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Die Sportministerin am Drücker

Mit Viola Amherd an der Tour de Suisse

Mit Schalk und Charme: An der Tour de Suisse geht Sportministerin Viola Amherd unter die Radfahrer – und nimmt Tipps für den neuen Kampfjet entgegen.

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Bundesraetin Viola Amherd beim Start der Tour de Suisse in Flamatt FR. Startschutz fuer die Etappe von Flamatt nach Murten Bild © Remo Naegeli

Augen zu und Päng! In Flamatt schickt die Sportministerin das Tour-de-Suisse-Feld auf die Reise nach Murten: «Ich fahre sehr gerne Velo – aber als Sport kann man dies nicht zwingend bezeichnen.»

Remo Nägeli

Vorgezogene Sommerferien sind für Viola Amherd, 57, kein Thema. Die Walliser Bundesrätin ist derzeit an allen Fronten gefordert: Am Frauenstreiktag solidarisiert sie sich mit den Protestierenden auf dem Bundesplatz, im Verhandlungsmarathon um den neuen Kampfjet sorgt sie für eine erste Zäsur, und der Armee will sie ein ökologisch revolutionäres Konzept verpassen.

Dazwischen mischt sie sich als Ehrengast vor der dritten Tour-de-Suisse-Etappe in Flamatt FR unter das Fussvolk und denkt dabei an die eigene Kindheit zurück: «Ich wohnte an einer Kantonsstrasse in Brig – und jeden Sommer kam die Tour vorbei. Wir sammelten Käppis und Fähnchen. Den ganzen Tag herrschte Riesenaufregung. Und als die Fahrer dann eintrafen, war nach ein paar Minuten der ganze Spuk auch schon wieder vorbei.»

Bundesraetin Viola Amherd beim Start der Tour de Suisse in Flamatt FR. Ein Zuschauer hat sie beim abgeben des Startschusses fotografiert und zeigt ihr das Bild. Bild © Remo Naegeli

Fotocheck: Ein slowakischer Fan zeigt Viola Amherd das Bild des Startschusses. Frau Bundesrätin ist sichtlich amüsiert.

Remo Nägeli

In Wünnewil-Flamatt dauert das Erlebnis länger – und es ist für die Gemeinde von historischer Bedeutung. Gemeindepräsident Andreas Freiburghaus erklärt: «Ein Bundesrat kommt selten zu uns. Vor rund zehn Jahren durften wir Eveline Widmer-Schlumpf begrüssen. Und Alain Berset beehrte uns 2011 nach seiner Wahl.» So ist allein die Ankunft der Magistratin auf dem Firmengelände von Immoscout24 in der dunklen Limousine ein fast staatstragendes Ereignis. Manfred Raemy, der Oberamtmann des Sensebezirks, bildet zusammen mit OK-Chef Nicolas Bürgisser das Begrüssungskomitee.

Die Kameras surren, die Reporterin von Radio Fribourg ist live auf Sendung. Zwei Wachmänner des Sensler Harscht trotzen mit Uniform und Hellebarde der Sommerhitze. Und dann der grosse Moment: An der Seite von CVP-Kollegin Christine Bulliard schreitet Amherd in Richtung Tour-Village. «Güete Tag, äs gfrewt mich sehr, hie z sii», sagt sie und überzeugt auch mit ihrer durchdachten Garderobe. Das lebensfrohe Grün ihres Zweiteilers leuchtet in der Farbe des Tour-Hauptsponsors – und es entspricht exakt der Couleur des Maillot Vert für den Punktebesten der Tour de France.

Bundesraetin Viola Amherd beim Start der Tour de Suisse in Flamatt FR. Der ehemalige Radprofi Sven Montgomery unterhällt sich mit der Bundesraetin, rechts Nationalraetin Christine Bulliard-Marbach. Bild © Remo Naegeli

Fachgespräch: Amherd mit Sven Montgomery und Christine Bulliard.

