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Neuer SVP-Bundesrat

Rösti setzt alles auf ein Pferd

Er ist der neue SVP-Bundesrat und Nachfolger von Ueli Maurer. Zu Hause im bernischen Uetendorf verrät Albert Rösti, wo er seine Sporen abverdient hat, ­wogegen er sich aufbäumt und wer mit ihm Pferde stiehlt.

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Albert + Therese Rösti, BR- Kandidat SVP

Der neue SVP-Bundesrat Albert Rösti mit Frau Theres, dem Schweizer Warmblut Livia und Mini-Shetty Rosy zu Hause in Uetendorf BE.

Kurt Reichenbach

Albert Rösti (55) muss noch schnell die Spülmaschine ausräumen, bevor er sich in Ruhe hinsetzen kann. «Ich habe gern Ordnung», sagt er, und man hätte das auch gemerkt, wenn er es nicht gesagt hätte. In seinem Büro in Uetendorf BE liegen die Papiere in Sichtmäppchen und Sortierablagen, auf dem Boden reihen sich die Kuhglocken. Ja, etwas wild sind höchstens die poppigen Kuhköpfe an der Wand. Bilder des Adelbodner Künstlers Björn Zryd.

Aufgeräumt – das ist Rösti auch im übertragenen Sinn: Er empfängt gut gelaunt, serviert Kaffee und scherzt, er müsse halt Ordnung halten, weil er so viele Nebenämter ausführe – «das haben Sie bestimmt gelesen».

Nun: Seitdem Bundesrat Ueli Maurer Ende September seinen Rücktritt bekannt gegeben hat, taucht der Name Albert Rösti allpott in der Presse auf: fast immer positiv konnotiert («Kronfavorit», «Schwergewicht», «Nettigkeit in Person»). Nur ab und an ist vom «Pöstchenjäger» oder «Super-Lobbyisten» die Rede.

Am 18. November hat es Albert Rösti neben Hans-Ueli Vogt auf das Bundesratsticket der SVP geschafft – im ersten Wahlgang. Das Ergebnis freut ihn. Gleichzeitig sagt er: «Gewählt bin ich erst, wenn am 7. Dezember die Stimmen ausgezählt sind, bis heute hat noch niemand meinen Namen auf einen Zettel geschrieben.» Das ist keine falsche Bescheidenheit. Vielmehr ist Rösti überzeugt, dass es bei Bundesratswahlen immer wieder Überraschungen gibt, die niemand kommen sieht. Die Wahl war dann aber klar: Am Mittwoch, 7. Dezember wurde Albert Rösti mit 131 Stimmen im ersten Wahlgang in den Bundesrat gewählt. 

Albert + Therese Rösti, BR- Kandidat SVP

Sie sehen sich nicht oft – und sind doch ständig in Berührung: Albert und Theres Rösti kennen sich seit dem Gymnasium.

Kurt Reichenbach

Schnurgerade Karriere

Er selbst ist kein Mann der Überraschungen. Schon als Bub ist für Albert Rösti klar, dass er später in die Politik einsteigen will. Er wächst in Kandersteg BE in einer Bergbauernfamilie auf, als jüngstes von vier Kindern. Mittags um halb eins heisst es jeweils: «Schweigt!» – dann gibts die Radionachrichten. «Mein Vater hat sich sehr für Politik interessiert und immer alles kommentiert», sagt Rösti, «das hat mich geprägt.»

Seine berufliche Karriere verläuft schnurgerade: Matura, Studium der Agrarwissenschaften an der ETH Zürich, Generalsekretär in der kantonalen Volkswirtschaftsdirektion, Direktor des Verbands der Schweizer Milchproduzenten, selbstständiger Berater. 2008 gelingt Rösti der Sprung in die Politik – mit der Wahl in den Gemeinderat von Uetendorf, seit acht Jahren amtet er als dessen Präsident. 2011 erobert er einen Sitz im Nationalrat, gut vier Jahre lang präsidiert er die SVP Schweiz. Und nun also Bundesrat.

Albert + Therese Rösti, BR- Kandidat SVP

In seinem Büro in Uetendorf geht Albert Rösti seinen 16 Nebenmandaten nach: «Ich bin es gewohnt, viel zu arbeiten.»

