oder die Schreinerei als Dessous-Lädeli in «Die Herbstzeitlosen». Die Geschichte von Martha, Lisi, Hanna und Frieda, die in Trub eine Lingerie-Boutique eröffnen, brachte nicht nur die Schweizer Kinobesucher zum Lachen, sondern auch das Publikum in Japan, Portugal und Amerika.

Trub das schoenste Dorf

Fundgrube: Ernst Kohler, 61, im Gemeindearchiv. Die Schriften reichen bis ins Jahr 1750 zurück.

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Immer wieder reisen Cars mit Fans in die Gemeinde, um die Originalschauplätze zu besuchen. «Wir sind natürlich stolz, wenn Filmemacher bei uns Inspiration finden», sagt Gemeindepräsident Aeschlimann. Und die Truber durften auch schon Statisten spielen. So wurde der Gemeindeschreiber kurzerhand ein Alphornbläser und der Schreiner ein Schwinger.

«Ja, i bin e Ämmitaler, i bin e Bueb, e Bueb vom Trueb.»

Nicht nur durch Filme, sondern auch mit seiner Musik ist Trub in der ganzen Schweiz bekannt geworden. Bestes Beispiel ist «Trueberbueb», eines der beliebtesten Jodellieder der Schweiz oder «Daneli vom Trueb» von Florian Ast. Damit schaffte der Mundartstar vor mehr 20 Jahren seinen Durchbruch als Sänger.

Trub das schoenste Dorf

Filmgrössen: Im Restaurant links wurde «Der Verdingbub» gedreht, in der Schreinerei rechts «Die Herbstzeitlosen».

Kurt Reichenbach
Die Truber Legende Hirschi

Auch Jürg Hirschi, 46, ist über die Dorfgrenzen hinaus bekannt, mit seinem Truberholz. Der Zimmermann gründete 1997 eine Ein-Mann-Firma, heute ist er mit 60 Mitarbeitern der grösste Arbeitgeber im Ort. «Nur weil ich so gute Leute habe, bin ich erfolgreich», sagt Hirschi. Sein Holz kommt grösstenteils aus Trub. Verkauft wird es im Wallis, im Jura und im Aargau. «Die Qualität der Handwerker im Emmental ist ausgezeichnet, das ist schweizweit bekannt.» Seine zwei Söhne machen beide eine Lehre als Zimmermann. Niklas, 15, ist Jungschwinger wie die meisten Jungen im Dorf. «Wir haben im Schulhaus unter der Turnhalle einen Schwingkeller», sagt er. Trub ist ein Dorf, das schwingt und singt und lebt.

Trub ist ein Dorf mit einer grossen Vergangenheit und mit einer gesicherten Zukunft. Darum ist Trub zu Recht das schönste Dorf der Schweiz 2019.

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Von Silvana Degonda am 26. August 2019 - 16:16 Uhr