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«Frieden»-Darsteller Dimitri Stapfer

«Aktuell wird viel gelogen und versprochen»

In der SRF-Dramaserie «Frieden» spielt Dimitri Stapfer einen Ermittler in der Nachkriegszeit. Doch auch die aktuelle Situation verunsichert den Schauspieler.

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Dimitiri Stapfer, 2020

Dimitri Stapfer, 32, ist aktuell in der SRF-Dramaserie «Frieden» und im Kinofilm «Beyto» zu sehen.

David Biedert

Dimitri Stapfer, in der SRF-Serie «Frieden» spielen Sie einen Soldaten, haben Sie selber Militärdienst geleistet?
Nein, und zwar aus Überzeugung nicht. Ich wollte in den Zivilschutz, was jedoch wegen Umzug in einen anderen Kanton und diversen Engagements nicht klappte. Irgendwann war ich zu alt, dabei wollte ich meine Bürgerpflicht wahrnehmen, einfach nicht im Militär.

Für «Frieden» mussten Sie in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg eintauchen. Wie haben Sie sich vorbereitet?
Ich bin vielschichtig vorgegangen, habe Dokumentationen und Filme aus dieser Zeit geschaut. Von der Schweizerischen Bundesanwaltschaft habe ich Akten erhalten. Die waren sehr spannend! Darin waren Telefonabhör- und Verhörprotokolle, interne Schriften und Briefe – es las sich wie ein Krimi.

«Die Nachkriegszeit war schon eine Zeit, in der Männer weniger über ihre Gefühle, geschweige denn über ihre psychische Belastungsstörungen geredet haben. Sie mussten selber klarkommen»

Frieden Dimitri Stapfer Max Hubacher

Dimitri Stapfer spielt in «Frieden» den Bundesanwaltschaft-Ermittler Egon Leutenegger, den Bruder von Unternehmer Johann Leutenegger, dargestellt von Max Hubacher (l.). 

SRF/Sava Hlavacek

Haben Sie sich auch in der Familie umgehört?
Ja, mein Urgrossvater, den ich noch kannte, verbrachte 1000 Diensttage an der Grenze. Ich fragte in der Familie nach seinen Anekdoten. Zum Beispiel, dass die Hosen so ‘gribscht’ hatten, dass sie jeweils blutige Beine bekamen. Aber er hat nicht viel erzählt.

Ein Tabu?
Wenn ichs mit meiner Figur Egon vergleiche, dann war damals schon eine Zeit, in der Männer weniger über ihre Gefühle, geschweige denn über ihre psychische Belastungsstörungen geredet haben. Sie mussten selber klarkommen. Da habe ich mich schon gefragt, was mein Urgrossvater wohl erlebt hat – oder eben auch nicht. Das Männerbild von damals floss definitiv in meine Rolle rein. Ich habe zum Beispiel «Wachtmeister Studer» angeschaut, um ein Gefühl zu bekommen, was für ein Männerbild man damals hatte.

«Die Telefonabhör- und Verhörprotokolle, interne Schriften und Briefe – es las sich wie ein Krimi»

Sie sind aktuell auch im Kinofilm «Beyto» zu sehen, in dem eine türkische Familie nichts davon wissen will, dass ihr Sohn homosexuell ist. Ein ähnliches Rollenbild?
Das ist ein anderes Thema. Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte ein grosses konservatives Leben. In den 20er waren die wilden Zeiten, Diversität wurde gelebt, aber danach erhielt das Patriarchat nochmals einen richtigen Aufschwung. Im Fall der Geschichte von «Beyto» würde ich es als konservativ bezeichnen. Es gibt liberale und konservative Gläubige. Zudem möchte ich aber auch nochmals festhalten, dass gerade in der Schauspielbranche immer noch Homosexuelle stigmatisiert werden. Ich habe schwule Kollegen, die froh sind wenn sie einen Hetero spielen dürfen, weil dann die Frage nach ihrer Sexuellen Orientierung nicht aufkommt.

Der Film spricht ein Tabu an.
Ja «Frieden» und «Beyto» beinhalten beide heikle Themen – heikel in dem Sinne, dass die Leute daran interessiert sind. Ich war gespannt auf welche Reaktionen «Beyto» in der Community, in der Gay Community und generell auslöst und ob wir damit sensibilisieren können. Und auch mit der Flüchtlingspolitik in Moria sehe ich in «Frieden» extrem viel Parallelen. Es wäre super und wichtig, wenn beide Produktionen für Gesprächsstoff sorgen würden.

«Ich habe schwule Kollegen, die froh sind wenn sie einen Hetero spielen dürfen, weil dann die Frage nach ihrer Sexuellen Orientierung nicht aufkommt»

Können Sie Ihre eigenen Filme ansehen?
Ja, wobei ich beim ersten Mal schauen noch nicht die Figur, sondern mich selbst sehe. Dann frage ich mich ständig, was ich gerade mache. Nach zwei, dreimal bin ich distanzierter und kann auf die Figur eingehen.