Kurt Reichenbach

«Genügend Quality-Time»

Nur wenige Autominuten von seinem Büro entfernt wohnt Albert Rösti in einem ehemaligen Bauernhaus mit Sicht auf das Stockhorn. Dort gesellt sich an diesem Nachmittag auch seine Frau Theres (54) zum Gespräch. Sie arbeitet 80 Prozent als Flugbegleiterin bei der Swiss, daneben kümmert sie sich um Pferd Livia und Mini-Shetlandpony Rosy. Planen, das ist für die Röstis ein bisschen wie «Tetris»-Spielen: Sie füllen die freien Lücken mit Terminen, drehen und schieben, und wenn das Chaos über sie hereinbricht, dann liegt es meistens daran, dass ein Termin nicht rechtzeitig «verstaut» wurde. «Aber wir haben zum Glück noch immer genügend Quality-Time», sagt Theres Rösti. «Alle ein bis zwei Wochen ein Abend zu zweit muss sein – auch wenn Albert Bundesrat würde.»

Theres und Albert Rösti sind eines dieser Paare, die seit einer Woche zusammen sein könnten oder seit 20 Jahren. Die genügsame Zufriedenheit, die sie ausstrahlen, würde wohl dieselbe sein. 1985 haben sie sich am Gymnasium in Thun kennengelernt. «Drei Jahre musste ich scharren, bis ich sie hatte», erinnert er sich. Sie sagt: «Irgendwann hat es bei mir doch noch klick gemacht, ich kann gar nicht recht sagen, warum.» Nun sind sie seit 28 Jahren verheiratet und haben zwei Kinder. Sarina (22) wohnt noch bei den Eltern – sie hat eben die Ausbildung zur Flugbegleiterin abgeschlossen. André (26) ist Informatiker und promoviert in den USA. Die Familienbande ist eng. Obschon – oder gerade weil – alle ihren eigenen Weg gehen. «Wir haben uns gegenseitig immer unterstützt, nicht ausgebremst», sagt Theres Rösti – so auch bei der Bundesratskandidatur. «Albert hat die Fähigkeit und das Know-how», sagt sie und fügt an: «Wir müssen froh sein, gibt es Leute, die diese Belastung auf sich nehmen.»

Albert + Therese Rösti, BR- Kandidat SVP

Wenn Theres am Fliegen ist, füttert Albert Rösti Mini-Shetty Rosy. «Meine Frau hat das Gefühl, ich gäbe ihr zu viel.»

Kurt Reichenbach

Im Parlament gilt Albert Rösti durchs Band als «gmögig». «Aber dieses ‹Gmögige› darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass er knallhart die Interessen der Öl-, Auto- und Atomlobby vertritt», warnt SP-Nationalrätin Gabriela Suter. FDP-Nationalrat Marcel Dobler wiederum ist überzeugt, dass Rösti Mehrheiten bilden könne: «Er ist kein Ein-Themen-Politiker.»

Rösti selbst sagt, er werde natürlich die SVP-Haltung vertreten, falls er den Sprung in den Bundesrat schaffe. «Es heisst immer, ich sei ein Netter. Aber als Parteipräsident habe ich bewiesen, dass ich auch Linie halte.» Und er beweist es auch im Gespräch: die Worte «frei» und «sicher» ploppen immer wieder auf. Rösti sagt, er wolle die Unabhängigkeit der Schweiz bewahren. «Nur darum stehen wir heute im Vergleich zu anderen Ländern so gut da.» Gleichzeitig betont er: «Es ist nichts mehr sicher.» Dabei denke er an die Energieversorgung, aber auch an die Ernährungssicherheit. «Für die Zukunft braucht es einen riesigen Effort.»

Privat hat Rösti, der bis vor Kurzem Präsident von Swissoil war und heute Auto-Schweiz präsidiert, vorgesorgt: «Wenn es hart auf hart kommt, habe ich ein Stromaggregat.» Und selbstverständlich lagere er auch mehr Notvorräte als früher – «aber nicht übertrieben». Weil: Ordnung muss sein.

Von Michelle Schwarzenbach am 25. November 2022 - 18:05 Uhr