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Alexandra Maurer übers Leben mit dunkler Hautfarbe

«Für Anerkennung muss man doppelt so hart arbeiten»

Der qualvolle Tod von George Floyd hat die Diskussion um Rassismus neu entfacht. Dabei ist dieser ein Thema, das sie als Betroffene Zeit ihres Lebens prägt, wie Moderatorin Alexandra Maurer im Gespräch offenbart.

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Alexandra Maurer

Spricht offen über den Rassismus, der ihr widerfährt: Alexandra Maurer.

Instagram/alexandramaurer_official

Nach dem durch Polizeigewalt herbeigeführten Tod des dunkelhäutigen US-Amerikaners George Floyd reissen die Solidaritätsbekundungen nicht ab. Weltweit setzen sich Menschen für die Gleichbehandlung von Schwarzen ein – was auch in der Schweiz bitter nötig ist, wie das Gespräch mit Alexandra Maurer, 38, aufzeigt.

«Ich bin in meinem Leben schon sehr oft mit Rassismus konfrontiert worden», sagt die Moderatorin offen. Ihre Mutter ist Jamaikanerin, der Vater Schweizer. Bislang hat sie sich nie bewusst zu ihren Erfahrungen mit Rassismus geäussert. Die aktuellen Geschehnisse haben sie umgestimmt, denn von klein auf wurde Maurer mit Diskriminierungen konfrontiert.

Früh gemerkt, anders zu sein

«Ich wurde schon in der Schule beschimpft», erzählt sie. Mal war ihre Hautfarbe schuld, ein andermal ihre andere Haarstruktur. Aber immer ging es darum, dass «ich anders bin», sagt Maurer. «Das habe ich mein Leben lang nicht vergessen.»

Ihr Anderssein kriegt die Zürcherin schon früh zu spüren. Was sie auch ein Stück weit versteht. «Es gab keine Vorbilder, die aussahen wie ich», sagt sie. «Ich habe mich im Schweizer Fernsehen nie repräsentiert gefühlt. Die Angst vor etwas, was man nicht kennt, und die Unwissenheit sind unter anderem der Ursprung von Rassismus.»

  

Zahlreiche Situationen

In ihren 38 Jahren hat Maurer in verschiedensten Situationen Diskriminierung erlebt. «Wenn man mir sagt: ‹Sie sprechen aber gut Deutsch›. Wenn ich zu einem Termin erscheine und meine ID zeigen muss, weil mein Aussehen nicht zum Namen Alexandra Maurer passt. Wenn ich auf Hochdeutsch angesprochen werde. Wenn man mir sagt: ‹Geh zur Seite, du Mohrenkopf›. Oder die Schwester meines Teenage-Freundes von ‹Negern› spricht und auf meinen verständnislosen Blick entgegnet, sie ‹meine es doch nicht so›.»

Stars Umfrage Freuen nach Lockdown Alexandra Maurer April 2020

Alexandra Maurer und ihre Mutter, die sie seit Beginn des Lockdowns nicht mehr getroffen hat. «Wir haben uns noch nie so lange am Stück nicht gesehen.»

ZVG

Doch als er ihren Namen aufruft, wandert sein Blick plötzlich wie automatisch zu Maurers weissem Lehrtochter-Gspänli. Er applaudiert ihrer Kollegin zu, bittet sie auf die Bühne. «Er hat es nicht böse gemeint», sagt Alexandra. «Aber ein dunkelhäutiges Mädchen passt halt nicht zum Namen Alexandra Maurer. Ein dunkles Mädchen passt nicht zu einem so guten Abschluss, zu Erfolg.»

Ihre Lehre abgeschlossen hat Maurer um die Jahrtausendwende. Noch immer erinnert sie sich aber genau an die Situation. «Es war sehr einschneidend», erzählt sie. «Und das zieht sich durch mein ganzes Leben. Als Dunkelhäutige muss man doppelt so hart arbeiten, um anerkannt zu werden.»    

Auch in England da

Mittlerweile verbringt die Moderatorin einen grossen Teil ihrer Zeit in London, wo sie mit ihrem Verlobten Greg, 40, und Töchterchen Amélie, 1, lebt. «Am Anfang fühlte ich mich in der U-Bahn sehr repräsentiert. Es gibt hier so viele verschiedene ‹Farben›», sagt sie. «Doch auch hier gibt es Rassismus. Es werden Strassenseiten gewechselt, man wird je nach Gegend komisch angeschaut oder ganz genau beobachtet, wenn man einen Laden betritt.»

Diskriminierung erfährt Maurer auch im Arbeitsleben. «Ich habe Glück, dass ich mittlerweile mit vielen tollen Menschen zusammenarbeite», erzählt sie. «Ich frage mich jedoch immer noch bei jedem Vorsprechen, ob ich den Job trotz meiner Hautfarbe kriege.»  

  

Alexandra Maurer, Taufe von Tochter Amélie

Eigene kleine Familie: Alexandra Maurer mit ihrem Verlobten Greg und Töchterchen Amélie.

Ellin Anderegg
Diskussion als Chance

Die gegenwärtige Diskussion darüber, wie Dunkelhäutige diskriminiert werden, sieht Maurer aber als Chance. «Unwissenheit ist kein Pardon. Man wird nicht als Rassist geboren, meine Tochter sieht keine Farbe. Jeder kommt auf die Welt mit derselben Hoffnung. Daher ist es umso wichtiger, dass wir Menschen uns alle gegenseitig hören und verstehen.»

Deshalb habe sie in der laufenden Diskussion nicht wegschauen können und auf Instagram ebenfalls ein schwarzes Bild gepostet, um unter dem Hashtag #blackouttuesday auf die Chancenungleichheit aufmerksam zu machen. «Man muss darüber reden, andere anstossen. Jeder soll für sich überlegen: Was kann ich dazu beitragen, damit Rassismus verschwindet? Man muss dafür nicht zuvorderst an einer Demo stehen und laut brüllen. Jede Kleinigkeit ist schon ein grosser Schritt.»

Dass sich etwas ändern muss, ist für Maurer klar. «Es tut so weh, wenn man auf die Hautfarbe reduziert wird und wissentlich nicht dieselben Chancen erhält, obwohl jeder Mensch gleich viel wert ist», sagt sie. «Ich bin so viel mehr als meine Hautfarbe. Ich bin ein Mensch mit allem, was dazugehört.»

Wir wollen deine Geschichte

Hast auch du Erfahrungen mit Rassismus gemacht? Wir wollen deine Geschichte, um aufzuzeigen, wie allgegenwärtig Rassismus auch in der Schweiz ist – damit sich daran etwas ändert. Melde dich bei uns via Mail an sionline@ringieraxelspringer.ch

Von Ramona Hirt am 5. Juni 2020 - 06:09 Uhr