Was brauchte es, um in die Rolle von Egon zu schlüpfen?
Die Kostüme helfen enorm! Die Schuhe, die wir von damals trugen, veränderten den Gang. Die schweren Wollsachen drückten mit ihrem Gewicht die Haltung runter, auch das Anziehen des Hutes ist eine coole Geste in sich, die automatisch kam. Was die Rolle selber angeht – Egon ist von einem grossen Schuldgefühl getrieben, will Gerechtigkeit herstellen. Er ist sehr wortkarg, hat aber ein riesiges Herz. Es schüttelt ihn durch.

Frieden

Dimitri Stapfer, Max Hubacher und Annina Walt bilden das Hauptrollen-Trio von «Frieden».

Play Suisse

Wo nehmen Sie diese Emotionen her?
Wenn ich den Text verinnerlicht habe, bin ich so drin, dass es in mir ein Bild hervorruft, mich öffnet. Diese Durchlässigkeit und Offenheit, die man als Schauspieler haben muss, kommt dann zum tragen. Das ist das Schöne am Beruf. Ich bin ständig mit mir selbst auseinandergesetzt. Ganz uneitel muss ich mich mit mir auseinandersetzen.

«Ich wuchs in einer Familie auf, die mich immer als Menschen und gleichberechtigt wahrgenommen hat»

Dimitiri Stapfer, 2020

Als Kind kam Dimitri Stapfer durch ein Casting zum Zirkus Chnopf und dadurch zu seiner Leidenschaft, der Schauspielerei. 

David Biedert

Wir haben über Rollenbilder und frühere Zeiten gesprochen. Wie sind Sie aufgewachsen?
In einer Familie, die mich immer als Menschen und gleichberechtigt wahrgenommen hat. Wir sind uns sehr gewohnt, Probleme direkt anzusprechen selbstverständlich führt das auch zu Auseinandersetzungen. Was ich aber immer bekommen habe, egal wie viel Ghetto rundherum herrschte, ist hundertprozentige Liebe. Ich habe auch Eltern, die mich sehr gut wahrgenommen haben. Der Zirkus Chnopf zum Beispiel. Meine Eltern haben gecheckt, dass mir das Zirkusambiente gefiel und fragten, ob dies etwas für mich wäre. Und so kam ich durch ein Casting zum Zirkus Chnopf und später zur Schauspielerei.

Wurden Sie von Rollenbildern geprägt?
Das sind wir wohl alle. Meine Mutter ist Kindergärtnerin und mein Vater Koch und sie waren immer sehr unklassisch unterwegs. Frauenrechte und Alice Schwarzer wurden bei uns daheim besprochen. Aber die Gesellschaft, in der wir aufwachsen, ist was anderes. All die Bücher mit Prinzessinnen und den Buben als Helden. Ich selber las früh Momo, Ronja Räubertochter und Pippi Langstrumpf, aber natürlich auch Batman.

SRF Serie Frieden Annina Walt

Die junge Lehrerin Klara Tobler arbeitet in einem Heim für jüdische Flüchtlinge arbeitet. «Wir leben in einer Zeit, in der ein Flüchtlingscamp wie Moria noch bestehen kann und trotzdem sagen wir, dass wir stolz auf die unantastbare Würde des Menschen sind», sagt Dimitri Stapfer.

SRF/Sava Hlavacek

Sie sind ausgebildeter Buchhändler. Waren Sie in der Coronakrise versucht in den Beruf zurückzukehren?
Nein, das würde ich nicht machen. Ich bin jetzt seit sieben Jahren durchgehend als Schauspieler am Arbeiten. Ich bekam jedoch Kurzarbeit, da ich in zwei Theater-Engagements steckte.

In was für einer Zeit denken Sie, leben wir momentan?
In einer sehr entscheidenden, habe ich das Gefühl. Und in einer verwirrenden, in der jeder nach der Wahrheit sucht und diese in Foren zu finden scheint. In einer Zeit, in der viel gelogen wird und viel nicht eingesehen, viel versprochen, viel nicht eingehalten. In einer Zeit, in der ein Flüchtlingscamp wie Moria noch bestehen kann und trotzdem sagen wir, dass wir stolz auf die unantastbare Würde des Menschen sind. Die Würde ist das Fundament aller Grundrechte – das scheint in Europa nicht mehr vorhanden zu sein. Solche Dinge verunsichern mich unglaublich und dazu kommt noch Corona.

Wie finden Sie ihre Wahrheit?
In dem ich sage, dass ich nichts weiss. Ich versuche mir zwar stets eine Meinung zu bilden, aber keine unumstössliche. Flexibel bleiben – niemand hat die Wahrheit mit dem Löffel gegessen.

Die historische Dramaserie «Frieden» (8. bis 11. November, täglich zwei Folgen, SRF 1, 20.05 Uhr)

Von Aurelia Robles am 8. November 2020 - 19:02 Uhr