Remo Nägeli
Die Bundesrätin fiebert mit

Viola Amherd lacht, als sie darauf angesprochen wird, bezeichnet sich rein textil aber eher als Bergfahrerin: «Ich besass ein weisses Trikot mit roten Punkten. Da sagten die Leute immer: Hier kommt der Bergfloh.» Schon fast logisch, dass ihr Favorit im Peloton ein Mann für die ruppigen Steigungen war: «Ich fieberte mit Beat Breu mit. Wie er die Berge hochfuhr, war tief beeindruckend.» Grundsätzlich bringt die Bundesrätin aber allen Rennfahrern grosse Achtung entgegen: «Die Leistungen, die in diesem Sport erbracht werden, sind fantastisch. Und an einer Rundfahrt beginnts jeden Morgen von vorn. Da erträgt es keinen Schlendrian.»

In Flamatt wirft die Bundesrätin einen Blick hinter die Kulissen. Sie nimmt zwischen Funktionären, Ordnern und Polizisten an der «Bogensitzung» teil. Dort werden am Morgen unter dem Startbogen alle Details nochmals angesprochen und allfällige Probleme behoben. Die VBS-Vorsteherin lauscht den Ausführungen aufmerksam. Am Schluss stellt sie zufrieden fest: «Die Armee spielt hier eine ganz wichtige Rolle. So gesehen, ist die Tour de Suisse die perfekte Veranstaltung für mein Departement.»

Bundesraetin Viola Amherd beim Start der Tour de Suisse in Flamatt FR. Sie besucht die Fahrer der Schweizer Nationalmannschaft in ihrem Wohnmobil. Bild © Remo Naegeli

Bundesrätliche Taktiksitzung mit dem Team Schweiz: Roland Thalmann, Fabian Lienhard, Claudio Imhof, Gian Friesecke und Patrick Schelling (v. l.).

Remo Nägeli
Viola Amherd fuhr täglich mit dem Rad zur Arbeit

Die Bundesrätin ist in bester Laune: «Ich liebe den Sport und den Kontakt mit den Leuten.» Beim Gang durchs Startgelände schüttelt sie zahllose Hände, posiert für Selfies und steigt in den Wagen des Schweizer Teams. Das hätte selbst Adolf Ogi nicht besser gemacht. Bei den Herausforderungen, denen sich die Fahrer Tag für Tag stellen, sieht sie durchaus Parallelen zur Politik: «Man braucht in beiden Sparten Ausdauer und Durchhaltewillen – und muss Hindernisse überwinden.» Selber fährt sie gerne Velo. Ihre Ambitionen relativiert sie aber: «Ich bin in meiner Zeit als Gemeindepräsidentin in Brig immer mit dem Rad zur Arbeit gefahren – aber als Sport würde ich das nicht zwingend bezeichnen.»

Als sich die Bundesrätin im VIP-Zelt an der Seite von Tour-Co-Direktor Kurt Betschart eine Verschnaufpause gönnt, hört der Rummel um ihre Person nicht auf. Schnell wird das militärische Tagesgeschäft zum Thema. Ein Radsportfan mit Flair für Kampfjets hat einen konkreten Tipp auf Lager: «Kaufen Sie bitte den Rafaele.» Viola Amherd nimmt einen Schluck Mineralwasser und kontert schlagfertig: «In welcher Farbe hätten Sie ihn gern?»

Vor dem Flugzeugkauf steht aber noch der wichtigste Teil ihres Tourbesuchs auf dem Programm: das Abfeuern des Startschusses. Im Fahrerpulk beweist Amherd Walliser Solidarität und wünscht Schweizer Meister Steve Morabito für die Fahrt nach Murten alles Gute. Dann montiert sie den Gehörschutz, greift zur Pistole und waltet ihres Amtes: Päng. Das Publikum applaudiert, die Rennfahrer beginnen ihr Tagwerk. Wenig später steigt Viola Amherd in ihre Limousine. Zurück bleibt ein zufriedenes Volk – und eigentlich nur eine offene Frage: «Welche Farbe hat der neue Kampfjet?»

Von Thomas Renggli am 22. Juni 2019 - 16:27 Uhr