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Bio-Bauer Renzo Blumenthal

Das Wasser bringt ihn zum Brodeln

Seine 100 Braunvieh im Freilaufstall sind Beruf und Berufung. Doch Bio-Bauer Renzo Blumenthal sieht seine Existenz in akuter Gefahr. «Ein Ja zur Trinkwasserinitiative bedeutet für uns Bergbauern den Tod», so der Bündner.

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Bio Bauer Renzo Blumenthal kaempft gegen die Trinkwasser Initiative. Aufgenommen am 21.05.2021 auf seinem Bauernhof in Vella Val Lumnezia. Bild © Remo Naegeli

Frisches Bergwasser direkt vor dem Haus: Renzo Blumenthal in Vella GR hat grosse Sorgen wegen der Trinkwasserinitiative.

Remo Nägeli

Im Brunnen nahe seines Hofladens Quadrin plätschert frisches Bergwasser von der Plattetg-Quelle. Renzo Blumenthal, 44, füllt sich das Glas und trinkt. «Wir haben hier wohl das sauberste Trinkwasser – quasi direkt vom Himmel.» Trotz reinem Wasser ist seine Stimmung getrübt. «Die Trinkwasserinitiative ist ein Angriff auf uns alle», sagt der Bio-Bauer auf seinem Hof in Vella GR. «Am meisten enttäuscht mich, dass in unserem Rechtssystem, in unserer Demokratie, jeder und jede eine sinnlose Initiative lancieren kann.» Sinnlos, da diese Initiative den Kern verfehle und alles andere als weniger Pestizide im Trinkwasser auslöse. «Wir wollen alle sauberes Wasser. Aber die Initiative ist verbunden mit Bedingungen zum Futterzukauf, die den Tod für uns Bergbauern bedeuten.»

Bio Bauer Renzo Blumenthal kaempft gegen die Trinkwasser Initiative. Aufgenommen am 21.05.2021 auf seinem Bauernhof in Vella Val Lumnezia. Bild © Remo Naegeli

«Si isch ganz e Gueti», Renzo Blumenthal und Vater Ursin präsentieren die dreijährige Laguna.

Remo Nägeli

Selten äussert sich der Mister Schweiz 2005 und bekannteste Bauer des Landes politisch. Aber bei der Trinkwasserinitiative, über die das Volk am 13. Juni abstimmt, kochen die Emotionen beim Bündner hoch, denn es gehe nun um «das Eingemachte». Renzo Blumenthal schmerzt besonders, dass die Landwirte von der Bevölkerung anders angesehen würden als jene, die das Wasser verschmutzen. «Die Initiative stellt uns als Sündenbock hin. Das stimmt einfach nicht», sagt er. «Viele vergessen, dass dank uns Bauern noch Essen auf den Tisch kommt.»

«Viele vergessen, dass dank uns Bauern noch Essen auf den Tisch kommt»

Renzo Blumenthal

2010 übernimmt Renzo Blumenthal den Hof von seinem Vater Ursin, 72, der noch heute täglich im Stall anzutreffen ist. «Das brauche ich», sagt der Senior. Vor 25 Jahren entschied er, seinen Betrieb auf Bio umzustellen. «Damals waren die neuen Anforderungen eine Umstellung, aber für uns leicht umsetzbar.» Die Kälber getrennt von den Milchkühen halten sowie dreimal pro Woche Freigang. «Das ging vom Platz her gut. Seither aber sind jedes Jahr mehr und mehr Anforderungen dazugekommen, die wir natürlich durchziehen müssen», sagt Ursin Blumenthal. Als Bio-Bauer ist sein Sohn Renzo verpflichtet, seine Felder umweltfreundlich ohne Pestizide zu bewirtschaften. Sein Hof trägt das Label BTS/RAUS – «besonders tierfreundliche Stallhaltung und Freilauf nach draussen». «Wir müssen über alles Buch führen, werden sehr oft kontrolliert», sagt Renzo Blumenthal. «Bezüglich Nachhaltigkeit sind wir Vorreiter. Wir leben mit und von der Natur.» Einzig Mist und Gülle produziere er, «Naturprodukte».

Bio Bauer Renzo Blumenthal kaempft gegen die Trinkwasser Initiative. Aufgenommen am 21.05.2021 auf seinem Bauernhof in Vella Val Lumnezia. Bild © Remo Naegeli

Vor sechs Jahren hat Blumenthal in den Melkroboter und somit in seine Freiheit und jener der Kühe investiert.

Remo Nägeli

Renzo Blumenthal steht vor der frisch gestrichenen Stallwand. Sein Leben als Bio-Bauer ist von ständigen Veränderungen, neuen Auflagen und Innovationen bestimmt. Als sein Grosscousin mit dem Bauern aufhört, kann er 2014 Land dazupachten. Mehr Land bedeutet mehr Subventionen und mehr Kühe im Stall – beides baut er aus. Der Stall wird markant vergrössert, der Viehbestand von 15 auf 40 Milchkühe erhöht, die 200 000 Liter Milch pro Jahr produzieren. Mit seinen 65 Hektaren bewirtschaftet Blumenthal den grössten Bio-Bauernhof im Val Lumnezia. «Mit insgesamt 100 Vieh sind wir jetzt auf einem guten Stand.» Dennoch sei er im Berggebiet jeden Tag auf die Unterstützung vom Staat angewiesen, um wirtschaftlich zu bleiben.

21 Rinder, 21 Mäsen (zweijährige Rinder), 17 Kälber, 40 Milchkühe und Stier Valdi – jedes Tier kennt Renzo Blumenthal beim Namen. Selbst eine Uratta, auf Romanisch Ururgrossmutter, lebt noch im Stall. 20 Tiere sind trächtig von Valdi. «Er hat jetzt Ferien», sagt Blumenthal in seinem Freilaufstall. «Hier die Zukunft zu sehen, zu wissen, wie viele Kälbli im Sommer kommen – das ist die wahre Freude des Züchtens.» Sohn Moreno, 12, zeigt grosses Interesse am Bauern und zieht auch seine drei Schwestern Lena, 10, Naemi, 8, und Grace, 4, mit. «Aber ich will ihn zu nichts drängen. Wer weiss, was ich ihm in 20 Jahren für einen Hof überlassen kann – florierend oder einen Müllhaufen?»

Bio Bauer Renzo Blumenthal kaempft gegen die Trinkwasser Initiative. Aufgenommen am 21.05.2021 auf seinem Bauernhof in Vella Val Lumnezia. Bild © Remo Naegeli

Die trächtigen Kühe im Freilaufstall zu sehen, ist die Freude von Bauer Blumenthal. «Stier Valdi hat nun Ferien.»

Remo Nägeli

Sumera, Nina, Lettli, Milka und Samira stehen beim Melkroboter an. Vor sechs Jahren hat Blumenthal 200 000 Franken in die Maschine investiert – «und viel Freiheiten für mich, aber auch für die Kühe gewonnen». Wurden die Kühe zuvor manuell alle zwölf Stunden gemolken, können sie nun selbstständig alle acht Stunden ihre Euter leeren. «Aber mit weiteren Umbauten ist jetzt fertig, ich mag nicht mehr», sagt Blumenthal bestimmt. «Denn nebenbei muss der Betrieb immer weiterlaufen.»

Der Melkroboter schickt Samira weg. Zu früh ist sie angestanden und wollte vom Kraftfutter fressen, das während des Melkens im Trog ist. Drei Kilo täglich bekommt jede Kuh – das reguliert die Maschine. «Das Kraftfutter ist biozertifiziert und stammt aus der Schweiz», sagt Blumenthal. Er versteht nicht, wieso das gemäss der Trinkwasserinitiative nicht mehr möglich sein sollte. Die sieht nämlich vor, dass die Tiere nur noch hofeigenes Futter erhalten dürfen. «Für uns Bergbauern bedeutet dies den Tod.»

«Hier die Zukunft zu sehen, zu wissen, wie viele Kälbli im Sommer kommen – das ist die wahre Freude des Züchtens.»

Renzo Blumenthal

Renzo Blumenthals Wiesen reichen aus, um seine Tiere zu ernähren. Als einer der wenigen pflanzt er bereits auf 1200 Metern über Meer Mais an, der zu besserer Milch verhilft. 1,4 Hektaren jäten er und drei Bauernkollegen jeden Sommer von Hand. «Dann ärgere ich mich jeweils. Aber wenn ich im Winter am Mais ‹schmöcke›, finde ich es toll.» Dennoch: «Ohne Kraftfutterzukauf von einem anderen Schweizer Betrieb würden die Kühe viel weniger Milch produzieren und – viel schmerzlicher – auch ihre gute Gesundheit verlieren.»

Schöne, gesunde Kühe, gute Euter, glänzendes Fell, «das ist meine Freude am Beruf. Ohne diese Leidenschaft gehts nicht, kann ich gleich aufhören.» Und die geringere Produktivität der Kühe würde nicht nur ihn wirtschaftlich treffen. «So viele weitere Arbeitsplätze sind an uns Landwirte gekop- pelt – ob Maschinenbauer oder Käser.» Weniger Produkte bedeuteten höhere Preise, weniger Regionalität dafür mehr Importe. «Da reiben sich die Ausländer die Hände.»

Bio Bauer Renzo Blumenthal kaempft gegen die Trinkwasser Initiative. Aufgenommen am 21.05.2021 auf seinem Bauernhof in Vella Val Lumnezia. Bild © Remo Naegeli

Ganz unten: In seinem Hof- laden verkauft Renzo Speck, Bier und Käse – «mit ungespritztem Heublumen-Rand».

Remo Nägeli

Eigenes Heu, eigener Mais, keine Pestizide – «gespritzt werden wohl bald nur meine Sorgenfalten auf der Stirn». Renzo Blumenthal sagt, dass er alles Mögliche für die Nachhaltig- keit mache. «Wir Bauern sind nicht einfach das ‹Nein› der Initiative. Wir wollen verbessern, einzelne Punkte anpassen. Aber bitte eines nach dem anderen.»

Von Aurelia Robles am 30. Mai 2021 - 19:09 Uhr